Wer im Sommerurlaub mit dem Auto unterwegs ist, muss Geduld haben und mit einem Handgriff an die Kreditkarte kommen. Denn in vielen europäischen Urlaubsländern werden Mautgebühren fällig. Ob in Frankreich, Spanien, Italien, Kroatien oder Griechenland – überall müssen Autofahrende zahlen, wenn sie Autobahnen nutzen wollen. Dafür sind diese meist gut ausgebaut und bringen die Reisenden deutlich schneller ans Ziel als alternative Routen.
Der ehemalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte vor einigen Jahren versucht, auch in Deutschland eine Pkw-Maut durchzusetzen, ist damit aber gescheitert. Dennoch plädieren die Wirtschaftsweisen in ihrem Frühjahrsgutachten 2024 nun dafür, eine Pkw-Maut in Deutschland einzuführen.
Welche Vorteile hätte eine Pkw-Maut in Deutschland?
In ihrem Frühjahrsgutachten plädieren die Wirtschaftsweisen, ein von der Bundesregierung eingesetzter Sachverständigenrat, „für eine stärkere Nutzerfinanzierung, beispielsweise eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut“. Die Einnahmen sollten in die Infrastruktur fließen.
Die Wirtschaftsweisen verweisen auf den maroden Zustand der Verkehrsinfrastruktur. Das Verkehrsaufkommen werde voraussichtlich weiter zunehmen, prognostizieren sie. Die Autobahnen, die Wasserstraßen und das Schienennetz müssten daher modernisiert und ausgebaut werden. Das nutze der Gesamtwirtschaft, weil nur eine gute Infrastruktur gewährleistet, dass der Warenverkehr auf Straße und Schiene reibungslos funktionieren kann.
Die Denkfabrik Agora Verkehrswende geht in ihrer Studie zur Pkw-Maut davon aus, dass sie den Verkehrsfluss verbessern und mehr Menschen davon überzeugen würde, den ÖPNV oder das Rad zu nutzen. Das hätte einen positiven Einfluss auf die Umwelt und das Klima. Zudem würde die Maut pro Jahr Einnahmen von 32 Milliarden Euro generieren. Knapp die Hälfte davon sollte zurück in die Infrastruktur fließen, der übrige Anteil in Lärmschutzmaßnahmen, den ÖPNV sowie Geh- und Radwege.
Über die Energiesteuer, die beim Kauf von Benzin und Diesel fällig wird, nahm der Bund 2022 fast 30 Milliarden Euro ein. Wenn künftig mehr E-Autos auf der Straße sind, sinken diese Einnahmen. Eine Pkw-Maut könnte die Steuereinnahmen im Verkehrssektor sichern, argumentiert das Umweltbundesamt.
Marissa Reiserer, bei Greenpeace für Mobilitätsfragen zuständig, spricht sich für eine Maut für alle aus, die eine Staffelung nach Gewicht vorsieht: SUV-Fahrer sollten stärker belastet werden als Fahrer von sparsamen Kleinwagen. Die Maut könne Autobahnen entlasten und den Umstieg auf Bus und Bahn fördern, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Zudem sei es richtig, wenn diejenigen, die die Straßen nutzen, auch für die Instandhaltung der Straßen bezahlen.
Die Kosten für den Erhalt und Ausbau von Autobahnen schwanken. Je nach Abschnitt kosten solche Maßnahmen mehrere Millionen, teilweise sogar Milliarden. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 sieht durchschnittliche Jahresausgaben von rund 15 Milliarden Euro für den Erhalt und den Ausbau der Verkehrsnetze vor.
Was bringt die Lkw-Maut?
2005 wurde die Lkw-Maut eingeführt. Sie gilt auf Autobahnen und Bundesstraßen und brachte 2023 rund 7,4 Milliarden Euro ein. Ab 1. Juli 2024 müssen auch für viele Fahrzeuge, die mehr als 3,5 Tonnen wiegen, Mautgebühren bezahlt werden. Die Einnahmen sind zweckgebunden und fließen nach Abzug der Verwaltungskosten in den Erhalt und Ausbau der Bundesfernstraßen, das Schienennetz und weitere Maßnahmen im Mobilitätsbereich.
Was spricht gegen eine Pkw-Maut in Deutschland?
FDP und die Union lehnen eine Maut mit Blick auf die Inflation ab. „In der aktuellen wirtschaftlich angespannten Lage wäre die Einführung einer Pkw-Maut eine zusätzliche Belastung und Zumutung für die Bürgerinnen und Bürger“, sagte Bernd Reuther, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, der Deutschen Presse-Agentur
Der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Bareiß, wies darauf hin, dass Menschen aus dem ländlichen Raum auf das Auto angewiesen seien. Autofahrer noch stärker zu belasten, sei deshalb falsch. Jährlich nimmt der Bund rund zehn Milliarden Euro über die Kfz-Steuer ein.
ADAC-Sprecher Andreas Hölzel verwies im MDR darauf, die Einführung der Maut zunächst sehr teuer wäre und sich der Verkehr auf die Landstraßen verlagern würde. Landstraßen aber seien unsicherer als Autobahnen. Mehr als die Hälfte aller tödlichen Unfälle ereignen sich auf Landstraßen.
Maut-Strecken aber sind auch nicht unbedingt sicherer, wie ein Beispiel aus Italien zeigt. 2018 stürzte eine Autobahnbrücke in Genua ein. 43 Menschen starben. Obwohl Sicherheitsmängel an der Brücke bekannt waren, hatten sich der Autobahnbetreiber nicht darum gekümmert, diese zu beheben.
Wie wahrscheinlich ist die Einführung einer Maut für alle?
Ende 2013 wurden die Pläne für eine Pkw-Maut in Deutschland konkreter. Die CSU erreichte, dass die Einführung der Maut im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union festgeschrieben wurde. Sie sollte jedoch ausschließlich für nicht in Deutschland zugelassene Autos gelten.
Das Vorhaben scheiterte 2019, weil der Europäische Gerichtshof die Pläne als rechtswidrig ansah. Dennoch kostete das Verkehrsprojekt die Steuerzahler 243 Millionen Euro. Der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte mit den geplanten Betreibern bereits Verträge geschlossen. Nach dem Maut-Aus forderten diese Schadensersatz ein.
Nach diesem Debakel ist es sehr unwahrscheinlich, dass in naher Zukunft eine Maut eingeführt wird. Hinzu kommt, dass Union und FDP eine Pkw-Maut ablehnen und auch die SPD aktuell wenig Interesse daran zeigt. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ließ über eine Sprecherin mitteilen, dass man den Vorschlag der Wirtschaftsweisen zur Kenntnis genommen habe, ihn aber nicht weiter verfolge.
rey