Martin Zagatta: Warum hat Verkehrsminister Andreas Scheuer die Verträge über die Pkw-Maut trotz aller Bedenken noch abgeschlossen, bevor der Europäische Gerichtshof diese Maut für unrechtsmäßig erklärt hat, und so einen Schaden von geschätzten 500 Millionen angerichtet? Und warum wurden Gespräche der Ministeriumsspitze mit den Betreiberfirmen nicht protokolliert? Fragen, mit denen sich heute der Bundestag befasst, da wird für die Union der CSU-Politiker Michael Frieser sprechen, der Justiziar der Fraktion.
Herr Frieser, dass die Union jetzt noch – bevor der Ausschuss offiziell eingesetzt wird – gleich den Justiziar vorschickt, das heißt doch, dass es da ganz schöner Winkelzüge bedarf, um das Vorgehen des Verkehrsministers noch zu rechtfertigen. Wie schwer fällt Ihnen das denn, jetzt zu rechtfertigen, dass da 500 Millionen in den Sand gesetzt wurden und dass Gespräche mit den Betreiberfirmen nicht protokolliert wurden?
Michael Frieser: Erst mal wird keiner vorgeschickt, sondern in meiner Eigenschaft als Mitglied des Geschäftsordnungsausschusses …
Zagatta: … müssen Sie den Kopf hinhalten.
Frieser: … bin ich Berichterstatter und tue das selbstverständlich gerne, denn als guter Demokrat stellt man sich gerade auch einer solchen Auseinandersetzung. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir, wenn wir uns denn tatsächlich diesem Minderheitenrecht der Opposition stellen wollen – und das ist ihr gutes Recht –, dass wir uns auch ordentlich damit beschäftigen. Und dass wir auch alles tun, damit dann wenigstens, wenn man mal daran erinnern darf, dass dieser Untersuchungsausschuss aus unserer Sichtweise überhaupt nicht notwendig ist, aber dann sollte er doch zumindest richtig gemacht werden. Und deshalb vielleicht noch zu den von Ihnen angesprochenen Inhalten: Das ist genau der Punkt, um den es uns eigentlich geht. Noch nie hat ein Minister so kurzfristig, so schnell so viele Unterlagen beigebracht zu diesem Vorgang. Er hat noch nie alle wirklich rechtslos gestellten Fragen beantwortet und das an die Fachleute getan – und das ist alles im Verkehrsausschuss tatsächlich passiert. Da sitzen eigentlich die Fachleute zu diesem Thema, und jetzt muss man, weil das wahrscheinlich zu geräuscharm ist oder das dient nicht der Skandalisierung, das enthebt man jetzt diesen Kollegen aus dem Verkehrsausschuss und legt das tatsächlich an den Untersuchungsausschuss. Das macht die Sache erst einmal deshalb schwierig, weil die Leute sich neu einarbeiten müssen und das natürlich erst mal von der Öffentlichkeit weg ist, während das, was der Verkehrsausschuss macht, alles offen und transparent funktioniert. Es ist natürlich so, dass der Untersuchungsausschuss erst einmal hinter verschlossenen Türen verhandeln muss, das ist eine Pflicht.
Zagatta: Aber da gibt es ja große Zweifel. Verträge abzuschließen, obwohl die Gefahr ja groß war, dass diese Ausländermaut scheitert – das widerspricht ja eigentlich dem gesunden Menschenverstand. Gilt der nichts mehr in der CSU?
Frieser: Na ja, da muss man schon noch einen Schritt zurück und sagen, wirklich immer mit der Mehrheit auch der Bevölkerung, die immer gesagt hat, das ist doch seltsam, dass wir in Deutschland tatsächlich keine Maut erheben, obwohl das überall der Normalfall ist.
"Er muss Verträge abschließen"
Zagatta: Aber nicht so eine Maut!
Frieser: Dann kommt die Aussage der Kommission dazu, die dann am Ende des Tages tatsächlich auch ihre Bedenken einstellt. Dann kommt der Generalanwalt aus Brüssel dazu, der seine Bedenken auch einstellt. Ja, wenn ein Minister dann nicht das Arbeiten anfängt und auch Verträge abschließt – was er übrigens musste …
Zagatta: Also arbeiten soll er ja, aber Verträge abschließen, selbst der wissenschaftliche Dienst …
Frieser: Entschuldigen Sie bitte, der hatte einen Auftrag aus dem Haushaltsausschuss, und da steht drin, dass er auch Einnahmen generieren muss, die genau das abdecken, also muss er Verträge abschließen. Etwas anderes bleibt ihm gar nicht übrig.
Zagatta: Aber selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat da ja Zweifel angemeldet. Darf ich Ihnen mal vorspielen, wie groß der Unmut selbst bei Ihrem CSU-Parteitag war? Ein Delegierter aus Oberbayern:
O-Ton CSU-Delegierter: Wir blamieren uns ja bis in die Knochen. Und wenn sich der Herr Scheuer jetzt hinstellt und so tut, als wäre das nicht. Zumindest unterschreibt man nichts, bevor es nicht gerichtlich abgeschlossen ist, das möchte ich mal ganz deutlich sagen.
Zagatta: Herr Frieser, das war nicht der Grünen-Parteitag, das war der CSU-Parteitag, Sie waren ja dabei.
Frieser: Ich war da, ich habe das miterlebt.
"Vielzahl von Unterlagen zur Verfügung gestellt"
Zagatta: Wie groß ist denn der Unmut, den können Sie doch nicht runterspielen.
Frieser: Nein, ich verstehe das doch, dass die Menschen sagen, an dieser Stelle ist es ein schwieriges Thema, das man versucht durchzusetzen, wie nähert man sich dem? Jetzt darf man also auch mal in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht sagen, wenn wir überall in der Politik jeweils bis auf die restlose Klärung der Justiz und der Judikative warten, dann brauchen Sie politisch nicht mehr tätig werden.
Zagatta: Aber Sie bauen doch kein Haus ohne Baugenehmigung?
Frieser: Die Genehmigung haben wir doch, das ist ja genau der Unterschied. Also, um Ihr Beispiel aufzugreifen, die Genehmigung für diese Maut war ja eben gerade da, nur die entscheidende Frage, der hinterher achtjährige Gutachterstreit über die Frage, ob das Haus jetzt richtig gebaut ist oder nicht, der findet tatsächlich jetzt statt. Ja, man kann selbstverständlich immer sagen, bevor nicht alles geklärt ist, geben wir keinen Cent aus. Wenn man die Maut nicht will – und so schaut es ja im Augenblick aus, alle, die die Maut nicht wollten, wollten natürlich auf diesem Wege genau hier in irgendeiner Art und Weise ein Unrechtsbewusstsein schaffen. Aber das funktioniert insofern nicht, ich sage, ein Untersuchungsausschuss ist dafür da, Fehlverhalten aufzudecken. Und dieses Fehlverhalten kann ich im Augenblick überhaupt nirgendwo erkennen, gerade durch diese Vielzahl der zur Verfügung gestellten Unterlagen.
"Das stinkt nicht zum Himmel"
Zagatta: Ja, da hat die Opposition ja große Zweifel, die sagt ja, dass es da fünf Gespräche gegeben habe, über die die Ministeriumsspitze erst mal nicht informiert habe, erst auf Nachfrage. Und dann hat man noch eingeräumt, schriftliche Unterlagen gibt es da nicht, das wurde nicht protokolliert. Das stinkt doch – nicht nur aus Sicht der Opposition – zum Himmel oder?
Frieser: Herr Zagatta, nein, das stinkt nicht zum Himmel. Was glauben Sie eigentlich, wie viele Gespräche in den Ministerien, zwischen den Ministerien, aber eben auch mit Dritten geführt werden, wo es hinterher selbstverständlich kein Protokoll gibt – wie überall auf der Welt, wie bei jeder..
Zagatta: Herr Frieser, ja …
Frieser: … deshalb jetzt an der Stelle zu sagen, das stinkt zum Himmel, finde ich einfach verkehrt.
Zagatta: Das war eine Frage!
Frieser: Nein, wir müssen uns das einfach tatsächlich anschauen, gab es denn verändertes Verhalten nach und vor solchen Gesprächen, das ist doch das eigentlich Interessante. Hat sich da tatsächlich etwas verändert im Vertragsverhältnis zwischen den Vertragspartnern?
"Es geht nicht mehr um den Inhalt"
Zagatta: Das ist die zweite Frage für mich, Herr Frieser, ich frage mich, warum da nicht protokolliert wird. Darf ich mal aus einer Hörermail vorlesen, die an mich geschrieben wurde. Da schreibt mir ein Hörer: In der Verwaltung, in der ich – also der Hörer – gearbeitet habe, ging es um Bruchteile solcher Summen und es wurde jede Besprechung, auch mit dem Ministerium, protokolliert. Wenn Scheuers Vorgehen kein Skandal ist, was, bitte schön, ist denn dann noch ein Skandal? Das schreibt er.
Frieser: Das glaube ich Ihnen. Ich weiß nicht, wer das an dieser Stelle schreibt und vorträgt, aber ich kann nur sagen, jede Form von Unterhaltung oder von Gespräch an dieser Stelle halte ich tatsächlich für den Versuch, insgesamt irgendwo im Nebel zu stochern, um dann zu schauen, da wird schon was dabei rausfallen. Nein, es geht mir darum zu sagen, gab es denn wirklich Fehlentscheidungen, haben diese Fehlentscheidungen tatsächlich auch zu Fehlverhalten in den Verträgen geführt und sind daraus Schäden entstanden? Dem deutschen Steuerzahler sind schon Schäden entstanden, aber hier geht es in dieser Frage – das darf ich auch mal sagen – leider Gottes überhaupt nicht mehr um den Inhalt. Es geht überhaupt nicht mehr um die Frage der Maut und wie das ausschaut. Hier wird es um die Frage Vergaberecht gehen, europäisches Vergaberecht, hier wird es um die Frage Haushaltsrecht gehen, haushaltsrechtliche Genehmigungen und so weiter. Das wird ein hochinteressanter Untersuchungsausschuss, keine Frage, aber mit der Frage der Maut im Zentrum wird es wahrscheinlich eher weniger zu tun haben.
Zagatta: Ja. Eine Frage dann auch noch: Unsere Nachbarländer schaffen das ja ohne Probleme, so eine Maut auf den Weg zu bringen. Die Franzosen schaffen das, die Österreicher bei Ihnen vor der Haustür auch, wieso schafft die CSU das nicht, die ja schon ewig lang den Verkehrsminister stellt?
Frieser: Na ja, dafür gibt es tatsächlich politisch in diesem Land keine Mehrheit. Die um uns herum liegenden Länder tun das in erster Linie durch Privatisierung ihrer Infrastruktur, an den Autobahnen und Straßen, an denen da Maut entsteht, ist tatsächlich der Staat dann, wenn überhaupt, nur zu Teilen beteiligt. Und das war etwas, was die Deutschen tatsächlich nie hatten haben wollen, obwohl man sich ja nun wirklich mal in Zeiten des Klimahypes fragen muss, die einzig wirklich nutzerorientierte Abgabe wäre tatsächlich eine solche Maut. Wer mit seinem Auto über eine Infrastruktur fährt, der müsste auch dafür tatsächlich zahlen. Das ist etwas, was eigentlich genau in den Zeitgeist passt, aber der Vergleich mit den anderen Ländern zeigt uns halt, dass wir hier ein Stück hinterherhinken, weil wir nach wie vor darauf bestehen, dass diese Infrastruktur beim Staat bleibt.
"Jedes politisches Verhalten kann auch Schaden verursachen"
Zagatta: Herr Frieser, wenn ich einen Millionenschaden anrichten würde, geschweige denn einen Schaden von 500 Millionen, ich könnte nicht mehr ruhig schlafen. Ich würde wahrscheinlich Konsequenzen ziehen oder meine Chefin würde das dann schon machen. Von solchen Zweifeln ist die CSU nicht geplagt?
Frieser: Ich glaube tatsächlich auch, dass Sie selbst in ihrer verantwortungsvollen Stellung als Redakteur, Journalist und im Hörfunk selbstverständlich auch Schaden anrichten können, ich halte allerdings diese groben Schätzungen von 500 Millionen – das ist genau so etwas, schmeiß mal einen Stein ins Wasser, dann wird sich schon irgendjemand dranhängen. Letztendlich geht es natürlich um die Frage: Jedes politisches Verhalten kann am Ende des Tages auch Schaden verursachen – übrigens überall. Ich will das alte Sprichwort vom Hobel und Spänen gar nicht benutzen, aber am Ende des Tages geht es doch immer um die entscheidende Frage, wer muss es verantworten und liegt dem ein Fehlverhalten zugrunde. Und genau darum, wenn es um überhaupt irgendetwas geht, dann mal in der Ruhe, ohne Skandalisierung, ohne ständig wirklich mit Zahlen um sich zu schmeißen, die im Augenblick eine reine diffuse Schätzung sind, sich mit der Frage und den Inhalten zu beschäftigen.
Zagatta: 100 Millionen wären ja auch schon schlimm.
Frieser: Ja, alles ist schlimm, um Gottes willen, da geht es gar nicht um die vielen Nullen, die klingen natürlich besser und aufsehenerregend. Wenn es Fehlverhalten gab, dann reicht sehr viel weniger, aber das ist genau eben aufzuklären. Und ich glaube, dass wir am Ende des Tages finden werden, dass dieser Untersuchungsausschuss uns bei dieser Frage nicht hilft, hättet ihr mal den Verkehrsausschuss arbeiten lassen, der wäre da vielleicht früher zu einem Ergebnis gekommen.
Zagatta: Sind wir mal gespannt. Danke schön für dieses Gespräch!
Frieser: Danke Ihnen!
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