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Plädoyer für strengere Grenzwerte

Umwelt. - Feinstaub ist unsichtbar für das menschliche Auge, dringt tief in die Lunge vor und gilt deshalb als gesundheitsschädlich. Eine neue Studie belegt, dass eine noch stärkere Eindämmung der winzigen Partikel einen wesentlich größeren gesundheitlichen Nutzen haben könnte.

Von Volker Mrasek |
    Den gröberen Feinstaub hat Brüssel bereits geregelt. Mit Grenzwerten in der Außenluft, die nicht zu oft im Jahr überschritten werden dürfen. Das hat uns die Umweltzonen in vielen Großstädten beschert, von denen die ersten bereits eingerichtet sind. Doch längst hat die EU-Kommission noch winzigere Partikel im Visier. Mit einem Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer und nicht bloß zehn. Dieser Feinstaub stammt vor allem aus Verbrennungsprozessen.

    "Die Kommission hat einen Vorschlag gemacht und das europäische Parlament kürzlich in 2. Lesung darüber beraten. Noch ist nichts entschieden. Aber es zeichnen sich künftige Höchstwerte ab. Nach dem Vorschlag der Kommission muss ab dem Jahr 2015 überall in Europa ein Grenzwert von 25 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft eingehalten werden. Und ab 2020 dann 20 Mikrogramm."

    Michal Krzyzanowski vom Europäischen Zentrum für Umwelt und Gesundheit der WHO, der Weltgesundheitsorganisation. Das, was Brüssel vorschlägt, bleibt hinter den Empfehlungen der WHO zurück. Sie wünscht sich eine noch stärkere Reduktion der Feinstaub-Belastung:

    "Wir wissen aus weltweiten Studien, dass sich die Sterblichkeitsraten in Abhängigkeit von der Luftverschmutzung unterscheiden. Bei einer höheren Feinstaubbelastung steigt auch das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen, Atemwegsbeschwerden und zum Teil auch für Lungenkrebs. Nach den WHO-Richtlinien sollte der Feinstaub-Grenzwert deshalb allenfalls zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft betragen."

    In einem Netzwerk, das den ganzen Kontinent umspannt, sammelten Forscher in den letzten Jahren Daten aus 26 europäischen Großstädten. Über Feinstaub-Konzentrationen und Sterblichkeitsraten. Dabei zeigte sich: Metropolen wie Athen, Rom und Krakau liegen derzeit im Jahresmittel über 30 Mikrogramm Feinstaub; London und Dublin dagegen halten die WHO-Kriterien schon heute ein. Und das kommt den Bewohnern zugute. Pat Goodman, Umweltphysiker von der Technischen Universität Dublin und einer der beteiligten Forscher:

    "Gestützt auf die ganzen Studiendaten konnten wir untersuchen, welchen Vorteil es hätte, wenn die EU der WHO-Richtlinie folgte. Und man kann sagen: Man sollte die Feinstaub-Belastung so stark wie möglich vermindern. Um so mehr steigt die Lebensqualität der Bevölkerung."

    Goodman und seine Kollegen liefern konkrete Daten hierzu. Demnach würde die Zahl vorzeitiger Todesfälle durch Feinstaub um insgesamt 4.400 sinken, wenn alle 26 Großstädte aus der Studie den von Brüssel vorgeschlagenen, höheren Grenzwert einhielten. Bei zehn Mikrogramm, dem WHO-Ziel, wären es aber über 22.000 Todesfälle pro Jahr weniger, so die Forscher. Und damit fünfmal so viel. Die neuen Studienergebnisse sind Wasser auf die Mühlen der Weltgesundheitsorganisation. Doch WHO-Europa-Experte Krzyzanowski behält seinen Blick für die Realität:

    "Aus wissenschaftlicher Sicht sind wir nicht glücklich darüber, dass der EU-Vorschlag zu keiner so gravierenden Verbesserung führt. Aber Kommission und Parlament wollen das Feinstaub-Risiko auf jeden Fall reduzieren. Das ist positiv."

    Manche Großstadt hat es mit der Luftreinhaltung dabei leichter als andere. London zum Beispiel schneidet nicht nur deshalb so gut ab, weil der Autoverkehr durch die teure City-Maut zurückging. Und Dublin auch nicht nur, weil Staubemissionen aus Hausheizungen drastisch reduziert wurden. Pat Goodman kennt noch einen anderen Grund:

    "Es regnet viel und es ist oft windig in Dublin und London. Das hält die Luftverschmutzung in Grenzen. In Rom zum Beispiel ist das ganz anders. Da lösen sich Schadstoffe nicht so schnell in Luft auf."

    Auch deshalb ist der EU-Vorschlag vielleicht nicht so ambitioniert: Künftige Feinstaub-Grenzwerte sollen ja von allen Städten in Europa eingehalten werden können.