Das Dublin-System, das bisher die Aufnahme von Flüchtlingen in der Europäischen Union regelt, funktioniert nicht mehr. Deswegen will die EU-Kommission das System reformieren. EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans machte klar, dass ein neues System nur funktionieren könne, wenn sich alle solidarisch verhielten. "Wenn es hier keine Solidarität gibt, dann wird es auch nirgendwo anders Solidarität geben, und das wäre ein schwerer Schlag für das Europäische Projekt", so Timmermans.
Grundsätzlich bleibt die Idee des Dublin-Systems auch in der neuen Form erhalten: Zuständig für Flüchtlinge sind erst einmal jene Mitgliedsländer, in denen die Menschen zuerst europäischen Boden betreten. Kommen aber besonders viele Flüchtlinge in einem Land an, wie es in der Vergangenheit zum Beispiel in Griechenland oder Italien der Fall war, greift ein sogenannter "Fairness-Mechanismus". Für jedes Land wird ein zumutbarer Richtwert für die Zahl von Asylanträgen bestimmt, der sich an der Bevölkerungszahl, der Wirtschaftsleistung und den bereits aufgenommenen Flüchtlingen orientieren soll. Wird dieser Wert überschritten, werden alle danach registrierten Bewerber in andere europäische Länder umverteilt. Vor allem hier pocht die EU-Kommission auf Solidarität der Mitgliedsländer.
Ausgleichszahlungen für Aufnahme-Verweigerer
Bisher weigern sich einige Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen. Sie will die EU-Kommission künftig mit einer Ausgleichszahlung zur Solidarität verpflichten. Pro abgelehntem Asylbewerber sollen 250.000 Euro fällig werden, die an das Land gehen, das sich stattdessen um den Migranten kümmert.
Ungarn ist eines der Länder, die die Aufnahme von Flüchtlingen verweigern. Außenminister Peter Szijarto nannte die Pläne der EU-Kommission "Erpressung", "unzumutbar" und "uneuropäisch". Auch aus Polen, Tschechien und der Slowakei kam Kritik an den Vorschlägen. Ungarn und Slowenien gehen bereits gerichtlich gegen eine andere Regelung zur Flüchtlingsverteilung in der EU vor. Sie sehen ihre Souveränität durch die Umverteilung verletzt.
Bundesregierung reagiert verhalten
EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn verteidigte die Pläne, Schutzsuchende gerechter in Europa verteilen. "Niemand ist froh über die Quoten, aber sie sind notwendig, um die Lasten besser zu verteilen", sagte der Österreicher.
Ob die Pläne in dieser Form umgesetzt werden, bleibt fraglich. Die Bundesregierung hält sich bedeckt. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte nur, die Vorschläge wiesen insgesamt in die richtige Richtung. Man werde sie nun im Detail sorgfältig prüfen. Er ließ aber offen, ob die Regierung etwa den vorgeschlagenen Sanktionsmechanismus mitträgt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich in der Vergangenheit immer für eine faire Lastenverteilung in der EU ausgesprochen.
Grenzkontrollen sollen bleiben
Zusätzlich zu den Maßnahmen im Asylrecht hat die EU-Kommission außerdem eine Verlängerung der Grenzkontrollen im Schengen-Raum vorgeschlagen. Es sollte Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen erlaubt werden, sechs weitere Monate lang an ihren Grenzen Ausweise zu kontrollieren, erklärte die Kommission. Grund sei, dass die Außengrenze zur Türkei nach wie vor nicht ausreichend geschützt sei.
Die fünf Schengen-Staaten hatten vergangenes Jahr im Zuge der Flüchtlingskrise wieder Grenzkontrollen eingeführt. In Deutschland läuft die bestehende Regelung aber kommende Woche aus.
(pr/kis)