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Pläne für Arzneitests an Demenzkranken
Politiker und Kirchen warnen vor Risiken

Die Pläne für Arzneimittelstudien an Demenzkranken sind im März bereits durchs Kabinett gegangen. Doch vor der Abstimmung im Bundestag wächst nun der Widerstand gegen das Gesetzesvorhaben - auch in den Reihen der Koalition. Befürchtet wird ein Missbrauch der neuen Regelung.

    Zwei Pflegerinnen stützen in Heilbronn in einem Pflegeheim einen Bewohner.
    Kritik an Regierungsplänen für Arzneitests an Demenzkranken (picture alliance / dpa / Uwe Ansprach)
    Die kirchenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Kerstin Griese, forderte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe auf, seine Pläne noch einmal zu überdenken. Nach den Erfahrungen mit Euthanasie und dem Missbrauch behinderter Menschen im Nationalsozialismus müsse man "äußerst sensibel mit solchen Themen umgehen", sagte Griese dem Berliner "Tagesspiegel".
    Auch die Opposition äußerte Kritik. Die Grünen-Fraktionsvize Katja Dörner erklärte, die Pläne seien "ethisch höchst bedenklich". Es sei nicht akzeptabel, dass Menschen an Studien teilnähmen, die nicht in der Lage seien, Risiko und Nutzen zu beurteilen, sagte sie der Zeitung. Die Linken-Politikerin Kathrin Vogler bezeichnete das Vorhaben als "Armutszeugnis" für die Regierung.
    Die Pläne für die Studien sind im "Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften" enthalten, der im März bereits im Kabinett beschlossen wurde. Der Bundestag soll nach jetzigem Stand im Juni darüber abstimmen.
    Ein Arzt hält Tabletten in der Hand.
    Bisher sind Studien nur erlaubt, wenn die Teilnehmer einen Nutzen davon haben. (imago/STPP)
    Schon jetzt sind solche Medikamentenstudien zulässig - aber nur, wenn sie dem Patienten direkt nutzen. Nach den Plänen Gröhes sollen sie künftig auch dann erlaubt sein, wenn die Probanden selbst keinen Nutzen davon haben.
    Eine Sprecherin des Gesundheitsministerium erklärte, Voraussetzung für die Teilnahme an den vorgesehenen Studien solle eine Patientenverfügung sein, die der Demenzkranke noch in gesundem Zustand unterzeichnet haben müsse. Tritt dann der konkrete Fall ein, soll ein Betreuer über die Teilnahme entscheiden.
    Kirchen befürchten Verstoß gegen die Menschenwürde
    Die Kirchen sehen darin keinen ausreichenden Schutz. In einer gemeinsamen Stellungnahme warnten sie vor "schwerwiegenden Missbrauchsrisiken" und einem Verstoß gegen die Menschenwürde. Sie appellierten an Gröhe, solche Gruppen von den klinischen Prüfungen auszuschließen, die ihre Einwilligung dazu nicht persönlich geben könnten. Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, der dem Deutschen Ethikrat angehört, sagte, er hoffe, dass die Einwände gehört werden. Er glaube, dass "bei der Güterabwägung zwischen der Zweckmäßigkeit der Studien und dem Recht der Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit das Recht der Personen, die nicht einwilligen können, höher einzustufen" sei.
    Der CDU-Politiker Stephan Albani und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach verteidigten dagegen die Pläne. Er sehe "kein großes Missbrauchsrisiko", betonte Albani. Man habe "auch eine Verantwortung vor den kommenden Generationen". Lauterbach erklärte: "Wenn es keine Forschung an Demenzkranken gäbe, gäbe es auch keine Behandlungsmöglichkeit."
    Entwurf des Vierten Gesetzes zur Änderung
    arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften
    Mit der Novelle sollen die deutschen Regelungen an EU-Recht angepasst werden. Es geht um die Genehmigung, Durchführung und Überwachung der klinischen Studien. Bisher waren nur Medikamententests erlaubt, wenn die nicht einwilligungsfähigen Patienten von Medikamententests persönlich einen Nutzen erwarten können. Künftig sollen auch Versuche an Patienten mit schwerer Demenz möglich sein, wenn dies der Forschung dient, sie aber selbst keinen Nutzen davon haben. Voraussetzung ist, dass sie das in einer noch im gesunden Zustand verfassten Patientenverfügung ausdrücklich gestattet haben und der gesetzliche Betreuer einwilligt. Weiter ausgeschlossen von diesen gruppennützigen klinischen Prüfungen sollen aber Menschen mit Behinderungen sein.
    (kis/tj)