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Pläne von Ministerin Nahles
VdK bedauert Widerstand gegen Rentenreform

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, hat kein Verständnis für die Ablehnung der von Sozialministerin Andrea Nahles geplanten Rentenreform. Im DLF sagte sie, vor allem Frauen lebten im Alter oft am Rande des Grundsicherungsniveaus. Dabei seien Verbesserungen möglich: "Wir leben in einem reichen Land!"

Ulrike Mascher im Gespräch mit Reinhard Biek | 25.11.2016
    Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, aufgenommen am 05.09.2012 während der ARD-Talksendung "Anne Will" zum Thema: "Ackern im Alter - wenn die Rente nicht reicht" in den Studios Berlin-Adlershof.
    Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland (dpa/picture alliance/Karlheinz Schindler)
    Mascher kritisierte, dass es für Geringverdiener kaum eine Möglichkeit gebe, ihre Rente aufzubessern. Denn zusätzliche Altersvorsorge könnten sich nur diejenigen leisten, die ohnehin schon ordentlich verdienten.
    Die Präsidentin des Sozialverbands VdK begrüßte, dass die Zurechnungszeiten für Bezieher von Erwerbsminderungsrenten verbessert werden sollen. "Das ist vom Prinzip her prima", erklärte die Präsidentin des Sozialverbands VdK. Die Anrechnung erfolge aber nur in Trippelschritten. "Es wäre besser, wenn es in einem Schritt passieren würde."

    Das Interview in voller Länge:
    Martin Zagatta: Ja, da legt Andrea Nahles ein Rentenkonzept vor, das nach den Worten der Ministerin ausschließlich Verbesserungen vorsieht, und scheitert, zumindest teilweise, am Widerstand der CDU. Sind Sie sauer auf die Union?
    Ulrike Mascher: Ich bedauere, dass hier nicht die Verbesserungen, die möglich sind und die dringend notwendig sind. Es geht ja nicht um eine abstrakte Diskussion, wir wollen, dass es allen Leuten besser geht, sondern es gibt bestimmte Gruppen, die Erwerbsminderungsrentner oder zum Beispiel die alten Frauen, die viele Jahre ausgesetzt haben mit der Erwerbstätigkeit zugunsten ihrer Familie, denen geht es einfach nicht gut, die haben Renten unterhalb des Grundsicherungsniveaus oder nur knapp drüber, und da muss dringend was passieren.
    Wir leben in einem reichen Land, und da ist es auch finanziell möglich, und ich bedauere, dass da die große Koalition sich da nicht hat verständigen können.
    Zagatta: Die Bundesregierung hat versprochen, etwas für Leute, die sehr wenig Rente zu erwarten haben, zu tun, also zum Beispiel Solo-Selbstständige und Empfänger von Erwerbsminderungsrente. Jetzt hat die Koalition beschlossen, die Zurechnungszeiten ab 2018 schrittweise anzuheben, das kritisiert der VdK, aber bevor Sie Ihre Kritik, Frau Mascher, formulieren, erklären Sie uns doch mal kurz, worum es dabei geht.
    Mascher: Also es ist so, dass Sie heute, wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr können. Und das ist jetzt nicht so, dass Sie das erklären, sondern das muss durch Atteste belegt werden, das ist meistens eine harte Auseinandersetzung mit der Rentenversicherung, bis man eine solche Erwerbsminderungsrente zugesprochen bekommt.
    Die wird in aller Regel so ab 50 fällig, 50, 55, und dann müssen Sie Abschläge in Kauf nehmen von 10,8 Prozent, und Sie haben in aller Regel in den letzten Jahren auch meistens noch Zeiten der Arbeitslosigkeit oder niedrige Verdienste, sodass Sie mit Ihrer Erwerbsminderungsrente unterhalb der Grundsicherung liegen.
    "Die Erwerbsminderungsrentner können nicht mehr, die können sich nicht freiwillig entscheiden"
    Zagatta: Ja, aber warum 10,8 Prozent Abschläge?
    Mascher: Ja, weil man sagt, wenn Sie in Altersrente vorzeitig gehen, müssen Sie ja auch Abschläge in Kauf nehmen, aber da entscheiden Sie sich dafür: Ich gehe vorzeitig in Rente, weil ich das ausgleichen kann mit anderen, weil ich noch irgendetwas im Leben unternehmen will.
    Die Erwerbsminderungsrentner können nicht mehr, die können sich nicht freiwillig entscheiden, aber es wird so getan, als sei das eine Entscheidung, die freiwillig ist, und dann muss man eben Abschläge in Kauf nehmen.
    Zagatta: Ja, aber jetzt soll ja was dagegen getan werden. Was spricht denn gegen die Anhebung ab 2018?
    Mascher: Das sind jetzt nicht die Abschläge, die wegfallen, sondern es werden die sogenannten Zurechnungszeiten verbessert, es wird das, was Sie durchschnittlich an Beiträgen gezahlt haben, obwohl Sie schon mit 55 zum Beispiel aus dem Erwerbsleben ausscheiden, wird jetzt bis zum Alter 62 hochgerechnet, und das soll jetzt noch mal drei Jahre verlängert werden.
    Das ist vom Prinzip her prima, aber die erste Verlängerung, die es 2013 gegeben hat, die ist in einem Schritt passiert, und dann hat man 40, 42 Euro mehr bekommen, also auf einen Schlag. Jetzt soll es schrittweise gehen, also so in Trippelschritten kriegen Sie dann eben 10 Euro, 10 Euro, 10 Euro mehr. Das ist auch mehr Geld, aber es wäre besser, wenn es in einem Schritt passieren würde.
    "Die Zahl der Menschen, die an der Grundsicherungsgrenze leben, die nimmt ständig zu"
    Zagatta: Das Wort Altersarmut ist in aller Munde. Tut die Bundesregierung genug, um die Gefahr eines Lebensabends in Armut abzuwenden?
    Mascher: Also das angekündigte Arbeitsmarktprogramm, das wäre sicher eine gute Sache, wenn es tatsächlich wirkt und wenn es tatsächlich realisiert wird. Im Moment ist es einfach so, dass die Zahl der Menschen, die an der Grundsicherungsgrenze knapp drüber oder drunter leben, die nimmt ständig zu.
    Und insofern ist es für viele durchaus bedrohlich, weil sie sagen, oh, kann ich im Alter noch von meiner Rente leben, wenn ich auch wenig verdient habe und deswegen keine zusätzliche Altersvorsorge habe machen können. Also diese zusätzliche Altersvorsorge, das machen diejenigen, die ordentlich verdienen, die dann auch ordentliche Renten haben, und diejenigen, die schlecht verdienen, können es sich nicht leisten und haben dann auch miserable Renten.
    Zagatta: Ja, es kommt aber ja noch ein anderer Effekt hinzu: Die, die eine ordentliche Rente beziehen und privat vorgesorgt haben, bei denen kommt diese private Vorsorge einfach obendrauf, wohingegen wenn jemand Grundsicherung bezieht und hat vorher private Altersvorsorge betrieben, dann wird ihm das von der Grundsicherung abgezogen.
    Mascher: Ja, da haben Sie völlig recht, das soll ja jetzt auch geändert werden. Wenn Sie zusätzliche Altersvorsorge gemacht haben, wenn Sie eine betriebliche Altersvorsorge obendrauf haben, dann sollen Sie bis zu 200 Euro behalten können, aber wenn Sie nur in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlt haben, dann haben Sie nichts.
    Wir erleben in unserer Beratung viele alte Frauen, die sparen, sparen, sparen und immer noch versuchen, irgendwie doch noch über die Runden zu kommen oder noch einen kleinen Putzjob anzunehmen, um das noch zu schaffen. Und für die wäre das eine große Hilfe, wenn das dritte Jahr Mütterrente jetzt auch noch kommen würde, wenn sie denn es auch tatsächlich bekommen, obwohl sie möglicherweise schon Grundsicherung beantragt haben.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.