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Plagiate an deutschen Universitäten
"Man kann die Verantwortung nicht an Software abgeben"

Deutsche Universitäten tun sich nach wie vor schwer damit, Fälschungen in Forschungsarbeiten konsequent aufzudecken und zu ahnden, meint Debora Weber-Wulff, die für die Plattform "VroniPlag" nach Plagiaten sucht. Es sei ein Irrglaube, dass Computer-Software diese Arbeit übernehmen könne, sagte sie im Dlf.

Debora Weber-Wulff im Gespräch mit Stephanie Gebert |
    Das Wort "Plagiat" ist in einem Wörterbuch markiert.
    Das Problem mit den Plagiaten sei "schon seit Guttenberg etwas besser geworden, weil man wenigstens über dieses Problem spricht", meint die Medieninformatikerin Debora Weber-Wulff (picture alliance / dpa)
    Stephanie Gebert: Ein Blick zurück auf den 9. Februar 2013. Bildungsministerin Annette Schavan von Der CDU tritt vor die Kameras.
    Annette Schavan: Ich habe in meiner Dissertation weder abgeschrieben noch getäuscht. Die Vorwürfe, das habe ich in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach gesagt, treffen mich tief. Wenn ein Forschungsministerin gegen eine Universität klagt, dann ist das mit Belastungen verbunden – für mein Amt, für das Ministerium, die Bundesregierung und auch die CDU. Und genau das möchte ich vermeiden. Das geht nicht, das Amt darf nicht beschädigt werden.
    Gebert: Soweit Annette Schavan. Damit war der Rücktritt der Bildungsministerin besiegelt. Betreiber der Webseite VroniPlag Wiki hatten eine Liste mit Plagiaten in der Doktorarbeit von Schavan nachgewiesen. Die Universität Düsseldorf entzog ihr den Titel. Fünf Jahre ist das jetzt her. Und wir wollen wissen: Was hat sich denn seit dem an den Universitäten getan, um das Abkupfern in wissenschaftlichen aufzudecken und zu ahnden. Darüber spreche ich mit Debora Weber-Wulff. Sie ist Professorin für Medieninformatik und arbeitet bei VroniPlag Wiki.
    Debora Weber-Wulff: Guten Tag!
    Gebert: Fünf Jahre sind also seit dem Rücktritt von Bildungsministerin Schavan vergangen. Der Fall hatte die Universitäten in den Fokus gerückt und ihren Umgang mit Ehrlichkeit im wissenschaftlichen Arbeiten. Sie sagen jetzt, dieser öffentliche Druck von damals, der hat kaum etwas bewirkt, soll heißen: Es wird zu wenig getan, um Ideenklau in Doktorarbeiten zu stoppen?
    Weber-Wulff: Da muss man vielleicht ein bisschen weiter zurückgehen. Es ist schon seit Guttenberg etwas besser geworden, weil man wenigstens über dieses Problem spricht. Ich habe bereits 2002, 2003 angefangen, über das Problem Plagiate zu diskutieren, was damals schon virulent war, und es wurde also weggelacht: Ach, wir haben da kein Problem. Seit Guttenberg, seit 2011, wird wenigstens darüber diskutiert, aber leider lassen wir uns nicht inspirieren von vielen Aktivitäten und Möglichkeiten, die andere Länder vorleben, wie man gute wissenschaftliche Praxis lehren kann, mit Leben erfüllen kann, sondern es wird einfach weiter so gemacht, und irgendwie, ach, wir stellen jemanden ab, der nennt sich Ombud, der kriegt zwar keine Ressourcen, aber gut, der soll zugucken, wie er zurechtkommt. Das heißt, es wird wirklich nicht mit Herz und Seele dieses Problem angegangen, und leider suchen sehr viele ihren Halt in irgendwelchen digitalen Lösungen.
    Gebert: Das heißt, Sie halten nichts von den Plagiatsscannern, die ja durchaus auch in Großbritannien oder den USA viel eingesetzt werden?
    "Nur der Mensch kann entscheiden, ob etwas ein Plagiat ist"
    Weber-Wulff: Ich halte nicht viel von dieser Software. Ich teste schon seit über zehn Jahren diese Software. Es gibt sowohl Falschpositive, das heißt, es meldet ein Plagiat, wo gar keins ist, als auch Falschnegative, dass sie Plagiate gar nicht finden. Es ist sein sehr komplexes Problem, und deswegen kann eigentlich nur der Mensch da entscheiden, ob etwas ein Plagiat ist oder nicht. Man kann die Verantwortung für diese Bestimmung nicht an Software abgeben.
    Gebert: Das würde heißen, wenn ich Sie richtig verstehe, es braucht Personal an den Universitäten, das natürlich dementsprechend geschult ist und Zeit hat, die einzelnen Arbeiten auch durchzusehen. Ist es das, was Sie verlangen, was Sie fordern von den Hochschulen?
    Weber-Wulff: Ich habe nichts zu fordern, ich bin Forscherin, aber wenn die Hochschulen tatsächlich damit klarkommen wollen mit diesem Problem, müssen sie in der Tat aufstocken und vor allem wirklich aktiv werden. Es kann nicht sein, wie mal passiert ist, dass die Ombudsperson von einer Hochschule bei VroniPlag Wiki nachfragt, ob es möglich ist, dass VroniPlag Wiki einen Fall für ihn dokumentieren kann, weil er nur ehrenamtlich tätig ist, und er hat gar keine Mitarbeiter.
    Gebert: Das heißt, Universitäten haben kein Personal, auf das sie zurückgreifen können. Sind sie nicht vernünftig ausgestattet oder wollen sie nicht, was ist Ihr Eindruck?
    "Das ist irgendwie so eine Art Symbolpolitik"
    Weber-Wulff: Das weiß ich nicht. Man weiß nicht, ob es nur ein fehlender Willen ist oder einfach, dass man gerne etwas tut, wie viel Geld in eine sogenannte Softwarelösung zu investieren, damit der Anschein erweckt wird, dass man tätig ist. Das ist irgendwie so eine Art Symbolpolitik, aber so wirklich dieses von oben nach unten: Ja, gute wissenschaftliche Praxis ist für uns wichtig, und wenn es wissenschaftliches Fehlverhalten gibt, dann setzt es Konsequenzen!
    Gebert: Das dürfte ja auch durchaus im Ausland wahrgenommen werden. Wie ist Ihre Einschätzung? Schadet es dem Image deutscher Hochschulen nicht, wenn keine klare Kante gegen Plagiate gezeigt wird?
    Weber-Wulff: Auf jeden Fall, gerade im Ausland, im englischsprachigen Ausland, Australien vor allem. In England, in den USA wird sehr viel diskutiert über das Problem. Und es ist ja auch wichtig, dass darüber diskutiert wird, dass es klar wird: Wie ist unsere Hochschule? Wir tolerieren sowas nicht, und wir müssen auch kommunizieren, was ist richtig, wie macht man das, weil die Studierenden natürlich auch verunsichert sind dabei. Aber dem Ansehen im Ausland wird in der Tat geschadet dadurch, weil die Arbeiten, die Dissertationen und Habilitationen sind Veröffentlichungen. Das heißt, man kann ihnen nicht ansehen, dass zum Beispiel der Autor eventuell nur eine Rüge bekommen hat, und ein Forscher oder eine Forscherin aus dem Ausland nimmt ein Werk und sagt, ach toll, da ist was, und verlässt sich auf dieses Werk, ohne zu wissen, dass es womöglich plagiiert ist oder – das geht oft Hand in Hand – Plagiat und Daten gefälscht sind. Das kann das deutsche Ansehen im Ausland wesentlich beeinträchtigen.
    Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) steht am 09.02.2013 im Bundeskanzleramt in Berlin bei einem Pressestatement, um den Rücktritt als Bildungsministerin bekanntzugeben.
    Betreiber der Webseite VroniPlag Wiki hatten eine Liste mit Plagiaten in der Doktorarbeit von Anette Schavan nachgewiesen. (Michael Kappeler, dpa picture-alliance)
    Gebert: Also schauen wir, was passiert, wenn jemand entlarvt wird, dass er zum Beispiel für seine Doktorarbeit abgeschrieben hat. Da scheint es ja ganz unterschiedlichen Umgang von den Universitäten zu geben.
    Weber-Wulff: Ja, mein Kollege Gerhard Dannemann hat neulich gesagt, das ist eine Art Lotterie, und dem stimme ich voll zu. Also es hängt davon ab, welche Uni das ist, welche Leute da vor Ort sind, wie engagiert sie damit umgehen. Es hängt davon ab, was es denn tatsächlich für Sanktionen gibt.
    Gebert: Das heißt, es gibt eigentlich klare Regeln, die sind aber Auslegungssache?
    Weber-Wulff: Es gibt klare Regeln, die sind Auslegungssache, und vor allem, viele von den Hochschulen kennen ihre eigenen Regeln nicht. Das heißt, es gibt sogar juristische Fakultäten von Exzellenzuniversitäten, die vor Gericht baden gehen, weil sie ihre eigenen Verfahren nicht korrekt anwenden können.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.