Sandra Pfister: Für Sebastian Sattler ist es nicht überraschend, dass im großen Stil bei wissenschaftlichen Arbeiten abgeschrieben wird. Der Soziologe beschäftigt sich seit Jahren mit den Umständen, die Studierende dazu verleiten, fremde Gedanken als eigene auszugeben. Herr Sattler, Sie promovieren gerade selbst an der Universität Bielefeld, wie kommen Sie darauf, dass Studierende so viel abkupfern?
Sebastian Sattler: Ich habe damals – das war im Jahre 2004 – als Tutor in Leipzig sehr, sehr viele Hausarbeiten geprüft. Das waren insgesamt 159 Hausarbeiten, und wir haben bei jedem Fünften ein Plagiat festgestellt. Dann habe ich das noch mal in meiner Magisterarbeit untersucht und konnte die Zahlen dann relativ gut bestätigen.
Pfister: Sie sind Soziologe, das muss man wissen. Wie haben sich denn die Studierenden rausgeredet, als Sie ihnen gesagt haben, oder nachgewiesen haben, dass sie pfuschen?
Sattler: Sie haben versucht, es auf Zeitdruck zu schieben, oder haben gesagt, dass sie nicht besser gewusst haben, wie man wissenschaftlich eine Hausarbeit verfasst. Andere Studierende haben auch gesagt, dass es auch ja nicht die ganze Arbeit betrifft, sondern dass es nur einzelne Stellen sind, und dass das deswegen eventuell weniger schlimm ist.
Pfister: Was haben Sie rausgefunden, wer ist besonders gefährdet, zu plagiieren?
Sattler: Was man auf jeden Fall schon mal sagen kann, ist, dass Plagiate keine singuläre Ursache haben. Es gibt sehr, sehr viele Ursachen, und eine ist zum Beispiel, dass Studierende, die nicht in der Lage sind, wissenschaftlich zu arbeiten, deutlich eher geneigt sind, zu plagiieren. Das heißt jetzt nicht nur, dass jemand die Zitierregeln nicht richtig anwenden kann, sondern es geht viel weiter auch noch darum, dass jemand sich gar nicht wissenschaftlich wirklich ausdrücken kann, dass er nicht in der Lage ist, seine Gedanken wirklich wiederzugeben, oder dass er auch wissenschaftliche Texte gar nicht richtig verstehen oder kritisch lesen kann.
Pfister: Das heißt, das sind Leute, die eigentlich gar nicht an die Uni gehören?
Sattler: Das würde ich so nicht sagen. Man muss ja irgendwann mal anfangen, es zu lernen. Vielleicht haben sie zu Beginn des Studiums oder vielleicht auch in der Schule das nicht ausreichend gelernt. Das heißt nicht, dass jemand nicht grundsätzlich zu wissenschaftlichen Arbeiten fähig ist und die Inhalte des Studiums zu verstehen. Aber es gibt, wie gesagt, noch viel, viel mehr Gründe, zum Beispiel alle die, die auch schon mal plagiiert haben, die sind in einem deutlich höheren Maße geneigt, auch noch mal zu plagiieren. Auch solche Studenten, die in ihrem Umfeld sehr viele Plagiatoren haben, die sind auch geneigt, zu plagiieren. Plagiate, kann man also sagen, sind sogar ansteckend.
Pfister: Einfach, weil die Studierenden merken, dass andere damit durchkommen?
Sattler: Das kann verschiedene Ursachen haben: Erstens das, zweitens auch, dass sie vielleicht das dann als weniger unmoralisch bewerten, teilweise bekommen sie da auch sogar Tipps von ihren Kommilitonen, dass man sehr gut damit durchkommt, oder wie man vielleicht ein Plagiat auch geschickt anfertigen kann.
Pfister: Daraus müsste man folgern, dass das Plagiieren noch mehr geächtet werden müsste an den Universitäten. Aber im Grunde genommen sind die Spielregeln doch klar, oder?
Sattler: Die Spielregeln sind relativ klar – objektiv. Das heißt nicht, dass jeder Student das auch subjektiv so verarbeitet. Zum Beispiel sehen Studierende häufig Plagiate gar nicht als verwerflich an. Das ist auch ein wichtiger Grund, der den Studierenden aber davor schützen kann, Plagiate anzufertigen. Jemand, der eine moralische Grundüberzeugung hat, dass Plagiate verwerflich sind, der ist auch deutlich weniger bereit, zu plagiieren.
Pfister: Das heißt, es ist nicht einfach mit Seminaren zum richtigen wissenschaftlichen Arbeiten getan, die ja heute flächendeckend angeboten werden, sondern es ist eine Frage der Moral!
Sattler: Es geht nicht nur darum, das Handwerk zu erlernen. Man muss auch den Sinn des Handwerks verstehen. Und das ist natürlich Aufgabe von Professoren oder Wissenschaftlern, den Studierenden das beizubringen, warum ein Plagiat denn die wissenschaftlichen Grundprinzipien verletzt.
Pfister: Okay, Sie spielen den Ball gerade wieder zurück an die Dozenten. Mal anders herum gefragt: Wie sind Studierende gestrickt, die besonders wenig abschreiben?
Sattler: Also, wie gesagt: Jemand, der eine moralische Grundüberzeugung hat, dass Plagiate verwerflich sind, der wird eher weniger plagiieren. Aber, wenn zum Beispiel Studierende die Benotung der Lehrenden als unfair wahrnehmen, dann steigert das auch ihre Bereitschaft, oder auch, wenn sie wissen, dass gar nicht viel unternommen wird gegen Plagiate, dass sie zum Beispiel kaum entdeckt werden oder kaum bestraft werden – auch das führt dazu, dass Studenten eher dazu geneigt sind. Oder auch wenn sehr viele Teilnehmer in Seminaren sind, dann befördert das auch Plagiate, weil erstens Professoren die Leistung weniger einschätzen können, zweitens auch die Studierenden weniger betreuen können und die Studierenden natürlich auch antizipieren, dass die Lehrenden bei einer Fülle von Hausarbeiten gar nicht jede einzelne intensiv auf Plagiate untersuchen können.
Sebastian Sattler: Ich habe damals – das war im Jahre 2004 – als Tutor in Leipzig sehr, sehr viele Hausarbeiten geprüft. Das waren insgesamt 159 Hausarbeiten, und wir haben bei jedem Fünften ein Plagiat festgestellt. Dann habe ich das noch mal in meiner Magisterarbeit untersucht und konnte die Zahlen dann relativ gut bestätigen.
Pfister: Sie sind Soziologe, das muss man wissen. Wie haben sich denn die Studierenden rausgeredet, als Sie ihnen gesagt haben, oder nachgewiesen haben, dass sie pfuschen?
Sattler: Sie haben versucht, es auf Zeitdruck zu schieben, oder haben gesagt, dass sie nicht besser gewusst haben, wie man wissenschaftlich eine Hausarbeit verfasst. Andere Studierende haben auch gesagt, dass es auch ja nicht die ganze Arbeit betrifft, sondern dass es nur einzelne Stellen sind, und dass das deswegen eventuell weniger schlimm ist.
Pfister: Was haben Sie rausgefunden, wer ist besonders gefährdet, zu plagiieren?
Sattler: Was man auf jeden Fall schon mal sagen kann, ist, dass Plagiate keine singuläre Ursache haben. Es gibt sehr, sehr viele Ursachen, und eine ist zum Beispiel, dass Studierende, die nicht in der Lage sind, wissenschaftlich zu arbeiten, deutlich eher geneigt sind, zu plagiieren. Das heißt jetzt nicht nur, dass jemand die Zitierregeln nicht richtig anwenden kann, sondern es geht viel weiter auch noch darum, dass jemand sich gar nicht wissenschaftlich wirklich ausdrücken kann, dass er nicht in der Lage ist, seine Gedanken wirklich wiederzugeben, oder dass er auch wissenschaftliche Texte gar nicht richtig verstehen oder kritisch lesen kann.
Pfister: Das heißt, das sind Leute, die eigentlich gar nicht an die Uni gehören?
Sattler: Das würde ich so nicht sagen. Man muss ja irgendwann mal anfangen, es zu lernen. Vielleicht haben sie zu Beginn des Studiums oder vielleicht auch in der Schule das nicht ausreichend gelernt. Das heißt nicht, dass jemand nicht grundsätzlich zu wissenschaftlichen Arbeiten fähig ist und die Inhalte des Studiums zu verstehen. Aber es gibt, wie gesagt, noch viel, viel mehr Gründe, zum Beispiel alle die, die auch schon mal plagiiert haben, die sind in einem deutlich höheren Maße geneigt, auch noch mal zu plagiieren. Auch solche Studenten, die in ihrem Umfeld sehr viele Plagiatoren haben, die sind auch geneigt, zu plagiieren. Plagiate, kann man also sagen, sind sogar ansteckend.
Pfister: Einfach, weil die Studierenden merken, dass andere damit durchkommen?
Sattler: Das kann verschiedene Ursachen haben: Erstens das, zweitens auch, dass sie vielleicht das dann als weniger unmoralisch bewerten, teilweise bekommen sie da auch sogar Tipps von ihren Kommilitonen, dass man sehr gut damit durchkommt, oder wie man vielleicht ein Plagiat auch geschickt anfertigen kann.
Pfister: Daraus müsste man folgern, dass das Plagiieren noch mehr geächtet werden müsste an den Universitäten. Aber im Grunde genommen sind die Spielregeln doch klar, oder?
Sattler: Die Spielregeln sind relativ klar – objektiv. Das heißt nicht, dass jeder Student das auch subjektiv so verarbeitet. Zum Beispiel sehen Studierende häufig Plagiate gar nicht als verwerflich an. Das ist auch ein wichtiger Grund, der den Studierenden aber davor schützen kann, Plagiate anzufertigen. Jemand, der eine moralische Grundüberzeugung hat, dass Plagiate verwerflich sind, der ist auch deutlich weniger bereit, zu plagiieren.
Pfister: Das heißt, es ist nicht einfach mit Seminaren zum richtigen wissenschaftlichen Arbeiten getan, die ja heute flächendeckend angeboten werden, sondern es ist eine Frage der Moral!
Sattler: Es geht nicht nur darum, das Handwerk zu erlernen. Man muss auch den Sinn des Handwerks verstehen. Und das ist natürlich Aufgabe von Professoren oder Wissenschaftlern, den Studierenden das beizubringen, warum ein Plagiat denn die wissenschaftlichen Grundprinzipien verletzt.
Pfister: Okay, Sie spielen den Ball gerade wieder zurück an die Dozenten. Mal anders herum gefragt: Wie sind Studierende gestrickt, die besonders wenig abschreiben?
Sattler: Also, wie gesagt: Jemand, der eine moralische Grundüberzeugung hat, dass Plagiate verwerflich sind, der wird eher weniger plagiieren. Aber, wenn zum Beispiel Studierende die Benotung der Lehrenden als unfair wahrnehmen, dann steigert das auch ihre Bereitschaft, oder auch, wenn sie wissen, dass gar nicht viel unternommen wird gegen Plagiate, dass sie zum Beispiel kaum entdeckt werden oder kaum bestraft werden – auch das führt dazu, dass Studenten eher dazu geneigt sind. Oder auch wenn sehr viele Teilnehmer in Seminaren sind, dann befördert das auch Plagiate, weil erstens Professoren die Leistung weniger einschätzen können, zweitens auch die Studierenden weniger betreuen können und die Studierenden natürlich auch antizipieren, dass die Lehrenden bei einer Fülle von Hausarbeiten gar nicht jede einzelne intensiv auf Plagiate untersuchen können.