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Plagiate vertraulich aufspüren

In der Vergangenheit sind alle großen Plagiatsfälle von Jägern im Netz aufgedeckt und angeprangert worden. Der Hochschule solle von diesen Zeit gegeben werden, Verdachtsfälle vertraulich zu prüfen, fordert Ulrike Beisiegel, Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz.

Ulrike Beisiegel im Gespräch mit Manfred Götzke |
    Manfred Götzke: Annette Schavan, die wäre heute vielleicht noch immer Ministerin, gäbe es "Schavanplag" nicht. Und auch der Gottvater der Kopie, Guttenberg, der wäre vielleicht nicht in seinem selbst gewählten Exil für Elder Statesmen in den USA ohne "Guttenplag". Die großen Plagiatsskandale der letzten Jahre, die wurden ja nicht von den Universitäten selbst aufgedeckt, sondern von Plagiatejägern im Netz, die öffentlich und schwarmintelligent gesucht haben. Die Universitäten haben zum Teil auch nur deshalb offiziell geprüft und dann die Titel aberkannt, weil der öffentliche Druck so groß war.

    Jetzt hat die Hochschulrektorenkonferenz Regeln für gute wissenschaftliche Praxis veröffentlicht. Sie empfiehlt den Universitäten die Einrichtung von Ombudsgremien, an die man sich bei Plagiatsverdacht wenden soll - und zwar vertraulich. Die Vertraulichkeit ist nicht gegeben, heißt es in den Empfehlungen, wenn sich der Hinweisgeber mit seinem Verdacht an die Öffentlichkeit wendet, zum Beispiel bei "Vroniplag".

    - Wie sich das mit der Plagiatesuche verträgt, möchte ich mit Ulrike Beisiegel besprechen, sie ist Vizepräsidentin der HRK und hat die Empfehlung mitverfasst. Frau Beisiegel, wollen sie mutmaßliche Plagiatoren schützen?

    Ulrike Beisiegel: Ich möchte sie nicht unbedingt langfristig vor der Öffentlichkeit schützen. Aber bis ein mutmaßliches Plagiat dann ein Plagiat ist, da würde ich schon den Hochschulen gerne eine Zeit geben, das zu prüfen. Und zwar auch in hoffentlich dann irgendwann Übereinstimmung mit den Plagiatsjägern, denn vielleicht sollte man sich mal zusammensetzen, um zu sehen, ob es nicht vernünftig ist, erst die Hochschulen anzusprechen und dann das Ergebnis der Prüfung öffentlich zu kommunizieren. Oder, wenn die Hochschulen nicht agieren, dann natürlich auch anzuprangern, sozusagen.

    Götzke: Jetzt sind wir schon direkt beim Thema Plagiateforen im Netz. Die funktionieren ja öffentlich. Und der Druck auf die Universitäten, zu agieren, funktioniert ja auch nur dann, wenn die Debatten dort öffentlich geführt werden.

    Beisiegel: Ich glaube, dass alle Hochschulen heute ein Interesse daran haben, Plagiate aus ihren Reihen aufzuklären und natürlich im Prinzip auch zu verhindern. Aber dann auch öffentlich zu machen, wenn es welche gibt. Aber ich denke, dass die Internetforen sozusagen nicht schon vorverurteilen müssen. Wir haben ein Ombudssystem, um Plagiate zu prüfen. Und ich glaube nicht, dass jeder Internetjäger ein Experte für Plagiate ist. Und die Vorverurteilung kann für die Betroffenen einen großen Schaden anrichten. Und ich glaube, das sollte man verhindern.

    Götzke: Dennoch sind ja seltsamerweise alle prominenten Plagiatsfälle in den vergangenen Monaten und Jahren von öffentlichen Plagiateforen im Netz aufgedeckt worden und nicht von den Hochschulen selbst. Irgendwas läuft da ja falsch.

    Beisiegel: Das würde ich nur bedingt sagen. Erstens, wenn natürlich jemand sich professionell damit beschäftigt, Plagiate aufzudecken, dann hat der mehr Kapazität als eine Hochschule, die nämlich auch noch andere Aufgaben hat, als Plagiate aufzudecken. Aber ich finde ja nicht das sozusagen kritisch, dass die das tun, sondern dass sie es im Netz tun. Wenn jemand Plagiate auch sucht, wie das dort bei den Plagiatejägern passiert, dann soll er die Hochschule, an der es passiert ist, ansprechen. Und dann eine gewisse Frist vereinbaren, in der die Universität dann ein Ja oder Nein, also eine Prüfung vornehmen kann.

    Götzke: Na ja, auch heute werden Plagiatsfälle ja erst dann bei "Vroniplag" und Co. veröffentlicht, wenn sie begründet sind, sprich, wenn auf mehr als zehn Prozent aller Seiten Plagiate gefunden wurden.

    Beisiegel: Das will ich auch nicht sagen, also, ich meine, ich habe das nicht alles recherchiert, aber ich glaube auch, dass die meisten sehr begründete Verdachtsfälle sind. Das finde ich auch gut. Ich würde nur gerne mich mit denen mal zusammensetzen und überlegen, was für ein Verfahren wir sozusagen gemeinsam entwickeln, wo die Hochschulen eine Chance haben, zu prüfen und wo die trotzdem die Hinweise von den verschiedenen Foren auch ernst genommen werden. Und dann natürlich auch, wenn es wirklich ein Plagiat ist, öffentlich gemacht werden.

    Götzke: Der Entdecker des Guttenberg-Plagiates, Andreas Fischer-Lescano, der spricht schon von einer Selbstzensur der Wissenschaft, wenn Ihre Empfehlungen Realität werden und umgesetzt werden.

    Beisiegel: Wenn Sie das deutsche Ombudssystem kennen, dann wissen Sie, dass es auch ein System der Selbstkritik oder der Selbstzensur ist, aber nur im positiven Sinne. Denn es gibt ja Systeme wie in den USA, wo die gute wissenschaftliche Praxis von außen an die Universitäten rangetragen wird. Und die DFG, also sprich das deutsche System, hat ja ganz explizit gesagt, dass wir also sozusagen ein System der Selbstkontrolle im, wieder gesagt, positiven Sinne machen. Und das ist eigentlich ein System, was gut funktionieren kann, an einigen Punkten schon funktioniert und noch nicht in allen ausgereift ist.

    Götzke: Das ist aber eine sehr euphemistische Darstellung. Also, in den vergangenen Jahren hat es ja offenbar sehr schlecht funktioniert.

    Beisiegel: Ich weiß jetzt nicht, was Sie meinen, wenn Sie sagen, schlecht funktioniert. Meinen Sie, weil Plagiate passiert sind?

    Götzke: Weil Plagiate von den Hochschulen selbst nicht aufgedeckt wurden, sondern von Plagiatejägern im Netz.

    Beisiegel: Da muss ich noch mal auf den Punkt zurückkommen, den ich eben gemacht habe: Plagiatejäger nehmen ihre gesamte Zeit, um Plagiate zu suchen. Das finde ich völlig in Ordnung und wenn sie das dann den Universitäten anzeigen. Wir müssten sonst aber jetzt in den Universitäten sozusagen erst mal Leute anstellen, die Plagiatejäger werden. Wir haben einen anderen Ansatz. Wir sagen, dass die Qualitätsverbesserung für unsere Wissenschaft, für Promotionen und für Publikationen so gut sein muss, dass wir Plagiate verhindern. Dazu stellen wir uns auf, und das geht nicht von heute auf morgen, weil wir große Einrichtungen sind, aber das ist das Ziel.

    Götzke: Nun ist es ja auch im Strafrecht, ist ja auch im Strafrecht eine Verdachtsberichterstattung durchaus legal und auch legitim, bei berechtigtem öffentlichem Interesse erlaubt. Auch dabei besteht ja die Gefahr einer Vorverurteilung. Wo liegt für Sie der Unterschied zum Plagiatsverfahren, das öffentlich geführt wird?

    Beisiegel: Also erstens ist ja die Frage, ob man das richtig findet, also ob es im strafrechtlichen Bereich so sein soll. Auf der anderen Seite ist es eben so, dass die wissenschaftsinternen Prozesse ja nicht für jeden so leicht nachvollziehbar ist, das gilt im Übrigen auch zum Beispiel für Steuerprozesse und andere Dinge. Aber es geht ja hier nicht darum, dass wir sagen, wir wollen Fehlverhalten nicht anzeigen oder nicht öffentlich machen, sondern wir sagen, wir wollen die Möglichkeit haben, Anzeigen zu prüfen.

    Götzke: Die Kritiker befürchten, dass die Verfahren dann noch länger dauern als ohnehin jetzt schon.

    Beisiegel: Man sollte schon sagen, dass man diese Prüfungen, insbesondere für Plagiate, ganz zeitnah macht. Das heißt, dass man sich einigt auf einen Zeitraum, indem man sagt, wenn bis dahin gar nichts passiert ist, dann ist es durchaus berechtigt, auch in die Öffentlichkeit zu gehen. Aber diese Zeit erst mal, zu prüfen – Wissenschaftler prüfen halt ein bisschen anders, nicht? Das Wichtige ist ja, dass man die Aussage, die man hinterher macht in der Wissenschaft, die soll ja dann auch stimmen.

    Götzke: Welche Rolle spielt bei Ihren Empfehlungen die Scheu der Hochschulen, Plagiatsfällen, die sie letztendlich selbst mitzuverantworten haben, in die Öffentlichkeit zu geraten?

    Beisiegel: Ich glaube, dass die heute keine große Rolle mehr spielt. Es war lange so, dass eher sozusagen die Tendenz war, lieber unter den Tisch. Aber ich glaube, dass die wirklich ganz, ganz große Mehrzahl der Hochschulen heute ganz klar sagt, wir wollen Fälle aufklären und wir wollen auch Prävention betreiben. Nur für die alten Fälle ist das mit der Prävention natürlich zu spät.

    Götzke: Plagiate prüfen, aber bitte unter Ausschluss der Öffentlichkeit, meint Ulrike Beisiegel von der HRK. Vielen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.