Am Morgen des 23. September 1846 traf in der Berliner Sternwarte ein Brief des französischen Mathematikers Urbain le Verrier ein. Darin bat er Johann Gottfried Galle, "Observator" – so die damalige Bezeichnung – an der Sternwarte, um einen Gefallen: "Ich suche einen hartnäckigen Beobachter, der bereit wäre, einige Zeit einen Himmelsabschnitt zu untersuchen, in dem es möglicherweise einen Planeten zu entdecken gibt."
Warum war Uranus verhaltensauffällig?
Le Verrier hatte bemerkt, dass der gut 60 Jahre zuvor entdeckte Planet Uranus sich nicht exakt so bewegte wie erwartet. Offenbar störte die Anziehungskraft eines bis dahin unbekannten weiteren Planeten seinen Lauf. Der äußerst begabte junge Mathematiker berechnete daraufhin die mutmaßliche Position und bat den Berliner Kollegen, am Himmel nachzusehen – denn in Paris hatte man zum einen seine Arbeit nicht sehr ernst genommen und verfügte zum anderen nicht über ein geeignetes Instrument, erklärt Felix Lühning, Wissenschaftshistoriker der Stiftung Planetarium Berlin: "Galle ließ es sich also nicht nehmen nach Rücksprache mit seinem Chef, bei Herrn Encke, und hat auch noch einen Assistenten mit dazugenommen, Henry Louis d'Arrest. Die beiden hatten, das war natürlich der große Vorteil, die neuesten Sternenkarten gerade von diesem Gebiet, wo sie suchen sollten – druckfrisch."
Galle und d'Arrest richteten das Teleskop auf den Grenzbereich der Sternbilder Steinbock und Wassermann. Sie verglichen die im Okular sichtbaren Lichtpunkte mit den Objekten auf der Sternkarte. Nach nicht einmal einer Stunde rief der Assistent: "Dieser Stern ist nicht auf der Karte!"
Auf den ersten Blick hätte der Lichtpunkt auch ein weiterer Stern in den Tiefen der Milchstraße sein können. Aber in der folgenden Nacht hatte das Objekt seine Position leicht verändert – untrügliches Zeichen für einen Planeten, der am Himmel nicht stillsteht, sondern um die Sonne läuft. Galle ließ Urbain Le Verrier umgehend die erlösende Nachricht zukommen:"Der Planet, dessen Koordinaten Sie errechnet haben, existiert tatsächlich."
Viereinhalb Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt
Schon in der Antike waren die Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn bekannt – Ende des 18. Jahrhunderts kam Uranus hinzu und nun noch der Neptun. Heute weiß man, dass der neue Planet eine rund 50.000 Kilometer große Gaskugel ist – und in etwa viereinhalb Milliarden Kilometern Abstand seine Bahn um die Sonne zieht. 30 Mal weiter entfernt als die Erde.
Auf Le Verriers Vorschlag hin bekam das neue Objekt den Namen des römischen Meeresgottes Neptun – bis auf die Erde tragen alle Planeten traditionell Namen antiker Gottheiten. Und, so Felix Lühning weiter: "Die Entdeckung war natürlich insofern bedeutend, weil sie das Sonnensystem natürlich nochmal ein Stück weiter raus sprengte und auch die Vermutung zuließ, dass jenseits des Neptun auch noch nicht Schluss ist. Wie wir heute wissen, ist ja auch jenseits des Neptun noch nicht Schluss. Da kommt ja noch ein weiterer Planetoidengürtel. Und dann wissen wir immer noch nicht, ob irgendwann nicht doch noch ein großer Planet da herumschwebt."
Gibt es auch noch Planet X?
1930 wurde das Sonnensystem tatsächlich größer – jenseits des Neptun wurde Pluto entdeckt. Doch der kommt nur auf etwa 2.000 Kilometer Durchmesser, ist nicht einmal so groß wie unser Mond. Inzwischen gilt Pluto nur noch als Zwergplanet – und ist eines von Tausenden Objekten dort draußen. Noch immer drängt es manche Fachleute, einen ominösen Planeten X aufzuspüren und das Sonnensystem weit über Neptun hinaus auszudehnen. Bisher aber ist Neptun der letzte Planet, den man finden konnte.
Nichts mehr zu finden, ist vom Ort seiner Entdeckung, bedauert Felix Lühning: "Der Neptun ist in Berlin in der alten königlichen Sternwarte entdeckt worden. Die befand sich damals in der Nähe des Halleschen Tors. Heute gibt es da ein Denkmal und eine Plakette mit Inschrift. Aber von der Sternwarte selber ist leider, leider, leider nichts übriggeblieben. Die ist 1913 abgerissen worden."
Immerhin existiert noch das Teleskop, mit dem Galle den Neptun zum ersten Mal beobachtet hat. Es steht aber nicht mehr in Berlin, sondern ist ein wunderbares Ausstellungsstück im Deutschen Museum in München.