Raumfahrtingenieure tun so etwas eigentlich ungern: den Orbit einer Sonde immer weiter absenken, bis die Luftreibung die Solarzellen erhitzt oder sogar der harte Boden immer näher kommt. Aber im inneren Sonnensystem versuchen sich derzeit gleich zwei Raumsonden an solch halsbrecherischen Manövern. Die NASA-Sonde MESSENGER fliegt zeitweise kaum noch 50 Kilometer über dem Grund von Merkur. Währenddessen streift eine europäische Sonde die Lufthülle unseres Nachbarplaneten Venus.
Håkan Svedhem: "Venus Express befindet sich am Ende ihrer Mission, weil uns schlicht der Treibstoff ausgeht. Nun vollführen wir ein experimentelles Bremsmanöver in der Atmosphäre, was bei der ESA bislang noch niemand versucht hat. Bei diesem Aerobraking fallen auch große Mengen wissenschaftlicher Daten über die Atmosphäre an, aus Höhen gerade noch 131 Kilometer über dem Venusboden. So tief hat bisher noch niemand gemessen."
Die Sonde könnte dabei durchaus kaputt und damit verloren gehen – ein Risiko, über das Projektwissenschaftler Håkan Svedhem mittlerweile gern spricht. Immerhin hat die Mission Venus Express acht Jahre lang zuverlässig Daten gesammelt und ihren Soll erfüllt. Auch der NASA-Kollege Brian Anderson macht sich um MESSENGER weit weniger Sorgen als vor zwei Jahren, als die Sonde als erste überhaupt in eine Umlaufbahn um Merkur eintrat:
"Das Ziel von MESSENGER war es, den Planeten zu kartieren, sein Schwerefeld und sein globales Magnetfeld zu verstehen und seine Zusammensetzung zu bestimmen. All das haben wir inzwischen erreicht. Aber es ist ja immer so in der Wissenschaft: Neue Messungen werfen neue Fragen auf. Eine davon war der Fund von Wassereis, das in den ständig dunklen Kratern am Nordpol liegt."
Wassereis und neu entdeckte Höhlen
Wassereis, das die Forscher beim sonnennächsten und heißen Planeten Merkur durchaus überrascht hat. Nun wollen sie einen genaueren Blick in diese eisigen Krater werfen. Dazu kommen neu entdeckte Höhlen auf der sonnenzugewandten Seite Merkurs, die wohl durch verdampfendes Gestein entstanden sind. Und zuletzt geht es ums globale Magnetfeld, das bei Merkur durch einen Dynamo im flüssigen Kern entsteht. Warum der kleine Merkur dieses Magnetfeld aufrecht erhalten kann, die viel größere Venus aber nicht, ist bis heute eine offene Frage. Vielleicht ist das Magnetfeld der Venus nur auch zu schwach und eine Sonde müsste einfach mal dichter heran, um es zu entdecken, vermutet ESA-Planetologe Svedhem:
"Ein globales Magnetfeld wäre eine herausragende Entdeckung. Denn wir verstehen bis heute nicht, warum die Erde so ein Magnetfeld besitzt, die fast gleich große Venus aber nicht. Die beiden Planeten müssten sich eigentlich viel stärker ähneln."
Und doch hat die Venus auch vertraute Landschaften zu bieten: Vulkane. Anhand von Radarmessungen wissen Forscher, dass unser Nachbarplanet von Schloten und erkalteten Lavaströmen überzogen ist. Trotzdem ist es Venus Express nach über acht Jahren nicht gelungen, eine einzige Eruption einwandfrei nachzuweisen. Wenn die Sonde in Kürze die Lufthülle der Venus vorerst wieder verlässt, wird sie deutlich näher an der Oberfläche kreisen und einen genaueren Blick auf aktive vulkanische Hitzezonen haben. In einigen Monaten dann dürfte schließlich der Treibstoff an Bord aufgebraucht sein und Venus Express tritt – dann zum letzten Mal – in die dichte Atmosphäre des Planeten ein. Und auch das Ende von MESSENGER ist bereits geplant, erläutert der NASA-Forscher Brian Anderson:
"Wenn uns der Treibstoff ausgegangen ist, werden wir keine Korrekturmanöver mehr machen können. Dann wird MESSENGER abstürzen. Wir wussten seit dem Start, dass die Sonde so enden würde."
Der genaue Absturztag steht schon fest: Am 28. März 2015 wird MESSENGER dem Merkur so nah kommen wie keine Sonde zuvor.