Forscherinnen wie Melanie Bergmann freuen sich über die merkwürdigsten Dinge. Vor etwa zwei Jahren bekam die Biologin vom Alfred-Wegener Institut in Bremerhaven – kurz AWI - ein riesiges Müllpaket zugeschickt. Es stammte von einer Expeditionsleiterin, die Touren in die Arktis anbietet und mit ihren Gruppen dort regelmäßig Strände säubert:
"Und was ganz toll war, war dass sie eben diesen Sack, den sie da gesammelt hat an einem arktischen Strand - das muss man sich wie diese Big Packs vorstellen - haben sie nach Bremerhaven geschickt. Meine Kollegen waren wenig begeistert. Und den haben wir dann noch mal durchsortiert und vor allem eben auch darauf geguckt, ob man noch Herkunftsdaten ableiten konnte."
Kunststoff aus verschiedenen Kontinenten
Durch die Analyse von Aufdrucken konnten die Forscher nachweisen, dass unter den größeren Plastikteilen in dem Müllsack auch einige waren, die aus Deutschland stammten. Andere kamen aus Kanada und sogar aus Argentinien. Doch nicht nur große Plastikstücke sammeln sich in der Arktis inzwischen vermehrt an. Auch große Mengen an Mikroplastik wurden gefunden, also Kunststoffpartikel mit einer Größe von unter fünf Millimetern:
"Also wir haben ja seit 2012 sozusagen in allen möglichen Regionen nach Mikroplastik geguckt: Und sind dabei überall fündig geworden. Und nicht nur fündig geworden, sondern haben auch sehr große Mengen nachgewiesen."
Fraglich ist jedoch, auf welchem Weg die winzigen Plastikpartikel in die Arktis gelangen:
"Ich denke, ein großer Teil wird sicherlich mit den Meeresströmungen in Richtung Norden über den Atlantik oder den Golfstrom verdriften. Aber was wir eben auch gerade angefangen haben zu analysieren ist, ob die Atmosphäre einen Einfluss haben könnte.
Und dazu haben wir Schneeproben analysiert, die wir auf Eisschollen beprobt haben und dort eben auch enorme Mengen von Mikroplastik gefunden. Und das spricht eben dafür, dass auch ein Teil von diesen Partikeln über lange Distanzen nach Norden geweht werden."
Mikroplastik im menschlichen Körper
Über die Atmosphäre könnte das Mikroplastik aber nicht nur weite Strecken zurücklegen. Vermutlich gelangen kleinste Partikel auch in den menschlichen Körper, meint Melanie Bergmann:
"Also alles, was man in der Atmosphäre nachweist, ist ja sozusagen in der Luft, die wir auch atmen. Und da besteht natürlich dann auch immer die Gefahr, dass wir ähnlich wie beim Feinstaub Mikroplastikpartikel einatmen. Und was auffällig ist und mich auch verwundert ist, dass es so wenig Studien über die Folgen von Mikroplastik auf den Menschen gibt."
Im Oktober 2018 hat eine kleine Studie aus Österreich gezeigt, dass Mikroplastik-Teilchen in menschlichen Stuhlproben zu finden sind. Möglicherweise wurden sie vom Körper einfach nur aufgenommen und wieder ausgeschieden, ohne Schaden im Körper anzurichten. Vielleicht aber auch nicht.
Schuld sind nicht nur Verpackungen
Klar ist bislang nur: Sich vor Mikroplastik im alltäglichen Leben zu schützen, ist wohl kaum noch möglich. Denn die winzigen Teilchen stecken längst überall:
"Momentan liegt der Fokus in der öffentlichen Debatte sehr auf den Verpackungen, was auch richtig und gut ist. Allerdings - wenn man sich zum Beispiel diese Konsortialstudie vom Fraunhofer Institut, die letztes Jahr rauskam, anguckt, dann wird man sehen, dass zum Beispiel ein großer Teil auch durch Reifenabrieb, durch Schuhsohlen und dann noch so schöne Dinge wie Gebäude entsteht. Und ganz viele von den Teilchen, die wir halt hatten, waren Lackpartikel. Und wenn man sich überlegt, dass vermutlich alle oder sehr viele Hausfassaden heutzutage mit Lack, der auch Plastikpartikel enthält, angestrichen sind, dann kann man sich überlegen, wie viel davon rumschwebt."
Mit einem Verbot von Plastiktüten, -verpackungen und Plastikbesteck allein wird sich das Problem mit dem Mikroplastik also sicher nicht aus der Welt schaffen lassen.