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Plastikmüll
Ocean Cleanup - Reinigungsaktion im Pazifik

Ein sechshundert Meter langes Rohr, darunter hängt ein Vorhang - diese Konstruktion soll von San Francisco aus aufs offene Meer kommen. Dort soll sie als Plastikbarriere ihren Dienst aufnehmen. Der Erfolg des Projektes ist umstritten - und Kritiker befürchten sogar Beeinträchtigungen des Ökosystems.

Von Anja Krieger |
    Ein dickes, 600 Meter langes Rohr wird als Plastikbarriere eingesetzt
    Am 08.09. startet die Reinigungsaktion vor Kaliforniens Küste (Tim Anderson)
    "Wir sind jetzt auf einem guten Weg, diese bestechende Idee in die Tat umzusetzen."
    Die Ingenieurin Lonneke Holierhoek ist überzeugt vom Plan ihres jungen Chefs. Vor fünf Jahren verkündete der damals 18-jährige Niederländer Boyan Slat, er könne den berüchtigten Wirbel voller Plastikmüll im Nordpazifik beseitigen. Mit gigantischen schwimmenden Müllsammlern, die den Abfall einfangen. Per Schiff soll er dann zurück an Land verfrachtet werden.
    "Ich habe über mehrere Jahrzehnte in der Offshore-Industrie gearbeitet und gesehen, wie die Ozeane und Strände immer mehr mit Plastik vermüllten. Deshalb bin ich sehr glücklich, dass ich jetzt dazu beitragen kann, die Ozeane wieder sauber zu machen."
    Pilot-System soll weitere Erkenntnisse bringen
    Um zu demonstrieren, dass die Säuberungsaktion im Ozean gelingen kann, haben die Mitarbeiter des Ocean Cleanup in den vergangenen Monaten aus dicken Rohren eine 600 Meter lange Barriere konstruiert. Gerade schwimmt sie noch in der Bucht von San Francisco und soll morgen unter der Golden Gate Bridge hindurch aufs offene Meer hinausgezogen werden - bis knapp 500 Kilometer vor die Küste. Zwei Stahlseile dienen dazu, das schwimmende Rohr zu einem U-förmigen Bogen zu spannen. Darunter hängt ein Vorhang drei Meter tief ins Wasser, an dem das treibende Plastik hängen bleiben soll. Wie viel sich dort sammeln wird und wie es dann aus dem Wasser geholt wird, ist noch offen. Denkbar wäre etwa ein Förderband, das das Treibgut auf ein Begleitschiff verfrachtet.
    "Es gibt viel, was wir noch nicht wissen darüber, wie sich das Plastik am Ende in unserem System verhält. Wir wollen sicherstellen, dass wir negative Effekte auf die Lebewesen im Meer so klein wie möglich halten. An dem Pilot-System, das wir jetzt in den Pazifik bringen, wollen wir das weiter erforschen. Wir werden das Plastik dabei erst mal recht grob aus dem Wasser fischen. Mit den Erfahrungen, die wir dabei machen, wollen wir das System für künftige Einsätze optimieren."
    Beeinträchtigung des Ökosystems befürchtet
    Umstritten ist, wie stark dieser riesige durch den Ozean driftende Plastikvorhang die Lebewesen im Wasser beeinträchtigen könnte. Melanie Bergmann ist Tiefseeökologin am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung und befürchtet, dass nicht alle Tiere an der Barriere vorbeikommen.
    "Eine Robbe kann das vielleicht, die sieht das und schwimmt dann woanders lang. Beim Fisch bin ich mir schon nicht mehr so sicher und bei Planktonteilchen, Quallen und auch anderen, die eher passiv treiben, würde ich das ganz stark bezweifeln."
    Würden solche Organismen an der Basis der Nahrungskette regelmäßig mit der ozeanischen Müllabfuhr abtransportiert, entzöge das dem Meer permanent Biomasse. Für Lebewesen, die sich davon ernähren, könnte das zum Problem werden.
    Kritiker für Ursachenbekämpfung - Ocean Cleanup zielt auf Schadensbegrenzung
    Auch der britische Meeresbiologe Richard Thompson sieht das Unternehmen Ocean Cleanup kritisch. Das Einsammeln von Plastikmüll im offenen Ozean sei eine Sysiphos-Arbeit - zunächst solle man sich besser auf die Ursachen an Land konzentrieren, so Thompson. Die 30 Millionen Euro an Spendengeldern, die Boyan Slat bereits sammeln konnte, ließen sich dort viel sinnvoller einsetzen:
    "Angenommen, ich hätte einen großen Topf Geld, den ich verteilen dürfte, um das Problem zu lösen. Dann würde ich jetzt erst mal 99 Prozent meiner Ressourcen in Projekte stecken, die verhindern, dass Plastik überhaupt in den Ozeanen landet - also in besseres Recycling und Produktdesign."

    Das sehen auch die Leute vom Ocean Cleanup so, erklären sie immer wieder. Doch man müsse bedenken, dass das Plastik bereits jetzt vielen Meerestieren zusetze, sagt Chefingenieurin Lonneke Holierhoek.
    "Das Plastik ist jetzt da draußen präsent und alle Proben, die wir genommen haben, zeigen, dass Meerestiere es fressen. Es verursacht schon jetzt große Schäden. Wir glauben, dass es für die Lebewesen da draußen am besten ist, wenn wir es so schnell wie möglich herausholen."
    Nach Berechnungen des Ocean Cleanup ließe sich mit einer Flotte noch längerer Müllsammler künftig über 90 Prozent der Plastikmasse von der Oberfläche des pazifischen Müllwirbels entfernen. So teuer sei das gar nicht, sagt Lonneke Holierhoek.
    "Eine Stadt wie New York zum Beispiel gibt pro Jahr zwei Milliarden Dollar für die Abfallentsorgung aus. Die Reinigung der Ozeane ist damit verglichen deutlich günstiger. Wir glauben also, dass wir uns das leisten können."
    Plastik in tieferen Schichten wird nicht erreicht
    Was Lonneke Holierhoek nicht sagt: Nur etwa ein bis zehn Prozent des Plastikmülls im Meer schwimmt derzeit an der Oberfläche. Der Löwenanteil wird den Fangarmen also durch die Lappen gehen, weil er tiefer im Wasser treibt oder auf dem Boden liegt. Auch gegen die Unmengen von Mikroplastikpartikeln kann das Ocean-Cleanup-System nichts ausrichten, weil sie zu klein sind. Ob der Versuch gelingt, zumindest die Massen an großem Müll einzufangen, ohne dass noch mehr Schaden entsteht, muss das Ocean Cleanup Projekt aber erst einmal beweisen.