Wenn es derzeit an einem nicht mangelt in Brüssel, dann sind es Superlative. Die Begeisterung über den Kompromiss wird bis ins Höchste gesteigert. "Diese Vereinbarung hilft wirklich, unsere Menschen und unseren Planeten zu schützen", jubelt etwa EU-Vizekommissionspräsident Timmermans. Oder um es mit den Worten von Österreichs Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) zu sagen:
"Es ist uns wirklich Einzigartiges gelungen. Wir sind weltweit Vorreiter, was dieses Verbot betrifft, was auch die Reduktionsziele betrifft. Ich glaube, das ist ein sehr, sehr wichtiges Signal, denn die Plastikverschmutzung greift mittlerweile wirklich immens um sich."
Mehr Plastikteile als Fische in den Meeren
Und genau um die geht es. Wissenschaftler sind sich einig, dass, wenn die Menschheit nicht schnell umdenkt und ihren Verbrauch von Plastik eindämmt, dass dann schon in einigen Jahren mehr Plastikteile als Fische in den Meeren schwimmen. Nun versuchen es die Europäer also mit einem Dreiklang aus Verbot, mehr Recycling und Kostenteilung.
Das Verbot ist einfach erklärt: Ab 2021 sollen Schritt für Schritt leicht ersetzbare Einwegplastik-Produkte verschwinden: das Plastikbesteck, der Plastikteller, die Plastikstrohhalme, reine Plastiktrinkbecher, aber auch solche Sachen wie Wattestäbchen, die sich ebenfalls bereits jetzt aus anderen Materialien herstellen lassen.
Kommen wir zum nächsten Punkt Wiederverwertung. Die Recyclingquoten müssen europaweit, also auch in Deutschland, deutlich nach oben geschraubt werden, heißt es. PET-Flaschen, etwa für Mineralwasser, sollen ab 2025 mindestens zu einem Viertel aus wiederverwertetem Plastik bestehen. Bleibt die Kostenteilung. Klingt zunächst harmlos, kann aber möglicherweise in ziemliche Summen ausarten. Österreichs zuständige Ministerin Köstinger:
"Jene Hersteller, die Plastikverschmutzung verursachen, werden künftig dafür auch zahlen müssen. Das war eine wichtige Forderung, die vor allem dazu beitragen wird, dass die Europäische Union die Plastikeindämmung viel stärker in den Griff bekommen wird."
Auch die Verbraucher sollen durch günstigere Preise profitieren
Das wohl griffigste Beispiel sind dabei die Hersteller von Tabak. Sie könnten künftig an den Kosten für das Einsammeln auf Straßen und Wegen der Zigarettenstummel herangezogen werden. In denen befindet sind nämlich auch Plastik. Aber nicht nur die wird es treffen, freut sich der Umweltexperte der europäischen Sozialdemokraten, Jo Leinen. Alle, deren Produkte noch in größeren Mengen in der Natur gefunden werden:
"Es ist auch richtig, dass die Verursacher für die Reinigung der Gewässer und der Strände mit herangezogen werden. Das darf nicht der Allgemeinheit und eben meistens vor allem den Kommunen überlassen bleiben!"
Die EU-Kommission rechnet nun damit, dass bis 2030 Umweltschäden im Wert von 22 Milliarden Euro vermieden werden. Auch den Verbrauchern brächten die Pläne etwas, heißt es. Wenn zum Beispiel weniger Plastik verwendet werde, dann könnten auch Produkte billiger werden, wir alle bis zu sechseinhalb Milliarden Euro sparen, rechnen die Statistiker.
Und EU-Vizekommissionspräsident Timmermans versichert, niemand werde auf sein Picknick im Freien oder seine Schupfnudeln auf dem Weihnachtsmarkt verzichten müssen. Das einzige, was sich wahrscheinlich ändere, sei das Material aus dem Teller oder Gabeln hergestellt werden. Mehr Holz als Plastik beispielsweise.
Die Regierungen der Mitgliedsstaaten und das Europaparlament müssen den Vereinbarungen noch einmal ausdrücklich zustimmen. Das gilt aber nach den stundenlangen Gesprächen der Nacht eher als Formalie.