"Man muss auch die zählen, die man retten kann."
Ein einziger Satz spiegelt die ganze Hilflosigkeit eines Drehbuchautors.
"Manchmal muss man die zählen, die man retten konnte."
Mag auch dieser Satz, der das Dilemma des deutschen Bundeswehreinsatzes in Afghanistan auf den Punkt bringt, in "Auslandseinsatz" in noch so vielen Varianten fallen – er ist und bleibt der ungelenke und verkrampfte Versuch, einen Gewissenskonflikt in Worte zu fassen. Till Endemanns Film ist voll von solch künstlichen, fürs Drehbuch erdachten Monologen. Und das, obwohl der Regisseur doch ein möglichst realistisches und glaubwürdiges Bild vom Alltag der Bundeswehrsoldaten zeichnen wollte. Was der sachliche Titel "Auslandseinsatz" auch nahelegt – im Unterschied zu TV-Dokumentationen, die sensationslüstern "So nah am Tod" oder "Sterben für Afghanistan" heißen.
Aber die übertriebene Art und Weise, in der hier Wertvorstellungen und Ansichten vorgetragen werden, kollidiert mit dem Bestreben einer authentischen Schilderung. Dazu noch sollen diese bleiernen Botschaften gebetsmühlenartig wiederholen, was nach über zehn Jahren Afghanistankrieg ein Jeder längst weiß – erst recht der Soldat, der sich für einen Einsatz am Hindukusch entscheidet.
"Was werden Sie jetzt tun' Zurück nach Hause' Das Land den Taliban überlassen' Das Schicksal der Menschen auch den Taliban überlassen' Sie sind die einzige Chance, die die Menschen hier haben. Sie bringen nicht nur Strom und Wasser. Sie bringen Infrastruktur. Die Voraussetzung für Bildung."
Devid Striesow als Hauptmann schwört noch einmal seinen Oberfeldwebel Gerber, der von Max Riemelt gespielt wird, auf den Einsatz ein. Abgesehen davon, dass selbstverständlich auch Strom und Wasser zur Infrastruktur zählen, steigert sich die Rede immer mehr zu einem unerträglich pathetischen Manifest.
"Die Taliban bieten keine Bildung. Die bieten eine Diktatur im Gewand einer Religion. In dem Moment, wo wir hier die Zelte abbrechen, haben die Taliban gewonnen und die Mehrzahl der Afghanen hat verloren."
Die gleiche Tonlage – egal wer hier auch spricht. Ob es nun ein Soldat ist oder eine Entwicklungshelferin. Auf die treffen Gerber und seine Männer in einem Dorf nahe Faizabad, wo sie die zerstörte Schule wieder aufbauen sollen.
"Hier in Milanh kann man auch fast an so was wie Frieden glauben. Und doch haben die Taliban wieder Zulauf und wir können das nicht verhindern. … Immerhin gibt unsere Hilfe den Leuten das Gefühl, dass die Welt sie nicht im Stich lässt. – Das kommt mir nur alles viel zu wenig vor."
Dabei hätten Regisseur Till Endemann und sein Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt ihre Geschichte für sich selbst sprechen lassen können. Denn sie zeigen auch die Zweifel der Soldaten an der Sinnhaftigkeit und der Effizienz ihres Afghanistaneinsatzes. Zweifel, die dazu führen, dass sich die Soldaten zwischen militärischem Auftrag und persönlichem Engagement entscheiden müssen. Es ist eine Entscheidung zwischen Gehorsam und Gewissen. Zum Beispiel wenn Gerber und zwei weitere Zeitsoldaten bei ihrer Arbeit im Dorf Milanh feststellen, dass es für sie unmöglich ist, die beiden wichtigsten Regeln zu befolgen, die man ihnen immer wieder eingeschärft hat:
"Erstens: Niemand von Ihnen trifft vor Ort selbstständige Entscheidungen. Es wird alles mit der Einsatzzentrale abgesprochen. Und zweitens: Mischen Sie sich niemals in die internen Angelegenheiten der Afghanen ein!"
Ausgelöst wird der moralische Zwiespalt durch die Erlebnisse von Tara, einer jungen afghanischen Frau, der die Taliban zwei Finger abgeschnitten haben, weil sie sich die Nägel lackiert hat. Als Tara die Zwangsehe mit einem Taliban droht und entführt wird, vergisst der Film allerdings endgültig seinen eigenen Anspruch der Wirklichkeitsnähe und verfällt in Hollywoodstereotype.
"Wir könnten sie befreien. – Hast du sie noch alle? Wir haben den ausdrücklichen Befehl, uns in die Angelegenheiten nicht einzumischen. – Was soll schon groß passieren? - Oberstes Gebot: Keine Einmischung! Es gibt keinen Sondereinsatz. Jedenfalls nicht unter meinem Befehl. – Dann halt eben ohne deinen Befehl."
Auch auf formaler Ebene kann der in Marokko gedrehte Film nicht überzeugen. Zum platten Drehbuch und den hilflosen Dialogen kommt eine fahrige Kamera. Die eifert mit ihrer Wackeloptik und dem penetranten Zoom Kinobildern aus Kriegsfilmen nach. Statt damit Spannung zu erzeugen und das subjektive Empfinden der Soldaten – ihre ständige Unsicherheit und die Unkenntnis der fremden Kultur – spürbar zu machen, nerven die Stilmittel schnell.
Einen Film, der sich "echt anfühlt und berührt", wollte Regisseur Till Endemann mit "Auslandseinsatz" drehen. Gelungen ist ihm das nicht. Dieser erste Spielfilm, der sich mit dem Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan befasst, bemüht sich zwar, der Komplexität des Afghanistaneinsatzes und den verschiedenen Positionen gerecht zu werden. Neue Einsichten aber vermittelt "Auslandseinsatz" nicht. Vielmehr hinkt er den meisten Reportagen und Diskussionen hinterher. Was bleibt, ist ein plakativer Spielfilm, der zwar um Verständnis wirbt für die schwierige Lage, in der sich Soldaten im Krieg befinden, der aber auch offenkundig eine Menge Sympathien hegt für deren eigenmächtiges Handeln.
"Die haben uns ja vorbereitet auf das hier. – Ich glaube, das geht gar nicht."
Der Film "Auslandseinsatz" läuft am 17.10. um 20.15 Uhr in der ARD.
Ein einziger Satz spiegelt die ganze Hilflosigkeit eines Drehbuchautors.
"Manchmal muss man die zählen, die man retten konnte."
Mag auch dieser Satz, der das Dilemma des deutschen Bundeswehreinsatzes in Afghanistan auf den Punkt bringt, in "Auslandseinsatz" in noch so vielen Varianten fallen – er ist und bleibt der ungelenke und verkrampfte Versuch, einen Gewissenskonflikt in Worte zu fassen. Till Endemanns Film ist voll von solch künstlichen, fürs Drehbuch erdachten Monologen. Und das, obwohl der Regisseur doch ein möglichst realistisches und glaubwürdiges Bild vom Alltag der Bundeswehrsoldaten zeichnen wollte. Was der sachliche Titel "Auslandseinsatz" auch nahelegt – im Unterschied zu TV-Dokumentationen, die sensationslüstern "So nah am Tod" oder "Sterben für Afghanistan" heißen.
Aber die übertriebene Art und Weise, in der hier Wertvorstellungen und Ansichten vorgetragen werden, kollidiert mit dem Bestreben einer authentischen Schilderung. Dazu noch sollen diese bleiernen Botschaften gebetsmühlenartig wiederholen, was nach über zehn Jahren Afghanistankrieg ein Jeder längst weiß – erst recht der Soldat, der sich für einen Einsatz am Hindukusch entscheidet.
"Was werden Sie jetzt tun' Zurück nach Hause' Das Land den Taliban überlassen' Das Schicksal der Menschen auch den Taliban überlassen' Sie sind die einzige Chance, die die Menschen hier haben. Sie bringen nicht nur Strom und Wasser. Sie bringen Infrastruktur. Die Voraussetzung für Bildung."
Devid Striesow als Hauptmann schwört noch einmal seinen Oberfeldwebel Gerber, der von Max Riemelt gespielt wird, auf den Einsatz ein. Abgesehen davon, dass selbstverständlich auch Strom und Wasser zur Infrastruktur zählen, steigert sich die Rede immer mehr zu einem unerträglich pathetischen Manifest.
"Die Taliban bieten keine Bildung. Die bieten eine Diktatur im Gewand einer Religion. In dem Moment, wo wir hier die Zelte abbrechen, haben die Taliban gewonnen und die Mehrzahl der Afghanen hat verloren."
Die gleiche Tonlage – egal wer hier auch spricht. Ob es nun ein Soldat ist oder eine Entwicklungshelferin. Auf die treffen Gerber und seine Männer in einem Dorf nahe Faizabad, wo sie die zerstörte Schule wieder aufbauen sollen.
"Hier in Milanh kann man auch fast an so was wie Frieden glauben. Und doch haben die Taliban wieder Zulauf und wir können das nicht verhindern. … Immerhin gibt unsere Hilfe den Leuten das Gefühl, dass die Welt sie nicht im Stich lässt. – Das kommt mir nur alles viel zu wenig vor."
Dabei hätten Regisseur Till Endemann und sein Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt ihre Geschichte für sich selbst sprechen lassen können. Denn sie zeigen auch die Zweifel der Soldaten an der Sinnhaftigkeit und der Effizienz ihres Afghanistaneinsatzes. Zweifel, die dazu führen, dass sich die Soldaten zwischen militärischem Auftrag und persönlichem Engagement entscheiden müssen. Es ist eine Entscheidung zwischen Gehorsam und Gewissen. Zum Beispiel wenn Gerber und zwei weitere Zeitsoldaten bei ihrer Arbeit im Dorf Milanh feststellen, dass es für sie unmöglich ist, die beiden wichtigsten Regeln zu befolgen, die man ihnen immer wieder eingeschärft hat:
"Erstens: Niemand von Ihnen trifft vor Ort selbstständige Entscheidungen. Es wird alles mit der Einsatzzentrale abgesprochen. Und zweitens: Mischen Sie sich niemals in die internen Angelegenheiten der Afghanen ein!"
Ausgelöst wird der moralische Zwiespalt durch die Erlebnisse von Tara, einer jungen afghanischen Frau, der die Taliban zwei Finger abgeschnitten haben, weil sie sich die Nägel lackiert hat. Als Tara die Zwangsehe mit einem Taliban droht und entführt wird, vergisst der Film allerdings endgültig seinen eigenen Anspruch der Wirklichkeitsnähe und verfällt in Hollywoodstereotype.
"Wir könnten sie befreien. – Hast du sie noch alle? Wir haben den ausdrücklichen Befehl, uns in die Angelegenheiten nicht einzumischen. – Was soll schon groß passieren? - Oberstes Gebot: Keine Einmischung! Es gibt keinen Sondereinsatz. Jedenfalls nicht unter meinem Befehl. – Dann halt eben ohne deinen Befehl."
Auch auf formaler Ebene kann der in Marokko gedrehte Film nicht überzeugen. Zum platten Drehbuch und den hilflosen Dialogen kommt eine fahrige Kamera. Die eifert mit ihrer Wackeloptik und dem penetranten Zoom Kinobildern aus Kriegsfilmen nach. Statt damit Spannung zu erzeugen und das subjektive Empfinden der Soldaten – ihre ständige Unsicherheit und die Unkenntnis der fremden Kultur – spürbar zu machen, nerven die Stilmittel schnell.
Einen Film, der sich "echt anfühlt und berührt", wollte Regisseur Till Endemann mit "Auslandseinsatz" drehen. Gelungen ist ihm das nicht. Dieser erste Spielfilm, der sich mit dem Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan befasst, bemüht sich zwar, der Komplexität des Afghanistaneinsatzes und den verschiedenen Positionen gerecht zu werden. Neue Einsichten aber vermittelt "Auslandseinsatz" nicht. Vielmehr hinkt er den meisten Reportagen und Diskussionen hinterher. Was bleibt, ist ein plakativer Spielfilm, der zwar um Verständnis wirbt für die schwierige Lage, in der sich Soldaten im Krieg befinden, der aber auch offenkundig eine Menge Sympathien hegt für deren eigenmächtiges Handeln.
"Die haben uns ja vorbereitet auf das hier. – Ich glaube, das geht gar nicht."
Der Film "Auslandseinsatz" läuft am 17.10. um 20.15 Uhr in der ARD.