Die Fußballerinnen gehören mittlerweile zu den beliebtesten Sportteams in Australien. Eigentlich ist Fußball dort aber eine Randsportart. Viele Spielerinnen hoffen, dass sich der Status des Fußballs durch die Frauen-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland ändert.
Football-Liga und Cricket-Verband geben Stadion nicht frei
Wobei die Widerstände durchaus groß sind. Ein Beispiel aus der neuen Players-Podcast-Folge des Deutschlandfunks: In Melbourne, einer der wichtigsten Sportstädte der Welt, findet nach der Gruppenphase kein Spiel mehr statt.
"Für das Viertel- und Halbfinale fordert die FIFA ein Stadion mit einer Kapazität von mindestens 50.000. Das einzige Stadion, das das in Melbourne leisten kann, ist das Cricket-Stadion. Das ist nicht verfügbar, weil die derzeitigen Mieter das nicht wollten – die Australian Football League und der Cricket-Verband", wie Kimon Taliadoros, Geschäftsführer von Football Victoria (Landesverband des Bundesstaates), erklärt. Sportpolitische Kämpfe um die Vormachtstellung zwischen den Sportarten beeinflussen also diese Fußball-WM.
Profifußball in Australien teils noch unter dem Radar
Auch ist ein "Public Viewing" in Australien keineswegs mit einem solchen Event in Deutschland zu vergleichen. Brandenburger Tor, Menschenmassen auf der Fanmeile – ähnliche Bilder gibt es so in Australien nicht. In Melbourne versammeln sich vielleicht mal 300 Fans vor einem Bildschirm. Auch die professionellen Ligen, etwa die der Männer, fliegen in der Wahrnehmung eher unter dem Radar.
Ein Blick in die australische Historie hilft, dieses eher zurückhaltende Verhältnis der Australierinnen und Australier zum Fußball, der in vielen Ländern der Welt die größte Sportart ist, zu verstehen.
Britische Kolonialzeit als großer Faktor
Das unterstreicht Andy Harper, der in den 90er Jahren selbst in Australien Profifußball spielte und mittlerweile seine Doktorarbeit über die Rolle des Fußballs in Australien geschrieben hat.
"Man kann in Australien immer noch Spuren der britischen Kolonie erkennen. Wenn wir uns anschauen, wie die Verfassung aufgebaut ist, das Image des Landes und die Kultur, die hierzulande noch gelebt wird", erklärt Harper. "Das hat einen starken Einfluss auf den Stand des Fußballs. Was bizarr ist, weil Fußball eigentlich das Heiligtum der Briten ist. Aber die Denkweise im britischen Kolonialismus war: Was können wir exportieren, um unsere politische Macht in diesen Ländern zu festigen?"
Dementsprechend sei Fußball zwar der Sport der britischen Bevölkerung gewesen, nicht aber der Sport der britischen Politik. "Die Kolonialisten wollten eine gewisse Art von 'Britishness' exportieren. Fußball hat da nicht reingepasst. Fußball hat vor allen anderen Sportarten die weiße Oberschicht verlassen und die Mittelschicht erreicht, wurde auch in der Arbeiterklasse schnell populär", führt Harper aus. "Fußball war plötzlich kein Sport für Weiße mehr, sondern für alle Ethnizitäten."
Außerdem habe der Sport sich schnell professionalisiert, im viktorianischen Großbritannien sei Sport aber eine Amateurangelegenheit gewesen.
Eine Randsportart tritt langsam aus dem Schatten
Diese Prägung wirkt heutzutage noch nach. Wobei Australien als Einwanderungsland auch nach und nach dem Fußball näherkam, viele verschiedene Kulturen brachten den Sport nach "Down Under". Auch die Arbeiterbewegung der 50er Jahre hatte ihren Anteil daran, dass die Basis für Fußball breiter wurde. Drei, vier Generationen sind nun mit Fußball aufgewachsen.
Der Profifußball ist mittlerweile vor allem in der jüngeren Bevölkerungsgruppe populär. Die älteren Menschen interessieren sich immer noch vor allem für Australian Football, Rugby und Cricket.
Politische Neuausrichtung nach Jahrtausendwende
Fußball befindet sich aber mittlerweile auf dem aufsteigenden Ast. Einen großen Anteil daran hat die Jahrtausendwende, "als die Politiker realisiert haben, dass Fußball unaufhaltsam ist und auch in Asien immer weiter wächst", erklärt Harper.
"Ironischerweise war es der konservativste Premierminister seit dem zweiten Weltkrieg, John Howard, der überzeugt war, dass der Sport gerettet werden musste." 2003 habe der "Crawford Report" für eine Strukturreform der Fußball-Liga gesorgt, mit Unterstützung großer Sponsoren und des Staates.
"Matildas" wurden zur Fußball-Speerspitze
Speziell die Fußballerinnen, die "Matildas", sind mittlerweile das nationale Aushängeschild im Fußball. Harper erklärt die Förderung des Frauensports so: "Victoria hat eine extrem fortschrittliche Regierung, die vor zehn oder zwölf Jahren eine eigene Regierungsstelle für Frauensport eingerichtet hat." Diese habe untersucht, was nötig ist, um den Frauensport auf das gleiche Niveau wie den Männersport zu bekommen. "Da es eine strategische Priorität war, gab es auch finanzielle Ressourcen, um das umzusetzen."
Harper unterstreicht: "Wir haben jetzt einen neuen Trainingskomplex, die Heimat der 'Matildas', der Nationalmannschaft, der weltklasse ist. Vor einem Jahrzehnt war das unvorstellbar, dass es mal eine Einrichtung in Victoria geben wird, die explizit von Frauen für Frauen entworfen wurde."
Doch auch speziell der Frauensport ist geprägt von Machtkämpfen zwischen den Sportverbänden. Der australische Rugby-Verband hat jüngst angekündigt, eine neue Liga für Frauen einzuführen.