Archiv


Pleite und ausgeplündert

Immer mehr der "comunidades autónomas", der autonomen Gemeinschaften, müssen offenbar unter den innerspanischen Rettungsschirm flüchten. Die erste war am vergangenen Freitag Valencia. Ein Paradebeispiel dafür, was und warum in Spanien vieles finanziell schief gelaufen ist.

Von Daniel Sulzmann |
    Finanzminister Christobal Montoro hat es letzte Woche gleich zwei Mal gesagt:
    "Wir haben einfach kein Geld mehr."

    Und die "Übeltäter", die das große Loch verursacht haben, waren auch nach dem Antritt der neuen konservativen Regierung schnell ausgemacht. Es waren die autonomen Gemeinschaften Spaniens. Denn die trugen maßgeblich zum hohen Defizit von 8,9 Prozent bei, dass die Regierung Rajoy bei ihrem Amtsantritt vorfand, für das Jahr 2012. Blöd nur, dass die autonomen Gemeinschaften überwiegend von der Partei von Mariano Rajoy regiert werden und die Schuldensituation deswegen auch nicht der Vorgängerregierung in die Schuhe geschoben werden konnte.

    17 autonome Gemeinschaften gibt es in Spanien. Sie entsprechen in etwa den deutschen Bundesländern, allerdings wie im Falle des Baskenlandes oder auch im Fall von Katalonien mit sehr viel weit reichenderen Autonomierechten ausgestattet. Das bringt kuriose Ergebnisse mit sich: So verdienen zum Beispiel Polizisten in den Autonomiegebieten mehr als ihre Kollegen in Madrid, die beim Zentralstaat angestellt sind - das kann schon mal das Doppelte sein.

    Problematisch war in den letzten Jahren auch, dass die spanischen Regierungen immer auf kleine Regionalparteien im Parlament angewiesen waren und sich deren Wohlwollen mit Zugeständnissen finanzieller Art erkaufen mussten. Das muss die jetzige Regierung nicht mehr, weil sie eine bequeme absolute Mehrheit hat.

    Die Autonome Gemeinschaft Valencia, die jetzt als erste unter den Rettungsschirm der Zentralregierung kriechen möchte, ist ein ganz besonderer Fall: Da gibt es zum Beispiel in Castellón nördlich von Valencia einen Flughafen, der mit viel Aufwand errichtet worden ist: Schlappe 300 Mio Euro hat dieser Flughafen gekostet. Doch hier wird nie ein Flugzeug starten oder landen. Das Ganze ist ein Paradebeispiel für die Geldverschwendung in Spaniens Regionen. Einer der größten Befürworter Carlos Fabra, Präsident des Kreistages von Castellón fand es wohl besonders seriös den Flughafen im letzten Jahr nach seiner Fertigstellung einzuweihen, obwohl nicht einmal die Genehmigung für seinen Betrieb eingeholt worden war:

    "Es braucht keiner Denken, dass dieses Projekt scheitern wird, das hier ist keine Gegend in der man scheitert – Castellón, Castellón, Castellón"

    Doch aus "Castellón, Castellón, Castellón" wurde - nichts. Bis heute ist kein Flugzeug gestartet oder gelandet. Und in Spanien gibt es ein halbes Dutzend solcher Subventionsruinen, die im übrigen meist dazu dienten, dass sich Regionalpolitiker illegal die Taschen vollmachten auf Kosten ihrer Region.

    In Castellón dabei: der damalige Ministerpräsident der Region Valencia, Francisco Camps. Was er bei der Eröffnung des Geisterflughafens sagte, klingt aus heutiger Sicht eher ungewöhnlich:

    "Es sind Strukturen wie diese, die Arbeit schaffen, Reichtum, Wohlstand, Stolz, Identität, Kraft und einen Gewinn für alle."

    Francisco Camps, der Mann mit dem Pathos, der nach dieser Rede von Wohlstand, Stolz, Identität, Kraft und Reichtum den Flughafen einweihte, sitzt heute auf der Anklagebank eines Gerichtes und muss sich wegen Bestechlichkeit verantworten. Unterdessen hat sich die Tochter von Carlos Fabra einen Namen gemacht, weil sie bei der Bekanntgabe der Sparbeschlüsse durch Ministerpräsident Mariano Rajoy im spanischen Parlament genau in dem Moment als um die Kürzungen bei den Arbeitslosen ging "que se jodan" quer durch das Plenum schrie, was sehr, sehr ordinär ist und was – pardon- so viel heißt wie "sollen sie sich doch ficken".

    In einem Land, das 5,6 Millionen Arbeitslose hat, so etwas quer durch das Parlament zu schreien, kommt nicht gut an. Am Ende musste sie sich entschuldigen. Was aber nichts daran ändert, dass die autonome Gemeinschaft Valencia durch all diese Machenschaften so pleite ist, dass sie jetzt am Freitag Hilfe unter dem Regierungsschirm suchen musste. Da nützte es auch nichts, wenn Finanzminister Montoro noch eine Art Schuldenbremse durchs Parlament brachte, die die autonomen Regionen grundsätzlich verpflichtet, nicht mehr Geld auszugeben, als sie einnehmen.

    Valencia braucht sowieso zwei bis drei Milliarden Euro vom Zentralstaat, um überhaupt zum Beispiel Beamte und Lehrer weiter bezahlen zu können. Und wie hat es der gesamtspanische Finanzminister Montoro gesagt?

    "Es ist kein Geld mehr da.”"

    Genau, es ist kein Geld mehr da. Kein Wunder, dass mit Murcia dann auch schon die zweite Region angekündigt hat, ebenfalls unter den nationalen Rettungsschirm schlüpfen zu wollen. Und damit bleiben Murcia und Valencia nicht alleine: alle spanischen Medien spekulieren dieser Tage, wie viele der autonomen Gemeinschaften in den nächsten Tagen Ansprüche anmelden, sich vom Zentralstaat retten zulassen.

    Der Ministerpräsident der extrem armen Region Extremadura jedenfalls, José Antonio Monago, wollte nur eine sofortige Inanspruchnahme ausschließen.

    ""Also kurzfristig nicht, weil wir kein Liquiditätsproblem haben."

    Soll also heißen: langfristig vielleicht schon.

    Da kommt es den spanischen Politikern gar nicht zu pass, dass die Tageszeitung El Mundo ausgerechnet hat, dass die Regionen zusammen schon in diesem Jahr 26 Milliarden Euro brauchen, um nicht bankrott zu gehen. Denn der nationale Rettungsfonds umfasst nur 18 Milliarden Euro. Und da ist sie wieder, die nächste Milliardenlücke bei den spanischen Staatsfinanzen.