Der junge Professor mit dem Pferdeschwanz war der Shootingstar in der spanischen Politik: Pablo Iglesias, damals 35 Jahre alt und Sprecher der neu gegründeten Protestpartei Podemos, zog vor vier Jahren von einer Talkshow zur nächsten und erklärte den Spaniern, was sie nie zuvor von Politikern gehört hatten:
"Wir wollen eine Umschuldung. Die Bürger sollen entscheiden, welchen Teil der Schulden sie bezahlen und welchen Teil vielleicht nicht. Weil ein Teil der Schulden nur entstanden ist, damit sich einige wenige daran bereichern konnten. Dann machen wir einen Schuldenschnitt und erklären den Gläubigern: Wir kommen nicht aus der Krise, wenn die Leute immer ärmer werden."
Neue Begeisterung für Politik
Damit wurde die neue Partei nach der Gründung in den Umfragen schnell zur beliebtesten politischen Kraft der Spanier. Inzwischen ist vom Schuldenschnitt keine Rede mehr. Die von Podemos mitregierte Stadt Madrid zahlt die Schulden in einem Tempo zurück, wie keine andere öffentliche Verwaltung, um eine Milliarde Euro sinken die Verbindlichkeiten jedes Jahr. Doch nicht nur das hat Podemos erreicht, meint Pablo Simón, spanischer Politologe vom Thintank Politikon:
"Die traditionellen Parteien haben kein Monopol mehr auf die parlamentarische Repräsentation. Die Spanier müssen sich nicht mehr für die bessere von zwei schlechten Alternativen entscheiden. Sie haben zudem eine moralische Wende bewirkt. Heute würde es keiner Partei mehr einfallen, jemanden zur Wahl zu stellen, der der Korruption beschuldigt wird. Damit hat Podemos viele Menschen wieder für die Politik begeistert. Das stärkt die Legitimation des politischen Systems.
Fehler einer jungen Partei
Die Parlamentswahlen 2015, ein Jahr nach der Gründung, bescherten Podemos mehr als 20 Prozent. Doch statt alternative Mehrheiten zu den Konservativen zu schmieden, wollte Pablo Iglesias seine Partei unbedingt zur stärksten Kraft der spanischen Linken machen. Dieser Versuch bei den anschließenden Neuwahlen misslang. Doch das war für Simón nicht der einzige Fehler der jungen Partei:
"Podemos hat lange nicht verstanden, wie das Parlament funktioniert. Dass es da nicht um Freunde und Feinde geht, sondern um Verhandlungen. Sie haben auch erst spät gesehen, dass sich Politik nicht auf die Kommunikation beschränken kann. Gleichzeitig haben sie ein schlechtes Verhältnis zu den Medien. Sie sind für sie nur Transmissionsriemen. Die Journalisten sind für sie Freunde oder Feinde."
Podemos am Scheideweg
So steht Podemos am Scheideweg. Längst bekämpfen sich auch dort die pragmatischen Kräfte, die in vielen Großstädten regieren, und Antikapitalisten wie einst Realos und Fundis bei den Grünen. Iglesias tauscht unterdessen Parteisprecher aus wie ein Máximo Líder. So sieht es zumindest ein Teil der Anhänger, meint Parteienforscher Simón:
"Pablo Iglesias ist noch unbeliebter als der konservative Premier Mariano Rajoy bei Wählern der Sozialisten. Er weiß das, und ich denke, er wird ein schlechtes Ergebnis bei den nächsten Parlamentswahlen auf sich nehmen und versuchen, die Nachfolge zu steuern. Podemos hat sich auch ideologisch verändert. Aus einer populistischen ist eine postkommunistische Partei geworden. Die Haltung ist: Es gibt eine Wahrheit, die die Wähler nicht verstehen, aber wir werden sie ihnen erklären."
Und während Hochschulprofessor Pablo Simón Podemos in einem Madrider Café analysiert, unterbricht ihn eine Dame am Nachbartisch:
"Pablo Iglesias ist mir zu ambitioniert. Podemos verliert viele Leute, weil er seine persönlichen Interessen über alles stellt und viele alte Mistreiter kaltgestellt hat. Das Ergebnis ist: Wir müssen weiter Rajoy ertragen. Ich habe Podemos gewählt. Sicher gibt es Leute, die der Partei weiter ihre Stimme geben. Ich bin tief enttäuscht. Wen soll ich denn jetzt wählen?"