Podiumsdiskussion bei der Sportkonferenz
"Wir sehen uns als Zugpferd, keinesfalls als Raubtier"

Der Fußball taugt nicht als Buhmann im Kampf für mehr Aufmerksamkeit für andere Sportarten - darüber waren sich bei der 7. Sportkonferenz im Deutschlandfunk die Teilnehmer einig. Doch wie man mehr für andere Athleten erreicht, blieb umstritten.

Von Jonas Panning und Moritz Folk |
    Podiumsdiskussion bei der 7. Sportkonferenz des Deutschlandfunks
    Podiumsdiskussion bei der 7. Sportkonferenz des Deutschlandfunks (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
    Rainer Koch hat kein schlechtes Gewissen. "Wir wollen kein Raubtier sein", sagt der DFB-Vize auf dem Podium. "Es gibt auch andere Sportarten, die neben uns gut existieren, zum Beispiel Biathlon. Wir sehen uns als Zugpferd, keinesfalls als Raubtier."
    Neben ihm sitzt Thomas Röhler. Er ist in seiner Sportart momentan am erfolgreichsten. Röhler ist amtierender Sperwurf-Olympia-Sieger. Doch der 26jährige muss hart für die Bedeutung und Attraktivität seines Sports arbeiten. "Ich stehe morgens um sechs Uhr auf, um an meiner Marke zu arbeiten. Neid auf Fußball verspüre ich nicht. Ich habe gelernt, dass Neid einen im Leben nicht weiterbringt", zeigt sich Röhler kämpferisch.
    Rainer Koch (l.)  Thomas Röhler bei der 7. Sportkonferenz des Deutschlandfunks
    DFB-Vize Rainer Koch und Speerwerfer bei der DLF-Sportkonferenz (Deutschlandradio /Jessica Sturmberg)
    ARD-Sportkoordinator: "Freitags keine Leichtathletik"
    Axel Balkausky entscheidet mit, welche Sportarten zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form im Fernsehen stattfinden. Der Sportkoordinator der ARD relativiert die Übermacht des Fußballs in seinem Programm und nennt Zahlen: "Wir bekommen sechs bis neun Prozent Sendefläche für den Sport. Davon sind etwa 20 Prozent Fußball, 35 Prozent Wintersport und 45 Prozent sind alle anderen Sportarten. Darunter übrigens die Leichtathletik-EM und WM, ISTAF Berlin und die Deutschen Meisterschaften."
    Die 7. Sportkonferenz zum Nachhören

    Alle Beiträge zur Sportkonferenz finden Sie als Audios hier:
    Die Podiumsdiskussion mit Rainer Koch, Thomas Röhler, Mark Schober, Axel Balkausky und Robert Zitzmann
    Das Gespräch mit dem Digitalexperten Kai Pahl
    Die Gespräche mit Sebastian Dietz, Mieke Kröger und Jaromir Zachrich
    Das Impulsreferat von Moritz Küpper
    Die Sportkonferenz als vollständiges Audio
    Doch der ARD-Sporkoordinator macht auch deutlich, warum Speerwurf-Olympia-Sieger Röhler nicht häufiger zu sehen ist. Die "Diamond League" ist eine Art Leichtathletik-Weltcup. Ihre Wettkämpfe werden allerdings freitagabends ausgetragen: "Der Freitagabend ist ein Platz, bei dem wir bei uns nicht ins Programm kommen, weil dort Fernsehfilme kommen, die wir nicht verdrängen können. Sie sind zu erfolgreich."
    ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky spricht bei der DLF-Sportkonferenz, neben ihm sitzt DHB-Generalsekretär Mark Schober.
    ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky spricht bei der DLF-Sportkonferenz, neben ihm sitzt DHB-Generalsekretär Mark Schober. (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
    Handballfunktionär hätte gerne mehr Sport in der ARD
    "Die Öffentlich-Rechtlichen sollen ihrem Auftrag nachkommen", erwidert Mark Schober, der Generalsekretär des Deutschen Handballbundes zum Argument mit den Fernsehfilmen. "Ich finde es schade, dass wir nicht gemeinsam mit den Sendern und den anderen Sportverbänden dafür kämpfen, aus den neun Prozent Gesamtanteil Sport in der ARD 15 Prozent zu machen."
    Schober verschweigt allerdings nicht, dass er über die Präsenz seiner Sportart Handball im Fernsehen gerade recht zufrieden ist: "Wir können nicht jammern", sagt er. Die ARD zeigt in Kooperation mit dem Pay-TV-Sender Sky Livespiele der Bundesliga und ARD-Sportkoordinator Balkausky weist darauf hin, dass auch in der "Sportschau" am Sonntag regelmäßig ein Spiel des Bundesliga-Spieltags zusammengefasst wird. "Die regelmäßige Berichterstattung hilft uns, dass wir wachsen können. Aber das allein ist nicht alles", so DHB-Generalsekretär Schober.
    Marketingexperte Zitzmann: "Sponsoren sollten nicht nur auf Quote setzen"
    Robert Zitzmann von der Sportmarketing-Agentur Jung von Matt nennt den Handball als gutes Beispiel für die Vermarktung einer Sportart im Schatten des scheinbar übermächtigen Fußballs. Er rät Sponsoren, nicht alles auf Reichweite und TV-Quote zu setzen. "Ich finde das zu kurzsichtig und für Unternehmen auch nicht ausreichend. Es besteht eine Chance darin, sich in Sportarten zu engagieren, die aus verschiedenen Marketingaspekten heraus zu ihnen passen. Und somit nicht nur Werbetreibender zu sein - in Fußballstadien mit überfrachteten Werbeflächen, sondern eine sehr präsente und sozial engagierte Rolle einzunehmen."
    Zitzmann nennt den Sponsor der Handball-Bundesliga, die DKB, als Beispiel. Sie hat Anfang des Jahres die Weltmeisterschaft aus Katar via Livestream übertragen, weil sich TV-Sender nicht auf die Übertragungsrechte einigen konnten. "Das war herausragend." Mark Schober merkt allerdings an, dass die Märkte für Handball innerhalb Europas sehr unterschiedlich seien. "In Dänemark erzielt der Handball das fünffache an TV-Lizenzen wie in Deutschland, obwohl der Markt hier viel größer ist."
    Robert Zitzmann von "Jung von Matt"  bei der Sportkonferenz
    Robert Zitzmann von "Jung von Matt" (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
    DFB-Vize Koch mahnt an, dass man den Fußball nicht für alles verantwortlich machen könne. DFB und DFL verzichten auf viele Euros, auf die öffentlichen Mittel. "Wenn wir wieder neue Ringer-Olympiasieger wollen, dann funktioniert das nicht, weil die ARD die Ringermeisterschaft überträgt, sondern nur mit der richtigen Sportförderung." Großbritannien habe das vor Olympia 2012 bewiesen. Außerdem müssen Sportarten wie Speerwurf selbst schauen, wie sie ihren Sport so unterhaltsam gestalten, dass auch ein Fußballfan zuschauen möchte.
    Große Chancen durch Digitalisierung
    Thomas Röhler pflichtet ihm bei. Deshalb gehe es auch um die Kommerzialisierung des Sports. "Eine Sportart lässt sich nur vermarkten, wenn der Erfolg da ist. Dann ist auch Geld da. Wenn der Kreislauf hinkt, dann ist kein Geld im System und dann wird das auch nichts mit dem Erfolg." Er glaubt daran, dass seine Sportart ein Nutznießer der Digitalisierung werden könne: "Wir definieren uns da neu. Wir wollen mehr Action. Aber das dauert leider. Man kann Ideen nicht von heute auf morgen umsetzen."
    Zitzmann sieht große Chancen in der Digitalisierung: "Mit guter Produktinszenierung, einem eigenen Communityaufbau bei Social Media und einer crossmedialen Vermarktung können auch kleinere Sportarten sich selber aufbauen." Ein gutes Beispiel dafür sei E-sports: "Die haben sich auf ihrer eigenen Plattform über digitales Streaming selbst ernährt und sind dabei global gewachsen. So wurden sie auch für TV-Anstalten und große Sponsoren interessant."
    Das Problem liege dabei aber auch an den Verbandstrukturen, so Thomas Röhler. Aus einzelnen Wettbewerben in Deutschland ließen sich Events machen. International verhindere das aber die Regelwerke. Alles in allem befinde sich die Leichtathletik auf einem guten Weg. Nur eines findet er an der medialen Überhöhung des Sports sehr schade: "So manche ein Sportler muss zuhause auch noch einen toten Hamster haben, damit seine Goldmedaille überhaupt etwas wert ist."
    Zuhörer kritisieren überbordende Präsenz des Fußballs
    In der abschließenden offenen Diskussion mit Zuhörern im Saal wurde ebenfalls auf die Möglichkeit für Sportler hingewiesen, sich und ihre Sportarten stärker digital und über Netzangebote zu präsentieren - schließlich sei man als Athlet im Jahr 2017 nicht mehr auf das Fernsehen angewiesen, um gesehen zu werden.
    Ein anderer Zuhörer kritisierte wiederum genau dieses Fernsehen dafür, für die "überbordende Präsenz des Fußballs" in hohem Maße mitverantwortlich zu sein: "Dass sich die Menschen für Fußball zu interessieren haben, ist ihnen erst im Kampf der privaten gegen die öffentlich-rechtlichen Sender im Kampf um die Übertragungsrechte ab Ende der 1980er Jahre vorgesetzt worden", infolge dessen zunehmend mehr Fußball im Fernsehen gezeigt worden sei. Die Berichterstattung, so eine andere Wortmeldung, sollte außerdem Probleme wie Doping im Fußball stärker in den Fokus nehmen.