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Podiumsdiskussion
Über die Macht der Sprache und Bilder in aktuellen Berichten

"Köln versinkt in Flüchtlingsflut" oder "Der Ansturm auf Europa" – Schlagzeilen aus den vergangenen Monaten. Die Debatte um Flüchtlinge zeigt, wie schmal der Grat für Journalisten zwischen Objektivität und Subjektivität ist. Deswegen fand im Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven eine Podiumsdiskussion zur Rolle der Medien in der deutschen Integrationsdebatte statt.

Von Dirk Bliedtner |
    "Auf dem Lastwagen in der Sahara. Es gab gefährliche Momente, es war sehr emotional. Und Stefan Aust wollte dieses Titelbild machen und hatte das Gefühl, das wir unsere Leser anders nicht dazu bewegen könnten, das Heft zu kaufen, weil sie sich für dieses Thema Flucht aus Afrika nur mit einem gewissen Bedrohungsgefühl interessieren würden. Wir haben diesen Titel gemacht, und ich halte ihn für falsch. Noch heute. Weil er nicht zu diesem Text passte, und weil er genau mit diesem Bild, der Flut, des Ansturms, der Welle gespielt hat. Was nicht der Geschichte entsprach und nicht dem, was ich da eigentlich recherchiert hatte und geschrieben hatte. Erschienen ist er aber."
    Der heutige Chefredakteur des "Spiegels", Klaus Brinkbäumer, hat das Bild aus 2006 noch vor Augen, schwarze Menschen, erheben sich aus dem Meer und rennen auf Europa zu.
    "Spiegel" inzwischen achtsamer
    Journalisten müssten sich also immer wieder bewusst machen, was sie mit Sprache und Bildern auslösten. Der "Spiegel" sei da inzwischen achtsamer geworden:
    "Wir formulieren vorsichtiger, wir formulieren präzise und korrekt. Wir geben nicht dem Wunsch nach, wenn es den denn überhaupt gibt, dem Wunsch nämlich des Publikums nach einer verschärften Sprache oder nach schärferen Begriffen, sondern dimmen Sprache ganz bewusst herunter, um eben nicht zur Eskalation beizutragen. Wir versuchen so genau wie eben möglich zur formulieren, präzise zu formulieren, Dinge, die wir beim 'Spiegel' vorher falsch gemacht haben, zu korrigieren."
    Als Beispiel nannte Brinkbäumer Geschichten wie den Titel "Die Türken kommen – rette sich wer kann" von 1973 im Zusammenhang mit dem Anwerbeabkommen:
    "Zur Ehrenrettung meiner Vorgänger oder Vorfahren muss man sagen. Das war ein Zitat, es steht da in An- und Abführung. Macht es nicht viel besser, nur ein kleines bisschen besser. Wir haben beim 'Spiegel' Titelzeilen gemacht wie 'Gefährlich fremd' über Migration, die falsch waren, die eskalierend waren, und so etwas machen wir heute nicht mehr."
    "So sorgfältig wie möglich arbeiten"
    Dinge nicht zu vermischen und die journalistischen Stilformen zu wahren, dafür plädiert Katharina Hamberger, Hauptstadt-Korrespondentin des Deutschlandradios:
    "Wenn wir einen regulären Bericht machen, dann versuchen wir eben auch, so sorgfältig wie möglich zu arbeiten. Ich glaube, ich habe mich in den letzten beiden Jahren noch nie so intensiv mit den Begriffen Migration, Zuwanderung, Asylbewerberleistungsgesetz, was ist eigentlich eine Duldung, was ist ein Asylbewerber, was ist ein anerkannter Asylbewerber auseinandergesetzt, um Dinge nicht zu vermischen, durcheinanderzubringen auch mit Fluchtursachen, warum kommen Menschen, was ist Armutsmigration, was ist daran negativ, solche Dinge einfach mal zu differenzieren und dann auch dementsprechend zu benennen oder ein sogenannt davorzusetzen. Die Zuspitzung geschieht dann in den Kommentaren, und da merkt man dann eben, dass der Sprachgebrauch bei den einzelnen Journalisten auseinandergeht."
    Positive Aspekte kommen laut Pöttker zu kurz
    Aus Sicht des Medienwissenschaftlers Horst Pöttker vom Institut für Journalismus und Kommunikationswissenschaft der Uni Hamburg schaukeln sich Medien und Publikum schon gegenseitig hoch. Manche Motive kämen deshalb immer wieder:
    "Vielleicht sogar über die Jahrhunderte. Dass es in unserer Kultur negative Bilder vom Orient gibt, negative Bilder vom Islam, das kann man sehr weit zurückverfolgen in der Geschichte. Wir können auch bis zu den Kreuzzügen gehen. Es gibt sehr tief gehende kulturellen Traditionen, auch teilweise von negativen Bilder derjenigen, die jetzt im Moment zu uns kommen. Und die werden durch Medienberichterstattung wieder aktualisiert, weil das so tief sitzende Vorstellungen sind. Und Medienberichterstattung folgt ja auch den Wünschen oder den Bedürfnissen des Publikums, sonst kommt man beim Publikum mit Informationen nicht an."
    Pöttker kommt in der Berichterstattung zu kurz, dass Deutschland Zuwanderung brauche, dass sie viele Positive Seiten habe.