Ein künstlerisches Phänomen erschüttert Europa: Richard Wagner und seine revolutionäre Kompositionstechnik lösen fanatische Begeisterung aber auch vehemente Ablehnung aus. "Gott Richard Wagner" nennt der Dichterfürst Stéphane Mallarmé den Komponisten. Es entsteht ein veritabler französischer "Wagnerisme", der gleichermaßen Poeten, Komponisten, und Maler inspiriert. Maler wie Puvis de Chavanne, Gustave Moreau, Odilon Redon illustrieren seine Musikdramen, Schriftsteller wie Paul Verlaine, Karl Huysmans und René Ghil suchen nach literarischen Entsprechungen für das, was sich da auf der Ebene der Musik abspielt. Und der am 21. Dezember 1859 in Metz geborene Gustave Kahn, ein großer Verehren von Baudelaire und Verlaine, erlebt diese ästhetische Kulturrevolution als Poet und als Kritiker. In einem Artikel aus dem Jahr 1886 schreibt er:
"Das zentrale Ziel unserer Kunst ist es, das Subjektive zu objektivieren, also die Entäußerung der Idee, anstatt das Objektive zu subjektivieren, also die Natur, so wie ein Einzelner sie wahrnimmt. Vergleichbare Überlegungen haben sowohl zur harmonischen Vielfalt bei Wagner geführt als auch zu den neuesten Techniken der Impressionisten."
Als Kind einer weltlichen jüdischen Familie war Gustave Kahn mit elf Jahren in die französische Hauptstadt gekommen, wo er sich bereits als Student mit Artikeln in das literarische Leben einschaltete. Er lernte Stéphane Malarmé kennen, in dessen Dienstagssalon sich einige der namhaftesten Künstler des Symbolismus trafen. Das war die Zeit einer ermüdeten Romantik, der Melancholie und eines halluzinatorischen Subjektivismus', mit einer stark zwischen Tod und Erotik changierenden Bildsprache. Von Wagners Tristan angestoßen, mündete dies einige Jahrzehnte später in Maurice Maeterlincks und Claude Debussys "Pelléas et Mélisande", der wohl berühmtesten symbolistischen Fusion aus Literatur und Musik. In einer Periode intensiver gegenseitiger Beeinflussung trafen Komponisten auf Maler, Schriftsteller auf Komponisten.
Gustave Kahn blieb es vorbehalten, mit seinen 1887 unter dem Titel "Palais Nomades" veröffentlichten Gedichten den Weg zum "Vers libre" zum freien Versmaß aufzustoßen, und damit den forcierten Subjektivismus auch in die Formensprache hineinzutragen. Er musste sich diese Erfinderschaft allerdings mit anderen teilen, zu sehr sind seine Gedichte eingebettet in eine allgemeine poetische Bewegung. Aber mehr als andere ist der Poet, Schriftsteller, der Kunstkritiker, Redakteur und Herausgeber ein Wegbereiter der literarischen Moderne in Frankreich. Er schreibt in der "Revue Indépendante":
"Die Bedeutung dieser neuen Technik wird darin bestehen, jedem Poeten eine Konzeption des eigenen Versmaßes oder besser der eigenen originären Strophe zu ermöglichen, und im eigenen individuellen Rhythmus zu schreiben."
Als Romancier und Essayist wird sich Gustave Kahn später als universeller Intellektueller erweisen, der mit seinen Texten auf die Jahrhundertwendethemen Sozialismus, Zionismus und Feminismus Bezug nimmt. Den Anarchisten Auguste Vaillant und Emile Henry widmet er in der Revue "La Société Nouvelle" ausführliche Artikel:
"Wir wissen nur zu gut, dass der Staat die Dinge nicht mit einem Federstrich ändern kann, aber mit einigen Reformen und Plänen der Armutsbekämpfung und einer besseren Verteilung der Reichtümer täte man etwas Nützliches: Man verhinderte dass sich Unglückliche töten oder getötet werden; schließlich ist die Aufgabe des Staates nicht zu töten, sondern Vorsorge zu leisten."
Während der Dreyfus-Affäre unterstützt Kahn den angefeindeten Emile Zola. Erst jetzt beginnt er, sich in seiner literarischen Tätigkeit mit seinen jüdischen Wurzeln auseinander zu setzen. In den 1920er Jahren wird er Chefredakteur der zionistischen Zeitschrift "Menora" und schreibt Erzählungen unter den Titeln "Contes Juives", "Images Bibliques" und "Terre d'Israel". Am 5. September 1936 stirbt Gustave Kahn im Alter von 76 Jahren. Seine Manuskripte wurden in die hebräische Universität Jerusalem gebracht. Da war die Literatur des später weitgehend in Vergessenheit Geratenen längst zur Wegbereiterin für Autoren wie André Gide, Apollinaire und vieler anderer geworden.
"Das zentrale Ziel unserer Kunst ist es, das Subjektive zu objektivieren, also die Entäußerung der Idee, anstatt das Objektive zu subjektivieren, also die Natur, so wie ein Einzelner sie wahrnimmt. Vergleichbare Überlegungen haben sowohl zur harmonischen Vielfalt bei Wagner geführt als auch zu den neuesten Techniken der Impressionisten."
Als Kind einer weltlichen jüdischen Familie war Gustave Kahn mit elf Jahren in die französische Hauptstadt gekommen, wo er sich bereits als Student mit Artikeln in das literarische Leben einschaltete. Er lernte Stéphane Malarmé kennen, in dessen Dienstagssalon sich einige der namhaftesten Künstler des Symbolismus trafen. Das war die Zeit einer ermüdeten Romantik, der Melancholie und eines halluzinatorischen Subjektivismus', mit einer stark zwischen Tod und Erotik changierenden Bildsprache. Von Wagners Tristan angestoßen, mündete dies einige Jahrzehnte später in Maurice Maeterlincks und Claude Debussys "Pelléas et Mélisande", der wohl berühmtesten symbolistischen Fusion aus Literatur und Musik. In einer Periode intensiver gegenseitiger Beeinflussung trafen Komponisten auf Maler, Schriftsteller auf Komponisten.
Gustave Kahn blieb es vorbehalten, mit seinen 1887 unter dem Titel "Palais Nomades" veröffentlichten Gedichten den Weg zum "Vers libre" zum freien Versmaß aufzustoßen, und damit den forcierten Subjektivismus auch in die Formensprache hineinzutragen. Er musste sich diese Erfinderschaft allerdings mit anderen teilen, zu sehr sind seine Gedichte eingebettet in eine allgemeine poetische Bewegung. Aber mehr als andere ist der Poet, Schriftsteller, der Kunstkritiker, Redakteur und Herausgeber ein Wegbereiter der literarischen Moderne in Frankreich. Er schreibt in der "Revue Indépendante":
"Die Bedeutung dieser neuen Technik wird darin bestehen, jedem Poeten eine Konzeption des eigenen Versmaßes oder besser der eigenen originären Strophe zu ermöglichen, und im eigenen individuellen Rhythmus zu schreiben."
Als Romancier und Essayist wird sich Gustave Kahn später als universeller Intellektueller erweisen, der mit seinen Texten auf die Jahrhundertwendethemen Sozialismus, Zionismus und Feminismus Bezug nimmt. Den Anarchisten Auguste Vaillant und Emile Henry widmet er in der Revue "La Société Nouvelle" ausführliche Artikel:
"Wir wissen nur zu gut, dass der Staat die Dinge nicht mit einem Federstrich ändern kann, aber mit einigen Reformen und Plänen der Armutsbekämpfung und einer besseren Verteilung der Reichtümer täte man etwas Nützliches: Man verhinderte dass sich Unglückliche töten oder getötet werden; schließlich ist die Aufgabe des Staates nicht zu töten, sondern Vorsorge zu leisten."
Während der Dreyfus-Affäre unterstützt Kahn den angefeindeten Emile Zola. Erst jetzt beginnt er, sich in seiner literarischen Tätigkeit mit seinen jüdischen Wurzeln auseinander zu setzen. In den 1920er Jahren wird er Chefredakteur der zionistischen Zeitschrift "Menora" und schreibt Erzählungen unter den Titeln "Contes Juives", "Images Bibliques" und "Terre d'Israel". Am 5. September 1936 stirbt Gustave Kahn im Alter von 76 Jahren. Seine Manuskripte wurden in die hebräische Universität Jerusalem gebracht. Da war die Literatur des später weitgehend in Vergessenheit Geratenen längst zur Wegbereiterin für Autoren wie André Gide, Apollinaire und vieler anderer geworden.