"IIch wusste eigentlich relativ wenig, worum es geht, außer dass es irgendwie ein Dichterwettbewerb ist oder so was."
Und zwar einer der ersten Slam-Poetry-Wettbewerbe in Dresden.
"Erklärt wurde es dann auf der Bühne von Wehwalt Koslovsky, war damals Moderator dieses Poetry Slams, einer der Gründungsväter der Poetry-Slam-Bewegung in Deutschland."
Zwölf Jahre ist das her, erinnert sich Michael Bittner, der damals als Student der Germanistik und Philosophie mit zwei, drei selbst geschriebenen Gedichten die kleine Bühne eines Dresdner Studentenklubs betrat, nicht ganz freiwillig.
"Irgendeine Freundin hat mich überredet. Ich war natürlich total nervös, hab gezittert am Mikrofon."
Er hatte keine Ahnung damals, ob es überhaupt ein Publikum für seine Texte gibt, sagt Michael Bittner, heute Buchautor und Kolumnist für die "Sächsische Zeitung" oder die "taz". Er hatte damals auch keine Ahnung, ob er das wirklich kann.
Es gibt immer ein Zeitlimit
Vielleicht bin ich einfach nur altmodisch, aber ich frage mich, warum muss man
"Beim Poetry Slam gibt es ja immer ein Zeitlimit, das sind fünf oder sieben Minuten. Aber es ist eine besondere Form und die hat ihren Reiz. Einmal durch diese Mündlichkeit, dass man sich schon Gedanken machen muss, funktioniert dieser Text auf Anhieb. Das ist schon ein Genre für sich."
Und das hat ihn schnell infiziert.
Und eine Handvoll junger Dresdner auch, die aufrischen Texte aus Autorenhand, die fanden ihr Publikum, schneller als gedacht.
"Ich weiß selbst nicht genau wie das funktioniert hat, ohne dass wir Geld hatten, um groß Werbung zu machen. Die Medien haben sich auch überhaupt nicht dafür interessiert. Es war einfach Mundpropaganda, und wir sind dann in einen größeren Ort, die scheune gewechselt, wo der Slam heute noch stattfindet, und seitdem ist die Veranstaltung toll besucht."
Lesung Michael Bittner:
"Ich ziehe mich nicht nackt aus..."
Dresden und Chemnitz, Krefeld und Karlsruhe, Wien und Salzburg, immer wieder Berlin und sogar in entlegenen Dörfern in der Oberlausitz – überall tourt Michael Bittner mit seinen kurzen satirischen Texten
Wohin sich der Poetry Slam entwickelt
Das ist das Schöne, dass es eine eng vernetzte Szene ist, wo sich alle Protagonisten kennen und wo man sich wie in einer kleinen Familie auch zu Hause fühlen kann.
Und trotzdem fragt sich der 33-Jährige nach vielen Beobachtungen immer öfter: Quo vadis Poetry Slam?
Wird Poetry Slam zum Mega-Event? Erliegt er dem Größenwahn? Kann er wieder politischer, lyrischer, experimenteller werden und sich behaupten, gegen Stand-up und Comedy?
"Weil es schon gelegentlich bei Poetry 'Slams vorkommt, dass man das Gefühl hat, die Leute kommen eigentlich weniger um der Literatur willen, sondern mehr um sich unterhalten zu lassen und dann sind sie enttäuscht, wenn ein Lyriker die Bühne besteigt und etwas vorträgt, was gar nicht lustig ist. Andererseits freut man sich, wenn vor allem viele junge Leute kommen, die will man auch nicht vergraulen."
Es bleibt spannend, auch jetzt in Dresden bei den 18. Deutschsprachigen Meisterschaften, die einen „bunten Haufen aus Geschichtenerzählern und Lyrikern, aus Verse-Hinspuckern und Zeilen-Streichlern, aus Alliterations-Anbetern und Pointen-Setzern" präsentieren. Temye Tesfu aus Berlin:
Poetry Slam hat Grundstein für den Job gelegt
"Sehr politisch, sehr poetisch, Dalibor Markovic aus Frankfurt am Main, einer der tollsten Sprachpoeten, den es derzeit in der Szene gibt. Und wenn ich es Einem gönnen würde, dass er gewinnt, dann ist es Lars Ruppel aus Marburg."
Die Slam Poetry Meisterschaften in Dresden gehen auch einen großen Schritt zurück - zum kleineren Format: keine Arena-Events, dafür Kneipen und Klubs mit gemütlicher Atmosphäre. Das macht auch schüchternen Autoren Mut, ist sich Michael Bittner sicher:
"Ohne diese Lesungen wäre es überhaupt nicht dazu gekommen, dass ich beim Schreiben geblieben wäre. Dann hätte man sich einen vernünftigen Job gesucht, (lacht) das wäre ja furchtbar gewesen. "