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Pointierte Bilder mit schwarzem Humor

193 Künstler reichten 905 Arbeiten beim Deutschen Karikaturenpreis ein. Das Motto des Wettbewerbs war die Maya-Prophezeiung des angeblichen Weltuntergangs. Die Cartoonisten und Karikaturisten widmeten sich dem Thema mit viel schwarzem Humor.

Von Claudia Altmann |
    Wenn man zur Verleihung des Deutschen Karikaturenpreises ins Dresdner Schauspielhaus kommt, dann doch wohl, weil man an den pointierten Bildern vor allem eines schätzt:

    "Wenn man lachen kann… Wenn ich darüber lächeln muss… Wenn ich sofort lachen kann und begreife, worum es geht… Wenn man lachen kann darüber…"

    Dazu scheint aber das Motto des diesjährigen Wettbewerbes nicht so richtig zu passen. Mit Blick auf den angeblich bevorstehenden Weltuntergang am 21. Dezember wählten die Initiatoren: Schluss mit lustig.

    Den passenden Soundtrack zur Endzeitstimmung lieferte das Quintett Klazz Brothers & Cuba Percussion gemeinsam mit dem US-amerikanischen Mundharmonika-Spieler Howard Levy und dem australischen Trompeter James Morrison.

    In dieser Stimmung waren offenbar auch viele der Cartoonisten und Karikaturisten, als sie zu Stift und Pinsel griffen. Den Eindruck hatte jedenfalls Peter Ufer von der Sächsischen Zeitung, die im Jahr 2000 den mittlerweile bedeutendsten Preis dieses Genres im deutschsprachigen Raum ins Leben gerufen hatte.

    "Dieses Mal, also zum 13. Mal, hatte ich den Eindruck, wir haben den Untergang nicht vor, sondern längst hinter uns. Das Motto 'Schluss mit lustig' verinnerlichten die meisten Karikaturisten so sehr, dass sie die Jury glauben ließen, sie hätten kollektiv einen Trauerkloß verschluckt."

    Aber das tat zum Glück ihrer Kreativität keinen Abbruch. 193 Künstler reichten 905 Arbeiten ein. Das ist bisheriger Rekord. Und es wäre ja gelacht gewesen, wenn sie der Maya-Prophezeiung nicht doch noch etwas Komisches hätten abgewinnen können. Und wie sollte es anders sein: mit jeder Menge schwarzem Humor. Es geht um Euro- und Ehekrise, Katastrophen im Dies- und Jenseits und um Burn-out, von dem selbst der Tod nicht verschont bleibt. So wie beim Künstler Beck, dessen deprimierter Sensenmann sich eine Kokainline reinzieht. Überschrift: Deadline. Makaber auch der Beitrag von Denis Metz: Eine alte Dame trifft, auf ihren Rollator gestützt, auf dem Friedhof ein und das in der Gehhilfe eingebaute Navi verkündet: Sie haben Ihr Ziel erreicht. Die Wahl der Jury fiel jedoch auf drei andere Künstler, deren Werke das sächsische Komiker-Urgestein Tom Pauls laudatierte. Zunächst in seiner Paraderolle als Rentnerin Ilse Bähnert.

    "Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde des gepflegten Cartons (Lachen) Cartoons."

    Sie überreichte den dritten Preis an den Berliner Karikaturisten OL für seine "Arche Nora", auf der zwei Damen entsetzt feststellen: noch mal: Wir haben keine Männer an Bord? Pauls dann als Grufti mit schaurig verzerrter Stimme:

    "Friedhofsnacht und Depression, das ist meine Religion. Da oben sehen sie mich, wie ich Hühnerprodukte erwerbe."

    Zweiter Platz für den sächsischen Zeichner Uwe Krumbiegel und seinen Grufti beim Einkaufen", der dabei fragt: Haben Sie auch Eier von unglücklichen Hühnern? Und Tom Pauls schließlich als Dönerverkäufer.

    "Was guckst Du? Ich bin Ali. Wer bist Du? Mach mal de Bild. Mach mal de Bild. Zeige mal."

    Auch im Sieger-Cartoon geht es um Hühner, an den Füßen eines nach dem anderen kopfüber aufgehängt auf dem Weg zur Schlachtung schreit ein Federvieh panisch: Halt! Stop Ich bin Günther Wallraff!

    Selten zuvor war sich die Jury so einig, sagt Peter Ufer.

    "Also das war wirklich das Verblüffende dieses Jahr. Bei Petra Kaster – also die Gewinnerin – war es wirklich so, da haben wir lauthals gelacht. Also, das müssen Sie sich so vorstellen, das ist ein großer Raum, da liegen dann diese 900 Blätter, man geht von Blatt zu Blatt, schaut sich alle an. Und bei diesem Blatt haben alle laut gelacht. Und das ist natürlich ein grandioses Votum."

    Die Mühlheimerin Petra Kaster ist die dritte Frau, die es unter den bisher 39 Preisträgern auf ein Treppchen, noch dazu aufs oberste geschafft hat. Dies war bisher nur Barbara Henniger aus Berlin gelungen. Die Grande Dame der gesamtdeutschen Karikatur bekam denn gestern auch den Ehrenpreis für ihr Lebenswerk. Und sie hatte auch gleich einen Vorschlag für die Zeit nach dem Weltuntergang:

    "… einen Überlebenspreis zu stiften. Einmal für die Leute, die danach nicht den Stift aus der Hand legen und die Absicht habe ich nicht. Und den könnte man auch an Jüngere verleihen, weil es heutzutage in der Medienlandschaft schwierig ist, Fuß zu fassen und sich da zu Hause zu fühlen."

    Und was hält Jurysprecher Peter Ufer davon?

    "Großartig. Also ich glaube ja, dass jeder Karikaturist mit seinen Karikaturen sich schon mal selbst den Überlebenspreis gestiftet hat, weil die Karikaturen natürlich überleben und damit der Geist des Karikaturisten. Also insofern hat jeder Karikaturist den Preis schon selbst gezeichnet und sich damit ausgezeichnet. - Gibt’s im nächsten Jahr einen? - Ja."