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Bei den drei Landtagswahlen haben alle Parteien gewonnen - wenn man den Aussagen der Vorsitzenden Glauben schenken mag. Tatsache ist, dass es für die Wahlsieger viele Koalitionsmöglichkeiten gibt.

Eine Sendung Von Tonia Koch, Alexandra Gerlach, Ulrike Greim und Hans-Jürgen Bartsch | 31.08.2009
    Gut 24 Stunden ist es her, dass die Wahllokale geschlossen haben – und wie es ausschaut, gibt es nur Sieger. Der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla erklärte, seine Partei sei der Sieger der Landtagswahlen, weil die CDU in allen drei Ländern die stärkste Partei geworden sei. Der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier erklärte seine Partei ebenfalls zum Sieger – weil die CDU kräftig verloren hat. Die Linke schneidet gut und sogar besser ab als erwartet, den Grünen kommt eine Schlüsselrolle zu – und die FDP kann ihre Werte zum Teil verdoppeln.

    Im Saarland ist die regierende CDU nach vorläufigem Ergebnis von über 47 Prozent auf 34 Prozent abgestürzt. Damit braucht Sie zukünftig einen Koalitionspartner. Für Schwarz-Gelb wird es aber nicht reichen. Auch die Variante Rot-Rot alleine ist rechnerisch nicht machbar. Und so könnten die Grünen zum Königsmacher werden.

    In Thüringen muss sich die SPD entscheiden. Sie möchte, so hat sie es im Wahlkampf deutlich gemacht, den bislang regierenden CDU-Ministerpräsidenten Althaus ablösen. Ist aber nur drittstärkste Partei hinter der Linkspartei. Und so führt sie Gespräche nach allen Seiten – auch mit der CDU von Dieter Althaus. In Sachsen ist die CDU mit rund 40 Prozent stärkste Kraft und kann nun wählen. Entweder regiert sie zukünftig mit einer selbstbewussten FDP, die ihr Ergebnis seit der letzten Wahl verdoppeln konnte oder sie bleibt bei der Großen Koalition und einer SPD, die die Zehn-Prozent knapp übersprungen hat, der CDU in der vergangenen Legislaturperiode nicht viel entgegenzusetzen hatte – und deren Vorsitzender Thomas Jurk heute Nachmittag seinen Rücktritt erklärte.

    Blicke ins Saarland, nach Thüringen und Sachsen von unseren Landeskorrespondentinnen Tonia Koch, Ulrike Greim und Alexandra Gerlach.

    Beitrag Koch

    Auf diese Aussicht, die saarländische Landespolitik künftig mitbestimmen zu können, haben die Grünen lange warten müssen. Und nun haben sie die Wahl. Sowohl eine schwarz-gelbe Koalition als auch ein rot-rotes Bündnis braucht die Grünen, um regieren zu können. Claudia Wilger-Lambert, stellvertretende Grüne Fraktionsvorsitzende im saarländischen Landtag.

    "Die Situation, jetzt das Zünglein an der Waage zu sein, ist eine Situation, in der grüne Inhalte auch entsprechende Erfolg haben können, wenn man es in ein Erfolgskonzept münden lässt."
    Die Saargrünen können die Bedingungen diktieren, und sie haben die Latte für eine Zusammenarbeit hoch gelegt. Ihr Spitzenkandidat Hubert Ulrich.

    "Die Abschaffung der Studiengebühren ist eine Grundbedingung für eine Koalition mit den Grünen im Saarland. Wir werden auch nicht davon abweichen, dass es keine neuen Kohlegroßkraftwerke im Land gibt. Wir werden auch darauf bestehen, dass die Bildungslandschaft reformiert wird. Das sind klare Positionen, die sind für uns wichtig."
    Von persönlichen Animositäten einmal abgesehen – inhaltlich würden sich die Grünen mit einem linken Bündnis leichter tun, das geben sie unumwunden zu. Claudia Wilger-Lambert:

    "Wenn ich das auf die Inhalte beziehe, denke ich, ist es in einem schwarz-gelben Bündnis schwieriger."
    Während des Wahlkampfes haben die saarländischen Grünen einen Drahtseilakt vollführt, um die eigene Anhängerschaft nicht zu verprellen. Claudia Wilger-Lambert:

    "Wir haben es bislang erreicht, dass die Partei geschlossen in diesen Wahlkampf gegangen ist, ohne eine Koalitionsaussage zu machen. Und diese Geschlossenheit wollen wir unbedingt beibehalten. Wir kriegen es nur hin, wenn die Inhalte so überzeugen, dass die Parteibasis das mittragen kann. Das haben wir auch den Wählerinnen und Wählern genau so versprochen."
    In welche Richtung es gehen wird, darüber soll die Basis auf einem Parteitag befinden. Nur wer koalieren wolle, der müsse auch Kreide fressen, war bereits gestern aus dem grünen Lager zu hören. Allerdings nicht im Übermaß. Im Zweifel taugten die Grünen auch für die Oppositionsbank, sagt ihr Bundesvorsitzender Cem Özdemir.

    "Wir gehen nicht in irgendwelche Betten, wir heißen nicht FDP. Wir gestalten Länder mit. Die Grünen gehen nicht ideologisch rein in die Auseinandersetzungen, sondern auf der Grundlage eines Programms. Wenn wir am Ende feststellen, es geht nicht, es lässt sich keine Veränderungsmehrheit zustande bringen, gehen wir auch erhobenen Hauptes in die Opposition, auch diese Option ist nicht vom Tisch."
    Erhobenen Hauptes in die Opposition, das ist jedoch nicht wirklich die Zielsetzung der Saargrünen.

    Beitrag Greim:
    So selbstbewusst hat man in Thüringen die SPD schon lange nicht mehr gehört. Sie ist zwar bei der gestrigen Wahl wieder nur drittstärkste Kraft geworden, macht aber - wie zur Wahlparty am Abend - dicke Backen. Linkspartei oder CDU - die SPD sagt, sie könne mit beiden. Und sie müsse nicht in Vorleistung treten. Hier: Roland Merten, SPD-Schattenminister:

    "Also: wir werden sehen, wer uns das Maximale anbietet, weil ohne uns niemand regieren wird. Also, es wird sowohl die CDU als auch die Linkspartei – wer immer mit uns koalieren wird – sich maximal bewegen müssen. Wir sind in einer sehr komfortablen Situation."

    Zuerst schaut sie - wie lange angekündigt - nach links. Mit den Linken verbindet sie inhaltlich das meiste. Längeres gemeinsames Lernen in der Schule, direkte Demokratie, Energiewende - lauter Gemeinsamkeiten. Doch da gibt es eine kleine aber bedeutsame Hürde, und die ist ideologischer Natur. Der Landtagsabgeordnete David Eckardt sagt, er wolle sich lieber die Hand abhacken lassen, als einen Linken in die Staatskanzlei zu wählen. Warum? Weil die Linken immer noch Ex-Stasi-Mitarbeiter in ihren Reihen haben.

    "Weil sich die Linkspartei in Thüringen noch nicht von Grund auf erneuert hat. So lange solche Leute, wie Frank Kuschel und Ina Leukefeld, auf Listenplätzen noch protegiert und nach vorne geschoben werden, hat diese Partei einfach noch nicht begriffen, welche Verantwortung sie für die Vergangenheit hat, und kann daher nicht die Zukunft maßgeblich gestalten. Sie kann mitgestalten, das ist wohl wahr, aber nicht in Spitzenpositionen mit dem Ministerpräsidenten. Soweit ist die Thüringer Linkspartei definitiv noch nicht."
    70 Prozent der Parteimitglieder sagen gleichlautend mit ihm: Sachpolitik mit den Linken: ja, Meinungsführerschaft: nein. Die Linken hätten einfach noch nicht umgeschaltet von der Fundamentalopposition auf Regierungsbereitschaft. Vor der Wahl befragt, und ganz in Ruhe, sagt der Frontmann der Linken, Bodo Ramelow: Naja, das ist ja auch ein langer Weg. Und dessen Anfang war in der Tat gruselig. Er erinnert sich an seinen ersten Parteitag.

    "Da habe ich gedacht: Die Partei ist völlig verrückt. Mit der kann man ja gar nichts veranstalten. Wir erlebten eine zweistündige Geschäftsordnungsdebatte. Die war davon geprägt, dass man sagt: Wir sind dagegen. Also, schon die Geschäftsordnungsdebatte war geprägt: Wir sind dagegen. Man hätte schreien und rausrennen können."
    Doch nun ist die Partei bereit, sagt er heute. Und sie ist der deutlich stärkere Partner, sie lade ein. Natürlich. SPD-Spitzenmann Christoph Matschie sagt, notfalls könne er auch mit der CDU.

    Beitrag Gerlach:

    "Die Sachsen haben klug gewählt, ein eindeutiger Zuspruch der sächsischen Bevölkerung und letztendlich ein großes Stück Vertrauen in unsere Kraft."
    So sprechen Sieger. Mit 40,2 Prozent hat die CDU in Sachsen die Wahl gewonnen, die CDU-Anhänger danken dem Spitzenkandidaten und Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich am Wahlabend mit langem Applaus. Tillich ist gestärkt. Hat nunmehr ein eigenes Mandat des Wählers und nicht nur ein ererbtes. Er hat einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung und ist dabei in einer komfortablen Lage. Bislang waren gleich zwei potenzielle Regierungspartner in Sicht:

    "Ich kann wählen, und wir werden die Gespräche morgen aufnehmen und darüber wird dann entscheiden, wo ist die größte Übereinstimmung mit den politischen Konzepten."
    Doch inzwischen könnte sich das Blatt bereits gewendet haben, am Nachmittag legte Sachsens SPD-Landeschef Thomas Jurk sein Amt nieder und begründete diesen Schritt mit dem schlechten Abschneiden seiner Partei bei der Landtagswahl.

    Somit könnte eine Neuauflage der in Sachsen kleinen "Großen Koalition" mit der schwächelnden SPD ohnehin schon keine Option mehr sein, dies könnte man zumindest aus den Worten des sächsischen CDU-Generalsekretärs Michael Kretschmer deuten:

    "Ich empfinde es als tragisch, dass in der SPD diejenigen, die dafür verantwortlich sind, dass die Partei nach fünf Jahren Regierung ohne Erfolg da steht, und quasi wirklich am Ende ist als große Volkspartei, jetzt diejenigen sind, die die Macht übernehmen werden. Thomas Jurk, ein wirklich integrer Mann, mit dem wir viel mehr hätten bewegen können, wenn er die Chance in seiner eigenen Partei hierzu bekommen hätte."
    Bliebe die Alternative einer Koalition mit der FDP, die ihren Stimmenanteil verdoppeln konnte. Deren Parteichef und Spitzenkandidat, Holger Zastrow, hat für diese Konstellation schon Wahlkampf gemacht und fühlt sich nun durch den kometenhaften Aufstieg seiner Partei im Freistaat in seinem Kurs bestätigt:

    "Die Sachsen wollen Schwarz-Gelb, sonst hätten sie nicht FDP gewählt, weil wir die einzige Partei gewesen sind, die gesagt haben, dass mit uns nur eine Koalition mit der Union für uns in Frage kommt, ansonsten würden wir in die Opposition gehen."
    Die FDP ist also selbstbewusst, was die Verhandlungen mit der CDU nicht gerade leichter machen dürfte. Streitpunkte gibt es in der Steuer- und in der Bildungspolitik sowie beim Thema Studiengebühren, sodass mancher CDU-ler schon jetzt argwöhnt, dass es schwierig werden könnte auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Der Landtagsabgeordnete Matthias Rössler:

    "Die Frage ist, wer den Preis zahlt; ich kann mir nicht vorstellen, dass die CDU ihn zahlen muss, bei dem Ergebnis."
    Wahlgewinner Tillich hat indessen die Latte aufgelegt, Wer das Beste Angebot mache, verkündete er heute in Berlin, der habe auch die beste Chancen mit der CDU zu koalieren.

    Nachdem gestern die vorläufigen Ergebnisse bekannt geworden waren, erkannten die Politiker aller Parteien in Land und Bund klare Signale, die die Wähler an die Parteien gesandt hatten. Die aber, die sich professionell mit diesen Zahlen auseinandersetzen, und sie auch im Vorfeld erheben, sind immer häufiger überrascht von den Ergebnissen – weil sie sie so klar nicht vorhergesehen haben. Hans-Jürgen Bartsch war bei Infratest Dimap und geht der Frage auf den Grund, warum es immer schwieriger wird, die Meinung der Wähler vorab zu messen:

    Beitrag Bartsch:
    Das Saarland.


    "Ich bin davon überzeugt, dass der Spitzenkandidat sehr viele Wähler noch auf den letzten Metern mitgenommen hat. Das heißt, dass die Inhalte in der frühen Phase des Wahlkampfes viele noch gar nicht erreicht hatten, aber Oskar Lafontaine als Spitzenkandidat einen großen Anteil der linken Wähler auf den letzten Metern erreicht hat. Fast jeder zweite Linksparteiwähler sagte uns, er hat die Linkspartei gewählt wegen des Spitzenkandidaten","
    versucht Roberto Heinrich von Infratest dimap die völlig überraschenden 21,3 Prozent an der Saar für die Linken zu erklären. Die Meinungsforscher hatten Lafontaine in dieser Höhe nicht auf dem Schirm. Vorhergesagt waren nur 15 Prozent. Weil die Linken sich jetzt auch im Westen derart stark präsentieren, ist Roberto Heinrich überzeugt, dass die schon gar nicht mehr kleine Partei auch bei den Bundestagswahlen ein verlässlicher Kandidat sein wird.

    ""Die haben deutliche Schwerpunkte bei solchen Bevölkerungsgruppen wie Arbeitern, Arbeitslose. Das sind also eigentlich Wählergruppen, die klassischerweise sozialdemokratisch wählen. Hier ist die Linkspartei mittlerweile sehr, sehr stark geworden. Die Linkspartei spricht Leute an nicht primär, weil diejenigen überzeugt sind, dass die Partei Probleme lösen kann. Wichtiger ist es, dass die Linkspartei Probleme benennt, die von den anderen Parteien, ja, links liegen gelassen worden sind."
    Der Freistaat Thüringen.

    "So unübersichtlich die Mehrheitsverhältnisse seit gestern sind, so undurchsichtig sind auch die Präferenzen, die die Thüringer in Koalitionsfragen haben. Wir haben im Vorfeld der Wahl eine ganze Reihe von Regierungsmodellen abgefragt, und ob die Leute das Modell als gut empfinden für das Land – es gibt da keinen wirklich klaren Favoriten."
    Auch das zeigt sich immer mehr bei Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland. Parteien, die über die Fünfprozenthürde springen, können sich kunterbunt bedienen, wenn sie eine Regierung bilden. Dass dies in vielen Fällen überhaupt nichts mehr mit dem zu tun hat, was der einzelne Wähler eigentlich will oder wollte, ist in diesem Ausmaß ein noch recht junges Phänomen. So ist noch keineswegs ausgemacht, ob es wirklich im September zu Schwarz-Gelb auf Bundesebene kommt: Seit gestern dürften auch hier – wie die Wahlforscher sagen – zahlreiche Regierungsmodelle ins Spiel kommen.
    Der Freistaat Sachsen.

    "Tillich konnte darauf bauen, dass die Union in Sachsen sachpolitisch fast alle Felder dominierte: Wirtschaft, Arbeitsmarkt, aber auch Bildungspolitik - ein speziell landespolitisches Thema. Tillich konnte darüber hinaus auf einen deutlichen Popularitätsvorsprung gegenüber seinen Herausforderern zurückgreifen. Seine Partei profitiert weiterhin davon, dass man ihr, ja, die Nachwende-Erfolge bis heute zuschreibt, dass also Sachsen zum Primus unter den neuen Bundesländern geworden ist."

    Fragt sich, was das alles für die große Wahl in vier Wochen zu besagen hat. Zum Einen gehen die Meinungsforscher von einer grundsätzlichen Stärkung der kleinen Parteien aus, was sich auch am 27. September zeigen dürfte. Roberto Heinrich sieht eine Verunsicherung der CDU- wie SPD-Wählerschaft. Deshalb glaubt er:

    "Entscheidend wird auch sein, welchen Einfluss das Wahlergebnis auf die Kampagnenplanung bis zum Wahltermin hat. Ich glaube, die Union wird verstärkt unter Druck geraten, ihren bislang eher präsidialen Wahlkampfstil aufzugeben, um zu verhindern, dass eben die FDP weiter gestärkt wird."
    Das wiederum könnte die Bundestagswahl doch spannender werden lassen, als dass so mancher noch bis gestern gedacht hat.
    Ein Wahlkampf, der doch noch spannend wird und ein Projekt - Schwarz-Gelb – für das die CDU doch noch wird kämpfen müssen. An den Politologen Professor Werner Patzelt von der Technischen Universität Dresden geht die Frage: Muss die CDU nach den Ergebnissen der Landtagswahlen nicht endlich aus der Deckung kommen und den Wahlkampf machen, den sie bisher zu vermeiden versucht hat?

    Werner Patzelt: Im Grunde ist das Wahlkampfthema ja offensichtlich - nur noch nicht offensichtlich genug. Es geht darum, ob Schwarz-Gelb oder irgendeine andere Regierungskoalition in absehbarer Zeit das Land regieren soll. Kurzum: Es geht um einen Lagerwahlkampf, zu dem sich die Kanzlerin in ihrer präsidialen Art nicht bekennen will. Aber es gälte aus Warte der Union und der FDP schon, den Wählern vor Augen zu führen, dass sie entweder jetzt Schwarz-Gelb bestätigen, so wie es die Umfragen lange Zeit vorhergesagt haben, oder aber die SPD in die Rolle des Juniorpartners einer Großen Koalition zwingen, aus der heraus die SPD schon des politischen Selbstschutzes willen nach ein, zwei Jahren an die Spitze eines Linksbündnisses wechseln muss.

    Mit welchem Thema könnte die Kanzlerin denn punkten?

    Patzelt: Sie selbst wird an dieser Stelle diesen klaren Lagerwahlkampf nicht einleiten können. Sie kann aber sehr wohl ihre Ministerpräsidenten, die Leute im zweiten Glied, Generalsekretäre der Landesverbände, usw. dazu ermuntern, genau dieses der Öffentlichkeit klarzumachen und an ihrem Wunschkoalitionspartner Westerwelle kann sie an dieser Stelle sich ja ohnehin erfreuen, denn der geht mit dieser Aussage schon seit Wochen übers Land.

    Auch die SPD hat sich zum Sieger der Landtagswahlen erklärt – Dabei war von Aufschwung und Rückenwind die Rede. Ist das Autosuggestion oder gibt es dafür tatsächlich Anhaltspunkte?

    Patzelt: Sich zum Sieger zu erklären ist im Fall der SPD genauso an der Sache vorbei wie im Fall der Union. Denn die SPD hat lediglich Anlass für Schadenfreude. Schadenfreude derart nämlich, dass die Union und das bürgerliche Lager in zwei Ländern klar abgewählt worden sind. Woher aber ein Rückenwind da kommen soll, das bleibt das Geheimnis der SPD-Führung. Gemeinsam mit der Linkspartei kann sie bürgerliche Bündnisse kippen. Aber eben ein Bündnis mit der Linkspartei auf Bundesebene schließt sich für die nächste Zeit doch als glaubwürdig aus. Und nachdem eine eigene Mehrheit für die SPD oder für Rot-Grün nicht zu sehen ist, bleibt es wirklich eine Frage besonderer Wetterfühligkeit, hier einen Rückenwind entdecken zu können.

    Wie sollte die SPD in den Ländern denn jetzt weiter vorgehen. Eher schnell eine Koalition mit der Linkspartei eingehen, um zu zeigen, wir wollen regieren und bekommen eine Koalition zusammen – das Projekt Schwarz-Gelb ist vom Tisch -, oder bis nach der Wahl abwarten, um der CDU nicht das Thema Rot-Rote-Socken zuzuspielen?

    Patzelt: In Thüringen und im Saarland ist es so, dass der Wähler die bürgerliche Mehrheit abgewählt hat. Infolgedessen hat die Linke den Auftrag zur Regierungsbildung. Im Saarland ist das ohnehin kein Thema. Und in Thüringen muss die SPD, scheint mir, sich allmählich darein schicken, das Unvermeidliche zu tun und als kleinerer Partner eines linken Bündnisses anzutreten. Diese Entscheidung aufzuschieben, nutzt nichts, weil ja nur während des ganzen Bundestagswahlkampfes in diesen Überlegungen seitens der Union und der FDP herumgestochert werden wird. Das heißt: Entlastung an dieser Front schafft man sich nur durch absolute Klarheit in dem, was man politisch will. Und hier muss sich die SPD dazu bekennen, dass ihre Zukunft im Verbund mit der Linkspartei liegt.

    Sie haben die Linkspartei gerade schon erwähnt. Die hat in zwei Bundesländern Machtoptionen sich erarbeitet – davon eins im Westen. Bei bundesweiten Umfragen sinken die Werte der Linken in letzter Zeit allerdings etwas. Zumindest hat sie nicht von der Krise profitiert. Was davon ist denn jetzt eigentlich linke Wahrheit?

    Patzelt: Es sind die Ergebnisse in Thüringen und im Saarland ganz wesentlich hausgemachte Ergebnisse. Kein Bundestrend ist daran schuld, dass die Linkspartei in beiden Ländern so groß ist, und kein Bundestrend ist daran schuld, dass die Union in beiden Ländern so heftig abgestürzt ist. Das sind die eigenen Politikprobleme oder die eigenen Investitionen in die politische Zukunft. Infolge dessen ist die einzige Partei, die sich auf einen Bundestrend wirklich gut verlassen kann, die liberale Partei. Und sie wird nicht müde zu sagen, dass sie schon auch einen starken großen Koalitionspartner braucht, wenn es gelingen soll. Im linken Bereich ist das Absinken, das leichte Absinken, der Linkspartei keine Entwarnung für die SPD auf Bundesebene, denn dort stand ohnehin noch nie in Zweifel, dass die SPD mit Abstand die stärkste linke Partei werden wird.

    Einschätzungen des Politologen Professor Werner Patzelt von der Technischen Universität Dresden zum Abschluss dieser Sendung.