Archiv

Geburtstag vor 125 Jahren
Pola Negri - ein Weltstar der Stummfilm-Ära

Pola Negri war einer der ersten Weltstars der Kinogeschichte – und neben Asta Nilsen und Henny Porten eine der großen Diven der Stummfilmzeit. Sie spielte Vamps, Kurtisanen und geheimnisvolle orientalische Schönheiten.

Von Katja Nicodemus |
Pola Negri und Alfred Abel in einer Szene des Films "Die Flamme" von Ernst Lubitsch. Es war Lubitschs letzter in Deutschland gedrehter Film, bevor er 1922 nach Hollywood ging.
Pola Negri und Alfred Abel in einer Szene des Films "Die Flamme" von Ernst Lubitsch. Es war Lubitschs letzter in Deutschland gedrehter Film, bevor er 1922 nach Hollywood ging. (picture-alliance / dpa)
„Ich kenne das Leben von unten bis oben …“ Sie kannte es wirklich, das Leben. Und zwar von allen Seiten und in allen Facetten: Als Achterbahnfahrt zwischen Armut und Reichtum, Aufstieg und Fall, Skandalen und künstlerischen Erfolgen. „Ich kenne das Leben von oben bis unten, ich habe die Menschen kennengelernt."
Pola Negri wird am 3. Januar 1897 als Barbara Apolonia Chałupiec im polnischen Lipno geboren, das damals noch zum russischen Kaiserreich gehörte. Sie wächst in Warschau auf, erhält Ballettunterricht.
Bereits mit siebzehn spielt sie Hauptrollen am Wahrschauer Nationaltheater. Ihre Bühnenpräsenz fällt auch dem legendären deutschen Theaterregisseur Max Reinhardt auf. Negri: „Max Reinhardt hat mich nach Deutschland gebracht, um die Tänzerin in ‚Sumurun‘ zu spielen. Das hat mir den Weg zum Film eröffnet.“

Ernst Lubitsch machte sie zum Star

Das Pantomimenspiel „Sumurun“ wird 1920 von Ernst Lubitsch verfilmt, mit Pola Negri in der Rolle einer Tänzerin im mittelalterlichen Bagdad. Während ihrer gesamten Karriere wird Negri auf der Leinwand immer wieder Tänzerinnen darstellen – ihr Körper ist ihr Ausdrucksmittel. Wenn sie tanzt, dann mit überschäumender Vitalität. Sie spielt Vamps, Kurtisanen, geheimnisvolle orientalische Schönheiten, bedient die Sehnsucht des Publikums nach Exotismus. Der kleine Mund, die dramatisch bebenden Lippen, die lodernden dunklen Augen – diese Schauspielerin war wie geschaffen für den Stummfilm, weil ihre Sinnlichkeit die Leinwand zu sprengen schien.
Gut zwei Dutzend Filme dreht Pola Negri zu Beginn ihrer Karriere in Deutschland. Es ist Ernst Lubitsch, der sie zum Star mach. Mit Lubitsch erlebt sie auch ihren internationalen Durchbruch als Titeldarstellerin in „Madame Dubarry“. In dem Historienfilm gibt es eine Szene, die berühmt wurde für die unbekümmerte Frivolität von Negris Spiel: Madame Dubarry wird von Ludwig dem XV. empfangen, dem sie ein Dokument übergeben will. Sie setzt sich geradewegs auf seinen Schoß und fordert ihn mit Blicken auf, das Papier aus ihrem Ausschnitt zu ziehen.
„Madame Dubarry“ wird auch in den USA ein Kinoerfolg – und das Studio Paramount bietet Pola Negri einen Vertrag an. Sie wird fürstlich bezahlt, logiert in luxuriösen Villen, doch Schlagzeilen macht sie weniger mit ihren Filmen als mit ihrem tumultuösen Privatleben. Negri heiratet nacheinander einen echten polnischen Grafen und einen falschen georgischen Prinzen. Sie hat Affären mit Charlie Chaplin und Rudolph Valentino.
Eine legendäre - und filmreife - Szene liefert sie auf der Beerdigung des Stummfilmstars und Frauenschwarms Valentino. Als der Sarg ins Grab hinabgelassen wird, stürzt sich die schwarz verschleierte Pola Negri hinterher.

Polnischer Akzent kommt nicht an

Der Beginn der Tonfilmära wird Pola Negris transatlantische Karriere beenden: Ihr polnischer Akzent kommt beim amerikanischen Publikum nicht an. Aber es tun sich andere Möglichkeiten auf: „Der Willi Forst hat mich von Amerika gerufen, um ‚Mazurka‘ zu drehen, das war ein großer Erfolg, und dann bin ich in Deutschland geblieben.“
Die polnisch-amerikanische Schauspielerin Pola Negri in der Rolle der Madame Dubarry, 1919
Pola Negri in der Rolle der Madame Dubarry, 1919 (picture-alliance/ dpa)
In „Mazurka“ gelingt Pola Negri 1935 eine ergreifende Darstellung: Die Achtunddreißigjährige spielt eine vom Leben gezeichnete Sängerin, die den Mann erschießt, der ihr Leben zerstörte. Von stummer Gravität ist ihr Auftritt vor Gericht: „Es ist in Ihrem Interesse, wenn Sie in der Lage sind, die ausgeführte Tat zu erklären. Sie haben einen Menschen getötet, Angeklagte. Gestehen Sie uns jetzt die Gründe!“ „Ich habe nichts zu gestehen.“
„Mazurka“ war einer der Lieblingsfilme von Adolf Hitler, der Pola Negri verehrte. Joseph Goebbels hingegen versuchte, ihre Karriere wegen ihrer angeblich jüdischen Abstammung zu blockieren. Nach Kriegsausbruch geht Negri zurück in die USA und beginnt eine weitere Laufbahn: als Grundstücksmaklerin in Texas. Durchaus mit Erfolg.
Am 1. August 1987 stirbt Pola Negri im Alter von 90 Jahren im texanischen San Antonio. Sie war eine der ersten großen Diven des Kinos, die sich auch dann nicht unterkriegen ließ, als der Ruhm vorbei war.