Na, da schau einer her: Da sind ja jede Menge rechter Winkel. Ordentliche Bauernkaten, säuberlich zwischen grünen Rasen-Vierecken, ein aus kubischen Schachteln gestapeltes Hochhaus, ein Blick in eine schmale Gasse, mit fluchtenden Fenstern. Freilich, die roten Streifen sind auch schon da. Und die Puppenfiguren mit den Mandelaugen und dem Schlafzimmerblick. Friedensreich Hundertwassers Frühwerk ist eine Überraschung. Vorbilder sind zwar Schiele, Klimmt und Klee, doch diese Auswahl früher Gemälde und Grafiken, Aquarelle und Plakate ist sehr eigensinnig, struppig und verschroben, da haben eher Wols oder Dubuffet Pate gestanden. Der Nonkonformist, Nomade und Autodidakt Hundertwasser entwickelt früh seine ureigene Optik.
Die Quellen, die das Wiener Hundertwasser-Archiv zur Verfügung stellt, sind bis heute fragmentarisch, ebenso wie die Aufzeichnungen des Künstlers selbst. Die Kunstgeschichte hat sich noch immer kein abschließendes Bild gemacht über den Fetischisten der organisch schwankenden Linie, den Mandala-Spiral-Maler. Noch überwiegen Vorurteile über den Autor des "Verschimmelungs-Manifests". Hier leisten Ausstellung und Katalog ein Stück Pionierarbeit. Gerade, dass der späte Hundertwasser so polemisch gegen die gerade Linie und gegen Funktionalismus und Rationalismus in der Architektur wetterte, hat sein frühes, fabulierendes und heiteres Werk geradezu verdeckt. Damals benutzte er "arme" Materialien und Fundstücke, wie Packpapier und Papierreste. Wie er Mitte der 50er-Jahre sein Schlüsselmotiv der Spirale entdeckte, als Symbol des Werdens und Vergehens, aller Schöpfung und Kreation, das kann man an den noch ganz frischen, moosgrün und türkis, feuerrot und azurblau funkelnden Bildern lebhaft nachvollziehen.
Freilich, gegen Ende der Schau kippen die farbenprächtigen Spiralen in selbstverliebten Variationen ins Grelle und Geschmäcklerische. Irgendwann in den 60ern ist aus dem Entdecker und Experimentator der Ideologe, der Guru Hundertwasser geworden.
Bisher war kaum bekannt, dass der Öko-Künstler in Jesuslatschen und selbstgezupfter Kleidung ein Miterfinder der europäischen Aktionskunst war. Wer erinnert sich, dass Hundertwasser im Advent 1959 seine "Linie von Hamburg" zeichnete? Zwei Tage und Nächte lang arbeitete er an einer sich durch sein Akademieatelier windenden Farbschlange. Nachträglich glorifizierte er sie als "Geburtsstunde der europäischen Aktionskunst". Mit von der Partie war übrigens auch der – später als Kunstbeweger und Besucherschulmeister der Documenta notorisch gewordene – Bazon Brock, damals noch sehr jung.
Jetzt kulminiert die Bremer Hundertwasser-Ausstellung in einem spektakulären Remake dieser Linie. Gemalt von Kunststudenten, zieht sie sich quer über die Wände der Großen Galerie der Kunsthalle und verwandelt den Raum in eine Art optischen Spiralwirbel. Christoph Grunenberg, seit knapp einem Jahr Kunsthallendirektor und Kurator der Schau, knüpft damit an einen der ersten Kunstskandale der Bundesrepublik an. Denn die Hamburger Kulturbehörde und der Akademiedirektor verhinderten damals, dass sich die rebellische Hundertwasser-Linie über die Gänge des Hauses, weiter in den Stadtraum bis über die Alster hinaus verlängerte. Wegen der Zensurmaßnahme gab der damals noch weitgehend unbekannte Künstler seine Gastdozentur empört ab. Zugleich begann damit aber sein rasanter Aufstieg zu einem der populärsten Künstler des 20. Jahrhunderts.
Die Bremer Ausstellung will den als geschäftstüchtigen Kitschier verschrienen Friedensreich Hundertwasser "gegen den Strich" bürsten, vielleicht sogar rehabilitieren. Allerdings gelingt dies nur halb. Sicherlich, die Werke aus den 50er- und 60er-Jahren zeigen den Künstler als Mitstreiter der Avantgarde der Westkunst, der im Windschatten des herrschenden Informel eine eigene Bildsprache entwickelte, der Österreich auf der Biennale in Venedig und auf der documenta III vertrat. Zugleich aber bestätigt die Schau auch, dass Hundertwasser zunehmend ins Abseits geriet. Schuld daran waren seine manische Suche nach Oberflächenreizen, seine Vorliebe für Buntheit und Goldbrimborium, sein geradezu fanatischer Glaube an die Heilkraft der Natur und sein gebetsmühlenhafter Kampf gegen den Rechten Winkel. Im Vergleich mit Zeitgenossen wie Yves Klein oder Niki des St. Phalles, Jean Tinguely oder Arnulf Rainer wirkt Hundertwasser heute dann doch etwas hinterwäldlerisch.
Dennoch: Der nahezu unbekannte "Frühe Hundertwasser", der jetzt in Bremen zum ersten Male vorgeführt und analysiert wird, ist eine Entdeckung – nicht nur für Experten, gerade auch für jene, die ihn bisher nur als exotischen Gartenzwergpropheten missverstanden haben.
Ausstellungsinfos:
Kunsthalle Bremen: "Friedensreich Hundertwasser. Gegen den Strich. Werke 1949 bis 1970"
vom 20. Oktober 2012 bis 17. Februar 2013
Die Quellen, die das Wiener Hundertwasser-Archiv zur Verfügung stellt, sind bis heute fragmentarisch, ebenso wie die Aufzeichnungen des Künstlers selbst. Die Kunstgeschichte hat sich noch immer kein abschließendes Bild gemacht über den Fetischisten der organisch schwankenden Linie, den Mandala-Spiral-Maler. Noch überwiegen Vorurteile über den Autor des "Verschimmelungs-Manifests". Hier leisten Ausstellung und Katalog ein Stück Pionierarbeit. Gerade, dass der späte Hundertwasser so polemisch gegen die gerade Linie und gegen Funktionalismus und Rationalismus in der Architektur wetterte, hat sein frühes, fabulierendes und heiteres Werk geradezu verdeckt. Damals benutzte er "arme" Materialien und Fundstücke, wie Packpapier und Papierreste. Wie er Mitte der 50er-Jahre sein Schlüsselmotiv der Spirale entdeckte, als Symbol des Werdens und Vergehens, aller Schöpfung und Kreation, das kann man an den noch ganz frischen, moosgrün und türkis, feuerrot und azurblau funkelnden Bildern lebhaft nachvollziehen.
Freilich, gegen Ende der Schau kippen die farbenprächtigen Spiralen in selbstverliebten Variationen ins Grelle und Geschmäcklerische. Irgendwann in den 60ern ist aus dem Entdecker und Experimentator der Ideologe, der Guru Hundertwasser geworden.
Bisher war kaum bekannt, dass der Öko-Künstler in Jesuslatschen und selbstgezupfter Kleidung ein Miterfinder der europäischen Aktionskunst war. Wer erinnert sich, dass Hundertwasser im Advent 1959 seine "Linie von Hamburg" zeichnete? Zwei Tage und Nächte lang arbeitete er an einer sich durch sein Akademieatelier windenden Farbschlange. Nachträglich glorifizierte er sie als "Geburtsstunde der europäischen Aktionskunst". Mit von der Partie war übrigens auch der – später als Kunstbeweger und Besucherschulmeister der Documenta notorisch gewordene – Bazon Brock, damals noch sehr jung.
Jetzt kulminiert die Bremer Hundertwasser-Ausstellung in einem spektakulären Remake dieser Linie. Gemalt von Kunststudenten, zieht sie sich quer über die Wände der Großen Galerie der Kunsthalle und verwandelt den Raum in eine Art optischen Spiralwirbel. Christoph Grunenberg, seit knapp einem Jahr Kunsthallendirektor und Kurator der Schau, knüpft damit an einen der ersten Kunstskandale der Bundesrepublik an. Denn die Hamburger Kulturbehörde und der Akademiedirektor verhinderten damals, dass sich die rebellische Hundertwasser-Linie über die Gänge des Hauses, weiter in den Stadtraum bis über die Alster hinaus verlängerte. Wegen der Zensurmaßnahme gab der damals noch weitgehend unbekannte Künstler seine Gastdozentur empört ab. Zugleich begann damit aber sein rasanter Aufstieg zu einem der populärsten Künstler des 20. Jahrhunderts.
Die Bremer Ausstellung will den als geschäftstüchtigen Kitschier verschrienen Friedensreich Hundertwasser "gegen den Strich" bürsten, vielleicht sogar rehabilitieren. Allerdings gelingt dies nur halb. Sicherlich, die Werke aus den 50er- und 60er-Jahren zeigen den Künstler als Mitstreiter der Avantgarde der Westkunst, der im Windschatten des herrschenden Informel eine eigene Bildsprache entwickelte, der Österreich auf der Biennale in Venedig und auf der documenta III vertrat. Zugleich aber bestätigt die Schau auch, dass Hundertwasser zunehmend ins Abseits geriet. Schuld daran waren seine manische Suche nach Oberflächenreizen, seine Vorliebe für Buntheit und Goldbrimborium, sein geradezu fanatischer Glaube an die Heilkraft der Natur und sein gebetsmühlenhafter Kampf gegen den Rechten Winkel. Im Vergleich mit Zeitgenossen wie Yves Klein oder Niki des St. Phalles, Jean Tinguely oder Arnulf Rainer wirkt Hundertwasser heute dann doch etwas hinterwäldlerisch.
Dennoch: Der nahezu unbekannte "Frühe Hundertwasser", der jetzt in Bremen zum ersten Male vorgeführt und analysiert wird, ist eine Entdeckung – nicht nur für Experten, gerade auch für jene, die ihn bisher nur als exotischen Gartenzwergpropheten missverstanden haben.
Ausstellungsinfos:
Kunsthalle Bremen: "Friedensreich Hundertwasser. Gegen den Strich. Werke 1949 bis 1970"
vom 20. Oktober 2012 bis 17. Februar 2013