Die nationalkonservative PiS-Regierung in Warschau mag keine Kritik. Besonders allergisch reagiert sie, wenn Journalisten über die politische Gleichschaltung der polnischen Justiz schreiben. Genau das hat Wojciech Cieśla getan - im August für das polnische Wochenmagazin "Newsweek", das zum Axel-Springer-Konzern gehört. Cieśla hat sich mit einem der derzeit mächtigsten Juristen der Nationalkonservativen angelegt – Mariusz Muszyński.
Porträt über zwielichtigen Juristen
"Seinerzeit im August wurde gerade über die Neubesetzung des Höchsten Gerichts diskutiert. Auch da spielte Mariusz Muszyński eine wichtige Rolle. Deshalb dachten wir: Es lohnt sich, ihn zu porträtieren."
Der PiS-Jurist Muszyński wird in Cieślas Reportage als jemand portraitiert, der in den Grauzonen der Legalität zuhause ist. In den 1990er-Jahren ein Geheimdienstmann, der als Mitarbeiter der polnischen Botschaft in Deutschland spioniert haben soll. Cieśla beschreibt Muszyński als politischen Einpeitscher im PiS-treuen Verfassungstribunal, zeigt aber auch Facetten aus dem Privatleben seines Helden.
Reporter beleuchtet auch das zweifelhafte Privatleben
"Seine Nachbarn haben mir gegenüber darüber geklagt, dass dieser so bedeutende Richter es ablehnte, sich an den gemeinsamen Kosten für die Straßenreinigung, das Schneefegen und so weiter zu beteiligen. Dabei nannte ich auch die Straße, in der er wohnt, natürlich ohne Hausnummer. Und die Straße ist ja ziemlich lang."
Weil die Straße genannt wurde, schaltete Muszyński die Staatsanwaltschaft ein. Cieślas Artikel verletze die Privatsphäre des Verfassungsrichters. Die Staatanwaltschaft gab die Sache an die Polizei weiter, die dem Reporter daraufhin eher ungewöhnliche Fragen stellte:
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Reporter
"Ob Mariusz Muszyński die Veröffentlichung dieses Textes überhaupt genehmigt habe? Also: Der Staatsanwalt lässt über die Polizei anfragen, ob der Held meines Artikels mir erlaubt hätte, über ihn zu schreiben. Das ist schon kurios."
Ob Cieśla jemals von einem Gericht verurteilt wird, scheint fraglich. Muszyński nutzt vor allem die Strategie der Einschüchterung. Die Botschaft der Mächtigen an ihre Kritiker ist klar: Laßt uns in Ruhe.
Auch andere Journalisten im Visier des Staates
Die Anrufung der Staatsanwaltschaft gegen Wojciech Cieśla ist kein Einzelfall. Beim privaten Fernsehsender TVN ging man vor kurzem ähnlich vor. TVN-Reporter hatten in Günter-Wallraff-Manier an einer Hitler-Geburtstagsfeier polnischer Rechtsradikaler teilgenommen.
Auf den polnischen Bildschirmen erschien eine mit Hakenkreuz verzierte Geburtstagstorte. Doch statt den so dokumentierten Skandal aufzuklären, drehte die PiS-Regierung den Spieß um und verklagte die Undercover-Journalisten wegen Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda, erklärt der vielfach preisgekrönte investigative Autor Tomasz Piątek:
Mediale Aufklärung von der Regierungspartei nicht erwünscht
"Man hat das absurde und unwahre Gerücht in Umlauf gebracht, die TVN-Leute hätten das Ganze inszeniert, sich die Nazis gekauft, damit sie den Hitlergeburtstag mit Hakenkreuztorte im Wald begehen. Die bösartige Logik dahinter: Man zeigt den Journalisten, sie sollen solche Exzesse lieber nicht zeigen und nicht aufklären. Denn die Regierung ist den Neonazis in Wahrheit freundlich gesonnen. Sie sieht in ihnen ihren Nachwuchs und hofft, dass sie zukünftig der PiS ihre Stimme geben."
Große Angst vor der Wahrheit
Auch Tomasz Piątek hat einschlägige Erfahrungen mit der PiS-Regierung gemacht. Er deckte die Verbindungen ihres inzwischen ehemaligen Verteidigungsministers Antoni Macierewicz zu sowjetischen und russischen Geheimdiensten auf. 2017 setzte Macierewicz die Staatsanwaltschaft auf Piątek an, bedrohte ihn mit einer Gefängnisstrafe, bislang ohne Erfolg. Piątek sieht es so:
"Die herrschende Partei hat Angst vor der Wahrheit. Deshalb versucht sie alle zu zerstören, die diese Wahrheit sagen könnten: unabhängige Politiker, soziale Aktivisten, vor allem aber Journalisten."