Der Sprecher des polnischen Außenministeriums Artur Dmochowski betonte gegenüber dem Fernsehsender TVN24, dass es sich nicht um eine formelle Einbestellung des Botschafters handele. Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski habe nur eine "höfliche Einladung zum Gespräch" ausgesandt, so der Sprecher. Das Treffen solle am Vormittag stattfinden. Ähnlich stellen es Vertreter des deutschen Auswärtigen Amtes dar. Man erwarte ein "freundschaftliches Gespräch zwischen Partnern", heißt es dort.
Ungewöhnlich bleibt allerdings, dass die Einladung am Samstagabend schon für den darauffolgenden Montag erfolgte, von Warschau also offenbar als dringend betrachtet wird. Außerdem sorgte die polnische Regierung bewusst für Aufsehen, indem sie die Medien informierte. Gegenstand des Gesprächs sollen, Zitat, "antipolnische Aussagen" sein, die deutsche Politiker in den vergangenen Wochen getroffen hätten, sagte Ministeriumssprecher Dmochowski: "Hier geht es nicht um eine konkrete Äußerung, solche Äußerungen gab es viele. Der Standpunkt, den der Außenminister dem Botschafter übermitteln will, ist: Wir verteidigen die polnischen Interessen und auch das Image Polens. Diesem Image schaden Aussagen, die nicht mit den Tatsachen übereinstimmen."
Kritik der EU an polnischem Mediengesetz
Dabei hatte die Bundesregierung die jüngsten Vorgänge in Polen nicht kommentiert. Man solle "mit Polen, nicht über Polen" sprechen lautete die Devise im Außenministerium. Anders deutsche Politiker in Brüssel. EU-Kommissar Günther Oettinger hatte das neue polnische Mediengesetz kritisiert, das der Regierung volle Kontrolle über die öffentlichen Medien gibt. Es sei Willkür, dass der Schatzminister die führenden Personen beim öffentlichen Radio und Fernsehen nun jederzeit ohne Angabe von Gründen austauschen kann, sagte Oettinger. Der EU-Kommissar regte an, Polen deshalb unter Beobachtung zu stellen.
Noch drastischer äußerte sich der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Zuerst warf er der polnischen Regierung einen "Staatsstreich" vor, weil sie die Macht des Verfassungsgerichts stark beschnitten hatte. Nun verglich er Polen mit Russland: Die rechtskonservative Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) betreibe eine "gelenkte Demokratie nach Putins Art", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Kritik stößt in Polen auch auf Verständnis
Gegen diese Darstellung wehren sich auch andere Vertreter der polnischen Regierung. Justizminister Zbgniew Ziobro veröffentlichte einen Brief an EU-Kommissar Oettinger. Er bezog sich darin auf die Ereignisse vor dem Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht - und die Kritik an der deutschen Berichterstattung über die Vorfälle. "Ich bin zu der traurigen Erkenntnis gekommen, dass es ihnen leichter fällt, über eine eingebildete Gefahr für die Pressefreiheit in anderen Ländern zu sprechen, als die Zensur in Ihrem Heimatland anzuprangern", schrieb Ziobro
Allerdings stößt die Kritik von EU-Politikern in Polen auch auf Verständnis. Diese hätten sogar die Pflicht, sich zu äußern, sagte Adam Szlapka, Abgeordneter der liberalen Partei "Modernes Polen": "Die Europäische Union ist nichts Äußerliches oder gar unser Feind, wir sind ein Teil davon. Wenn in Deutschland etwas Beunruhigendes passiert, die Medien in einer wichtigen Sache schweigen, dann sollten wir auch heftig protestieren, denn das betrifft auch unsere Zukunft." Auch viele Polen sind beunruhigt über die Entwicklung in ihrem Land. Am Wochenende demonstrierten wieder Zigtausende Polen in insgesamt 19 Städten gegen das neue Mediengesetz, das die öffentlichen Medien dem Schatzminister unterordnet.