Die Sirenen heulten - hier vor dem Rathaus in Ruda Slaska - aber auch in vielen anderen Städten in Oberschlesien.
"Betrüger, Betrüger", riefen die Demonstranten - und meinten damit die Regierung im 300 Kilometer entfernten Warschau. Die Bergleute protestierten vor allem unter Tage und störten dort den Arbeitsablauf, manche traten sogar in den Hungerstreik. Oben zeigten ihre Familien und die Verwaltungsangestellten ihren Unmut über die Schließungspläne. So Barbara Hanas, die seit über 30 Jahren im Bergwerk "Frieden" in Ruda Slaska arbeitet.
"Die Regierung will scheinbar unsere ganze Wirtschaft hier vernichten. Die Stahlhütten sind schon dicht, jetzt macht sie sich an die Bergwerke. Von unseren Städten werden nur Ruinen übrig bleiben, weil die Menschen sich hier nicht mehr ernähren können. Es gibt hier keine andere Arbeit."
Elf Tage dauerte der Protest, am Wochenende knickte die Regierung ein. Keines der staatlichen Bergwerke soll nun geschlossen werden. Keiner der 47.000 Beschäftigten wird entlassen. Die Menschen, die in Oberschlesien auf die Straße gingen, haben sich mit ihren Schlachtrufen durchgesetzt.
Dabei hatte Ministerpräsidentin Ewa Kopacz immer wieder erklärt, vier der vierzehn staatlichen Bergwerke brächten laufend enorme Verluste. Kopacz sprach das Wort Schließung zwar nicht aus. Aber aus dem Reformprogramm der Regierung ergab sich klar: Diese vier Bergwerke sollten abgewickelt werden. In einer Ansprache an die Nation warb die Ministerpräsidentin für ihr Programm: Verluste von 50 Millionen Euro monatlich gefährdeten die staatliche Kohlegesellschaft insgesamt. Wenn nichts geschehe, stehe ihr Konkurs unmittelbar bevor, so Kopacz.
In einem Radiointerview erklärte sie nun am Wochenende, auch das neue Programm werde den polnischen Bergbau retten.
"Ich habe eines versprochen: Dass ich die Verwaltung der Bergwerke neu organisiere, dass dort Geld eingespart wird. Schließlich sind es die Bergleute, die Kohle fördern. Wir werden den Konkurs der Kohlegesellschaft abwenden."
Tatsächlich aber geht die Reform des polnischen Kohlebergbaus nun wesentlich langsamer vor sich als zunächst geplant. Und sie wird teurer, für alle Polen. Die Mitarbeiter der unrentablen Bergwerke sollen mit hohen Abfindungen gelockt werden, ihre Arbeit freiwillig aufzugeben. Sie können auch in Vorruhestand gehen - mit viel höheren Bezügen als andere Angestellte. Die Kosten dafür tragen also der Steuerzahler und die Mitglieder der staatlichen Rentenkasse. Dabei ist noch völlig unklar, ob die Bergwerke so tatsächlich wieder auf die Beine kommen.
Artur Bartoszewicz, Experte der Warschauer Wirtschaftuniversität SGH, hat Zweifel.
"Die Ministerpräsidenten hat für eine bestimmte Zeit den gesellschaftlichen Frieden gekauft. Ich habe den Eindruck, weder die Regierung noch die Gewerkschaften wissen, wie es nun mit den verlustreichen Bergwerken weitergehen soll. Das gefährdet die Wirtschaft nicht nur in Oberschlesien, sondern in ganz Polen."
Im Kompromiss zwischen Regierung und Gewerkschaften heißt es auch, einige der Bergwerke sollen verkauft werden. An wen, ist noch unbekannt. Regierungsvertreter verweisen auf staatliche Stromproduzenten als mögliche Käufer. Die Verluste aus der Kohleförderung würden dann in deren Bilanzen verschwinden, fürchten Experten.
Bedeutet die gegenwärtige Krise den Anfang vom Ende der Steinekohleförderung in Oberschlesien? Nein, sagen die meisten Fachleute, so auch Andrzej Sadowski vom Adam Smith-Zentrum in Warschau.
"Wir haben das Beispiel des Bergwerks Silesia. Seit der Staat sich aus diesem Unternehmen zurückgezogen hat, beschäftigt es mehr Menschen als früher und ist wieder rentabel. Die Regierung kann die Bergwerke einfach nicht richtig führen. Sie bringt nur immer wieder Parteifreunde auf lukrative Posten in den Aufsichtsräten."
Aber an eine umfassende Privatisierung wird sich Ministerpräsident Ewa Kopacz in diesem Jahr wohl kaum wagen. Sie will ihr Amt nach der Parlamentswahl im Herbst behalten - und hat nun schon einmal gezeigt, dass sie dafür Konflikten lieber aus dem Weg geht.