Jahrzehnte lang stand die Gedenkstätte des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau außerhalb jeder Kritik. Seitdem das sogenannte Holocaustgesetz in Kraft ist, wird der Chef angefeindet, denn er verschweige angeblich absichtlich den polnischen Widerstand im Lager, so hier der Drahtzieher der Kampagne, der Journalist Witold Gadowski. Über 8.000 Mal wurde sein Beitrag angeklickt und wohlwollend kommentiert.
Solidarität für die Gedenkstätte kommt von Adam Bodnar, dem polnischen Ombudsmann für Menschenrechte und von Christoph Heubner, dem Vizepräsidenten des Internationalen Auschwitz-Komitees.
"Irgendein Durchgeknallter setzt sich vor eine Videokamera und stellt dem Direktor der Gedenkstätte ein 14-tägiges Ultimatum. Er ist so intrigant und niederträchtig, dass er gleichzeitig sagt: 'Ich habe meine Zuträger im Museum, ich weiß jeden deiner Schritte und ich werde dich kriegen'. Das ist eine Atmosphäre, die so unwürdig ist für die Größe der polnischen Nation. Das ist völlig inakzeptabel."
Gefährdung des polnisch-jüdischen Verhältnisses
Der Auschwitz-Gedenkstätte ist ihr Erfolg zum Verhängnis geworden. Das meistbesuchte Museum Polens hat wesentlich zum Wissen über den Holocaust beigetragen. Polnische Nationalisten monieren, dass das Leiden der Polen unter den Nazis weniger bekannt ist und wollen, dass die polnische Opfer, vor allem aber polnischen Heldentaten in der Geschichte stärker ins Bewusstsein gerückt werden.
Bei einem Treffen in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Oswiecim tauschten sich Historiker, Museumsmitarbeitern und Vertreten der jüdischen Gemeinde über jüngste Störmanöver aus. Piotr Wislicki vom jüdischen Museum POLIN in Warschau berichtete von den Anfeindungen gegen die kürzlich eröffnete Ausstellung über die Studentenunruhen 1968, nach denen die Kommunisten rund 13.000 Juden aus Polen auswiesen. Die neue antisemitische Stimmung gefährde das ohnehin fragile polnisch-jüdische Verhältnis.
"20 oder 30 Jahre führen wir diesen jüdisch-polnischen Dialog und in zwei Monaten haben sie geschafft, diesen Dialog zu zerstören. Natürlich können wir das wieder reparieren, doch das jetzt wieder neu in die Köpfe zu bekommen, wird dauern."
Kritik von Auschwitz-Überlebender
Mit dem sogenannten Holocaust-Gesetz soll bestraft werden, wer im In- oder Ausland fälschlicherweise von den polnischen Lagern spricht, ein verständliches Anliegen. Doch die polnische Regierung will künftig die dunklen Kapitel der Geschichte aussparen, das hat Proteste ausgelöst. Den Auschwitz-Überlebende Marian Turski ekelt ein solcher Umgang mit der eigenen Geschichte an.
"Mir tut es wirklich leid, so etwas zu sagen, aber mich erinnert diese Politik heute in Polen an die deutsche Losung: Deutschland erwache! Wir sollen stolz sein auf unsere Nation, aber niemals zugeben, wenn wir etwa Inkorrektes, Schlechtes getan haben oder gar Verbrehen verübt haben. Es ist ein Wert an sich, auch so etwas zugeben zu können."
Es ist der Alleinvertretungsanspruch der Regierung, zu definieren, was heute zur polnischen Geschichte gehören soll, der Turksi stört. Und auch Agnieszka Makiewicz vom American Jewish Committe in Warschau.
"Wenn mehr Polen akzeptieren würden, dass unsere Landsleute Gräueltaten an Juden verübt haben, und dass es gleichzeitig polnisches Leid und Heldentum gab, dann wären wir heute woanders. Die internationale Debatte ist eine Reaktion auf unsere Diskussion hier bei uns. Zu der Enttäuschung heute gehört auch, dass es zwar durchaus Diskussionen gab, zum Beispiel über die Verbrechen in Jedwabne, aber sie haben doch zu wenig verändert."
"Auschwitz ist nicht vom Himmel gefallen"
Den neuen Antisemitismus sieht Marian Turski, der vor Auschwitz im Ghetto von Litzmannstadt war, in einer Linie mit der Weigerung der polnischen Regierung, Flüchtlinge aufzunehmen. Eine ihrer Begründungen hatte gelautet, dass die Fremden Krankheitserreger mitbrächten.
"Auschwitz ist nicht vom Himmel gefallen, das war ein Prozess, der dorthin geführt hat. Erst beginnt man einem Fünfjährigen beizubringen, wie man eine Katze töten kann, dann, dass solche wie ich, Juden, Würmer oder Ungeziefer sind. Damals war es der Jude, heute ist es der Araber, morgen vielleicht der Türke, der Afrikaner und hier findet eine gewisse Art der Betäubung statt. Daran gewöhnen sich sowohl die Opfer, als auch die Henker und die Zeugen."
Der Journalist Marian Turksi schreibt mit seinen 92 Jahren immer noch für das "Polityka"-Magazin und vergleicht die Einflussnahme der heutigen Regierung auf die Museumslandschaft und Geschichtsvermittlung mit den Kommunisten und deren Antisemitismus vor 50 Jahren.
"Noch haben wir Presse- und Meinungsfreiheit. Das wichtigste 1968 war, dass wir total allein auf weiter Flur standen. Heute werden wir von so vielen guten Leuten unterstützt, die gegen Antisemitismus vorgehen."