Wieder einmal war es nicht die Regierung, die formal das Gesetz ins Parlament einbrachte, sondern Abgeordnete der rechtskonservativen Regierungspartei PiS. Durch diesen Schachzug fällt die öffentliche Debatte über ein Gesetz wesentlich kürzer aus, so auch bei den geplanten Änderungen am Wahlrecht, die der PiS-Abgeordnete Lukasz Schreiber im Sejm vorstellte:
"Bei der Kommunalwahl 2014 hat sich unser Land vor der ganzen Welt blamiert. Sechs Tage lange mussten wir auf das Endergebnis der Wahlen warten. Letztendlich wurden 18 Prozent der Stimmen als ungültig gewertet. Experten haben damals geurteilt, die Ergebnisse der Nachwahlbefragungen hätten mehr Legitimation gehabt als die amtlichen Endergebnisse."
Aus dem damaligen Chaos leiten die Abgeordneten der PiS einige Änderungen ab, die den Wahlvorgang transparenter machen sollen - schon bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr. So sollen die Vorgänge in den Wahllokalen, mit Ausnahme der Stimmabgabe, live im Internet übertragen werden. Außerdem soll es künftig zwei Wahlkommissionen geben - eine, die den Wahlvorgang beobachtet, und eine andere für die Auszählung der Stimmen. Im Anschluss werden die Protokolle aller Wahlkommissionen im Internet veröffentlicht.
Auch Kritiker der Regierung loben einige dieser Neuerungen, so der Warschauer Soziologe Jacek Raciborski:
"Es gibt hier eine Lösung, die ich für richtig halte: Bürgermeister und Gemeindevorsitzende sollen nur noch zwei Amtszeiten bekleiden können. Denn, wenn sie lange im Amt sind, bilden sie in den Kommunen Seilschaften aus Bekannten und Familienangehörigen. Das ist nicht gut, hier brauchen wir mehr Konkurrenz."
Kritik am proportionalen Wahlrecht
(*) Andere Regelungen jedoch stoßen auf heftigen Protest. So wird es auch in kleinen Gemeinden mit bis zu 20.000 Einwohnern künftig ein proportionales Wahlrecht geben. Bisher wurden die Abgeordneten im Gemeinderat dort durch eine Mehrheitswahl bestimmt. Jacek Raciborski:
"Das proportionale Wahlrecht, das Parteilisten voraussetzt, ist in solchen Gemeinden völlig künstlich. Es führt dazu, dass auch dort die landesweit organisierten Parteien das Sagen haben werden - vor allem die Regierungspartei, eventuell noch eine große Oppositionspartei. Nur sie haben die entsprechenden Mitarbeiter, um Listen zu erstellen, Unterschriften zu sammeln und so weiter."
Zuschnitt der Wahlkreise wird sich verändern
Mit anderen Worten: Nach Ansicht des Soziologen werde die Regierungspartei ihre Macht so auf lokaler Ebene ausweiten.
Noch gravierender: Künftig sollen sogenannte Kommissare erheblichen Einfluss auf die Organisation der Wahlen erhalten. Für alle Landkreise und Regierungsbezirke wird die Staatliche Wahlkommission jeweils einen Kommissar ernennen. Dieser ist dann unter anderem für den Zuschnitt der Wahlkreise zuständig - bisher lag das in der Kompetenz der Gemeinden selber. Die Opposition befürchtet: Die Kommissare könnten Hinweisen der Regierung folgen und die Wahlkreise so einteilen, dass es der Partei PiS nutzt. Zumal bis zur Wahl im kommenden Jahr viel zu wenig Zeit bleibe, um die Neuerungen in Ruhe umzusetzen, meint Mikolaj Czesnik von der regierungskritischen Batory-Stiftung:
"Wenn wir fünf vor zwölf so weitgehende Änderungen einführen, dann kann das in einem großen Chaos enden, viel schlimmer als das von 2014. Was dann? Entsendet die Regierung dann in jede Gemeinde einen Kommissar, der dort die Amtsgeschäfte übernimmt? In so einem Land wollen wir sicher nicht leben."
Die Regierungspartei PiS weist solche Unterstellungen weit von sich, es gehe ihr einzig und allein um faire Wahlen.
(*) Anmerkung der Redaktion: Der Autor des Beitrags, Florian Kellermann, weist uns auf eine aktuelle Entwicklung hin, die erst nach der Ausstrahlung des Beitrags bekannt wurde und die wir an dieser Stelle ergänzen. Die PiS, so Kellermann, zieht die umstrittensten Regelungen im Wahlgesetz zurück. Die Kommissare sollen die Wahlkreise nicht neu ordnen, und in Gemeinden unter 20.000 Einwohnern soll nicht proportional gewählt werden, sagte Marcin Horala, Abgeordneter der PiS, heute im Sejm.