Die Zweifel daran, dass die Wahl am Sonntag stattfindet, werden immer größer. Der Minister für Staatsunternehmen Jacek Sasin räumte heute morgen im polnischen Radio Zet ein, der Termin sei schwer zu halten. Sasin ist bei der rechtskonservativen Regierungspartei PiS maßgeblich mit der Organisation der Wahl beauftragt. Nun erklärte er: "Das Datum 10. Mai ist schon deshalb schwer zu halten, weil die Wahlunterlagen eine Woche vorher bei den Wahlberechtigten eintreffen müssten. Das wäre heute. Aber wir konnten sie nicht zustellen lassen, weil das neue Wahlgesetz noch nicht verabschiedet ist. Dafür ist die Opposition verantwortlich, die im eigenen Interesse handelt, nicht im Staatsinteresse."
Wegen Corona eine reine Briefwahl
Die Regierung der rechtskonervativen Partei PiS will die Wahl wegen der Corona-Krise nämlich als reine Briefwahl abhalten. Dafür änderte sie im Eilverfahren das Wahlgesetz. Doch das Oberhaus des Parlaments, der Senat, nahm sich Zeit für eine umfassende Beratung des Gesetzes. Im Senat ist die Opposition in der Mehrheit. Erst am Donnerstag kehrt das Gesetz ins Unterhaus, den Sejm zurück, und kann abschließend beschlossen werden.
Laut Sasin könne die Wahl nun um eine Woche oder um zwei Wochen verschoben werden. Allerdings ist selbst das höchst unsicher. Denn auch innerhalb des Regierungslagers gibt es Protest gegen eine im Eiltempo organisierte Briefwahl. Die Abgeordneten der Partei "Einigung", die bisher zur PiS-Fraktion gehören, könnten am Donnerstag gegen das neue Wahlgesetz stimmen. Das hätte weitreichende Folgen für die Regierung, so Minister Jacek Sasin heute: "Wenn Abgeordnete gegen das Gesetz stimmen, dann sind sie nicht mehr Teil der Regierungsfraktion. In so einer zentralen Frage ist eine Abweichung vom Standpunkt der Fraktion nicht hinnehmbar. Das muss jedem Abgeordneten klar sein, wenn er sein Gewissen befragt."
Ein Gesetzt mit Sprengkraft
Mit anderen Worten: An diesem Gesetz könnte die Regierungsmehrheit im Parlament zerbrechen. Viele namhafte Juristen halten die Wahl unter den gegebenen Umständen für nicht gesetzeskonform. Das gilt ihrer Ansicht nach schon deshalb, weil es wegen der Corona-Krise praktisch keinen Wahlkampf gab. Die Oppositionskandidaten hatten keine Chance, Wähler für sich zu gewinnen, sie konnten nicht reisen und nicht auftreten. Der amtierende Präsident Andrzej Duda, der Kandidat der Regierung dagegen, konnte sich als Kämpfer gegen das Virus an vorderster Front in Szene setzen.
Krystian Markiewicz, der Vorsitzende der Richtervereinigung Iustitia erklärte am Wochenende: "Niemand, der vernünftig ist, kann glauben, dass dies Wahlen allgemein, gleich, direkt und geheim sein werden, wie es die Verfassung vorsieht. Die Regierung wird diese Wahlen nicht auf der Grundlage unseres Grundgesetzes durchführen."
Einen Appell, die Wahl zu verschieben, unterschrieben deshalb 425 Dozenten an juristischen Fakultäten. Sie erklären damit auch: Die Wahl würde, wenn sie stattfindet, juristisch anfechtbar sein. Das könnte nach Ansicht von Experten zu einem rechtlichen Chaos führen.