Ein Kongress im altehrwürdigen Gebäude des Landesjustizrats in Warschau: Richter und Rechtswissenschaftler haben sich getroffen. Sie wollen abklären, was im Land vor sich geht. Denn das Tempo, mit dem die Regierung auch die Justiz umkrempelt, ist ihnen fremd. Ryszard Piotrowski, Dozent an der Universität Warschau, wirkt ehrlich erschüttert:
"Plötzlich zeigt sich, wie brüchig unsere Welt ist. Alles, was ist, dreht sich in sein Gegenteil. Die Reflexion darüber hat gefehlt - und daran sind auch wir Juristen schuld. Die Unabhängigkeit der Justiz ist nun mal ständig der Gefahr ausgesetzt, einfach ignoriert zu werden. Sie widerspricht der Natur der Staatsmacht, die ständig nach Expansion strebt."
Justizminister soll wieder Generalstaatsanwalt werden
Damit meint Piotrowski nicht nur den Streit um das polnische Verfassungsgericht. Die rechtskonservative Regierung plant längst verschiedene Veränderungen, die auch die gewöhnliche Gerichtsbarkeit betreffen. Das wichtigste Vorhaben: Der Justizminister soll wieder in Personalunion auch als Generalstaatsanwalt amtieren.
So war es in Polen schon einmal bis 2009, dann allerdings trennte die damals von der rechtsliberalen Partei Bürgerplattform gestellte Regierung die beiden Ämter. Dies rückgängig zu machen, sei ein großer Fehler, meint Richter Waldemar Zurek, Sprecher des Landesjustizrats:
"Bei uns in Polen hat sich dieses System - zwei Ämter, eine Person - nicht bewährt. Die Versuchung ist zu stark, dass der Minister konkrete Ermittlungen steuern wird. Das befürchten wir. Polen ist für so ein System nicht reif, unsere Politiker engagieren sich persönlich in Strafverfahren - und das ist nicht gut."
Die Besorgnisse hängen auch mit der Person des Justizministers zusammen. Zbigniew Ziobro hatte dieses Amt schon vor zehn Jahren inne, als die PiS zum ersten Mal an der Regierung war. Und auch damals schon übte er beide Posten gleichzeitig aus: Justizminister und Generalstaatsanwalt.
Für Aufsehen sorgten damals die Ermittlungen gegen die Politikerin Barbara Blida von der linksgerichteten Partei SLD, die man der der Korruption verdächtigt hatte. An einem frühen Morgen wollte der Inlandsgeheimdienst Blida in ihrem Haus festnehmen vor laufenden Kameras.
Ermittlungen gegen unliebsame Politiker
Die Politikerin erschoss sich aber vor ihrer Festnahme auf der Toilette ihres Hauses. Die Aktion endete damit als Fehlschlag: Denn mit Blidas angestrebter Verurteilung hatte die PiS nachweisen wollen, dass alte Seilschaften aus kommunistischer Zeit tatsächlich, wie sie behauptet, immer noch am Ruder seien.
Nun gehe es ihm wieder darum, Affären aufzuarbeiten, diesmal jedoch aus der Zeit der Vorgängerregierung, kündigt Zbigniew Ziobro an:
"Wir haben in den vergangenen Jahren die Vorgängerregierung beobachtet. Ministerpräsident Tusk und Ministerpräsidentin Kopacz haben ihre Hände in Unschuld gewaschen, wenn die Staatsanwaltschaft Verfahren eingestellt hat, wenn die Menschen empört über Entscheidungen der Justiz waren. Wir können da nichts machen, hieß es aus der Regierung. Wir dagegen wollen Verantwortung übernehmen. Und wir wollen realen, praktischen Einfluss."
Als Paradebeispiel für die angebliche Unfähigkeit der Justiz nennt Ziobro das ehemalige Finanzdienstleistungsunternehmen Amber Gold. Es versprach Anlegern hohe Renditen, tatsächlich aber handelte es sich um ein Schneeballsystem, die Anleger wurden betrogen. Der Staatsanwaltschaft warfen viele vor, sie habe viel zu spät eingegriffen. Inzwischen steht der Gründer von Amber Gold unter Anklage, ein Urteil gibt es noch nicht.
Auch Richter stehen mehr unter Druck
Doch nicht nur Staatsanwälten könnte bald mehr Druck drohen, sondern auch Richtern, befürchtet Waldemar Zurek vom Landesjustizrat.
"Es gibt einen sehr beunruhigenden Absatz im neuen Gesetz zur Staatsanwaltschaft. Eine Spezialeinheit soll damit betraut werden, gegen Staatsanwälte und Richter zu ermitteln und sie anzuklagen. Das könnte eine Gruppe von Ermittlern werden, die der Regierung nahe stehen - eine Drohgebärde gegenüber Staatsanwälten und Richtern, die unabhängig denken wollen."
Doch auch das sieht Justizminister Ziobro ganz anders: Es sei notwendig, dass die Juristen im Staatsdienst fleißiger und nach höheren ethischen Standards arbeiten, erklärte er im Parlament. Korrupte Richter, fügte er hinzu, müssten sich zudem auf höhere Strafen gefasst machen.