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Polen
Schwieriges Asylverfahren für Tschetschenen

Die Zahl der Asylsuchenden aus der russischen Föderation ist in den letzten Monaten gestiegen. Die meisten von ihnen kommen aus der Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus. Denn das Regime des vom Kreml installierten Machthabers Ramsan Kadyrow verfolgt Oppositionelle weit über die Grenzen der eigenen Republik hinaus. Viele Flüchtlinge suchen Schutz in Polen.

Von Florian Kellermann |
    Ramsan Kadyrow, Chef der russischen Teilrepublik Tschetschenien.
    Ramsan Kadyrow, Chef der russischen Teilrepublik Tschetschenien. (picture alliance / Ria Novosti / Said Tcarnaev)
    Vor drei Jahren ist Mamed nach Polen geflohen. Der junge Mann hatte sich bei der russischen Präsidentenwahl für einen Oppositionskandidaten engagiert, in seiner Heimat Tschetschenien:
    "Die tschetschenischen Machthaber haben eine Liste mit unerwünschten Personen, auf der ich auch stehe. Deshalb kann ich dorthin nicht zurückkehren. Wenn ich es doch täte, würden sie mich umbringen - oder mir zumindest so zusetzen, dass ich kein Mensch mehr wäre."

    Zunächst versuchte Mamed, in anderen Teilen der Russischen Föderation Unterschlupf zu finden. Er reiste bis nach Wladiwostok, ganz im Osten. Doch überall holte ihn die Staatsmacht ein, ihm drohte die Verhaftung. Schließlich kam er über Weißrussland nach Polen.
    Mamed hat Asyl bekommen. Aber viele, die heute aus Tschetschenien fliehen, würden in Polen abgelehnt, sagt Jacek Bialas von der Helsinki-Stiftung für Menschenrechte:
    "Seit in Tschetschenien kein Krieg mehr herrscht, gewähren die polnischen Behörden nur noch ein paar Dutzend Tschetschenen pro Jahr Schutz. Wir halten viel mehr Flüchtlinge von dort für schutzwürdig. Vor Kurzem ist ein Tschetschene, der aus Polen abgeschoben wurde, spurlos verschwunden - kurz, nachdem er die Grenze überquert hatte."
    Seit den 1990er-Jahren sind etwa 90.000 Tschetschenen nach Polen geflohen, doch nur wenige blieben dort. Die meisten reisen sofort weiter Richtung Westen. Dass in Polen so wenige Asyl bekommen, ist ein Grund dafür. Weitere Gründe sind Verwandte im Westen und bessere Chancen, dort einen Arbeitsplatz zu finden. Auch Mamed fuhr zuerst zu seiner Tante nach Belgien und musste nach Polen zurückkehren. Nicht bei ihm, aber bei anderen nähmen die polnischen Behörden die Weiterreise als zusätzlichen Grund, ihren Asylantrag abzulehnen.
    "Im Ablehnungsbescheid heißt es dann, die Person suche offenbar gar keinen politischen Schutz, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen weiterreisen. Aber diese Menschen können wirklich nicht nach Tschetschenien zurückkehren und flüchten, bevor sie abgeschoben werden, wieder aus Polen Richtung Westen. Ich kenne Menschen, die fünfmal hierher zurückgebracht wurden und wieder abgehauen sind."
    Informationen aus Deutschland, dass über Polen auch tschetschenische Islamisten in die EU einreisen, können weder Mamed noch Hilfsorganisationen bestätigen. Die polnischen Geheimdienste allerdings kennen solche Fälle. Sie haben wiederholt darüber informiert, dass unter den Tschetschenen, die für den sogenannten Islamischen Staat kämpfen, sich einige zeitweise auch in Polen aufgehalten haben.
    Polen reagieren mit Unverständnis auf deutsche Debatte
    Dass nicht alle Tschetschenen, die nach Polen kommen, Flüchtlinge sind, räumt auch Mamed ein.
    "Es gibt unter ihnen solche, die von Russland gezielt eingeschleust werden. Das sind in der Regel Anhänger des Putin-treuen tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadyrow. Sie sollen Unruhe unter den tschetschenischen Flüchtlingen stiften oder bestimmte unter ihnen verfolgen. Darüber sprechen alle Tschetschenen hier."
    Dass die Debatte über tschetschenische Flüchtlinge in Deutschland gerade jetzt geführt wird , stößt in Polen allerdings auf Unverständnis. Deren Zahl sei zwar leicht gestiegen, heißt es. Aber sie machten nur einen Bruchteil der Flüchtlinge aus, die insgesamt nach Deutschland kämen. Der polnische Innenminister Mariusz Blaszczak warf Berlin Inkonsequenz vor. Über eine Million Flüchtlinge aus dem Nahen Osten schicke Deutschland nicht zurück in die Länder, über die sie in die EU einreisten. Dagegen betone es nun bei den wenigen Tausend russischen Staatsbürgern, dass diese unbedingt nach Polen zurückkehren müssten.
    Polnische Beobachter vermuten darin vor allem einen Seitenhieb gegen Warschau, so Garik Grigorjan, Sprecher der polnischen Flüchtlings-Hilfsorganisation "Ocalenie":
    "Die polnische Regierung weigert sich, Flüchtlinge aus dem Nahen Osten aufzunehmen. Sie will nicht einmal die 7.000 Menschen akzeptieren, auf die sich die Vorgängerregierung mit Brüssel geeinigt hatte - eine zugegebenermaßen lächerliche Zahl. Die Debatte über die Tschetschenen führt die deutsche Regierung wahrscheinlich deshalb, weil sie schlicht und ergreifend sauer ist auf Polen."
    Die Leidtragenden seien die Flüchtlinge, meint Grigorjan. Tschetschenen müssten sich nun in Deutschland als Flüchtlinge zweiter Klasse fühlen.