Während andere Länder verstärkt auf regenerative Energien setzen, wird in Polen bislang 90 Prozent des Stroms aus Kohle produziert - und das soll auch so bleiben. Steinkohle, Braunkohle und bald auch Schiefergas sei die Zukunft der polnischen Energiepolitik, findet die Regierung in Warschau.
Über 100.000 Bergmänner fahren in Polen jeden Tag in einen Schacht ein. In Lubelski im Südosten des Landes fördern rund 4800 Kumpel Steinkohle aus rund 1000 Metern Tiefe. Bei einer Arbeitslosigkeit von 13 Prozent, und in dieser Region gar von 17 Prozent, wagt es kein Politiker, den Ausstieg aus der Kohle vorzuschlagen. Wer in der Bogdanka-Grube angestellt ist, wie Konrad Klysiak, schätzt sich glücklich. 31 Jahre ist er, Elektriker unter Tage:
"Die Arbeitsbedingungen sind, wie sie sind: Es ist heiß, staubig. Der Verdienst ist nicht schlecht, man kann davon leben. Die Arbeit ist gefährlich und schwer. Man muss sie lieben. Ich mag sie. Sie spannend, sie setzt jede Menge Adrenalin frei, man muss immer aufpassen.“"
"Ich überwache den Abbau", sagt der Steiger Zbigniew Hyrza. Es dürfen nicht zu viele Steine dabei sein, es geht um die Reinheit des Abbaus. Über 90 Prozent der elektrischen Energie wird in Polen aus Kohle produziert, je zur Hälfte aus Stein- beziehungsweise Braunkohle.
Auch wenn die Weltgemeinschaft erst 2015 in Paris neue Klimaschutzziele verkündet, sollen doch schon in Warschau die Länder vorschlagen, was sie über ihr jetziges Engagement hinaus tun wollen. Nichts, wozu wir uns nicht schon verpflichtet haben, erklärt der polnische Umweltminister Marcin Korolec:
"Wenn andere europäische Staaten ihre Emissionen, so wie wir, auch um 32 Prozent reduziert hätten, - bei einem gleichzeitigen Wirtschaftswachstum von 200 Prozent seit den 90er-Jahren – dann wären wir heute woanders."
Tusk: Polen bleibt Kohle-Land
Diese Zahlen waren allerdings nur wegen des Zusammenbruchs der Wirtschaft möglich, die zu sozialistischen Zeiten vor allem von der Schwerindustrie geprägt war. Jeder dritte Betrieb machte dicht. Auch Bergwerke, doch von denen nur die unrentabelsten. Polen bleibt Kohle-Land, machte Premier Donald Tusk schon Wochen vor der Klimakonferenz klar:
"Für uns ist weiterhin die Kohle am wichtigsten: Steinkohle, Braunkohle und bald auch Schiefergas. Das ist die Zukunft der polnischen Energiepolitik."
Ein Klimagipfel, schon zum zweiten Mal, ausgerechnet in Polen, Umweltaktivisten schütteln den Kopf. Im Land selbst jedoch herrscht in diesem Punkt ausnahmsweise Einigkeit: Hände weg von unserer Kohle!
Im Bergwerk Bogdanka bei Lublin trifft die Position der polnischen Regierung auf Wohlgefallen. Solange Warschau an der billigen Kohle festhält, kann Direktor Zbigniew Stopa planen. Er hat nichts gegen die CO2-Reduktion, nur fühlt er sich nicht angesprochen:
"Alle glauben, dass die Einstellung der Kohleproduktion die Welt vom Kohlendioxid erlösen wird. Aber Emissionen kann man auch durch modernere Kraftwerke reduzieren. Um rund 20 Prozent. Europa muss gegenüber China und den USA konkurrenzfähig sein und dort wird das CO2-Problem ganz anders als hier betrachtet."
Das sieht auch Polens Umweltminister Korolec so. Für ihn sind die USA in vielerlei Hinsicht Vorbild, auch beim Klimaschutz. Polen hofft auf einen Schiefergas-Boom wie dort. Marcin Korolec:
"Die USA haben durch die Nutzung des Schiefergases doppelt so viele Emissionen reduziert, als uns das durch die europäische Klimapolitik möglich war. Ich wünsche mir, dass uns zumindest ein Prozent des großen amerikanischen Erfolges beschieden sein wird, denn das Schiefergas wäre großartig für die Entwicklung der Wirtschaft, Konkurrenzfähigkeit und für die Reduktion der Emissionen."
Erd- oder auch Schiefergas, alternative Energien und Atomkraft verdrängen - solange sie deutlich teurer sind - die Kohle nicht so bald. Allerdings geht es jetzt den Öfen an den Kragen.
Krakaus Feinstaubbelastung so hoch wie London
Jedes Jahr mit Beginn der Heizsaison wird in vielen Städten der Himmel trüb. In Krakau zum Beispiel. Letztes Jahr überschritt die Luftverschmutzung die zulässigen Höchstwerte jeden Tag um das Sechsfache. Polens schönste Stadt ist zugleich die schmutzigste.
Krakaus Feinstaubbelastung ist so hoch wie in der 8-Millionen-Einwohner-Stadt London. Dabei leben in der alten polnischen Hauptstadt keine 800.000 Menschen. Alle Wohnhäuser werden dezentral mit Kohle geheizt. Die Einwohner haben genug von der Luftverschmutzung.
"Statistisch entspricht das, was ein Krakauer im Jahr einatmet etwa 2500 Zigaretten. Ein Londoner dagegen bekommt nur das Gift von 25 Zigaretten im Jahr ab."
Sagt der Aktivist Andrzej Gula.
Die Regierung in Warschau will per Gesetz Kohleöfen in besonders belasteten Regionen verbieten. Allerdings nur, wenn sie Wohnhäuser beheizen. Die Industrie darf weiter Kohle nutzen, da die Kraftwerke meist mit Filtern ausgestattet seien.
Polens Super-Dreckschleuder steht in Belchatow. Es ist das größte Braunkohlekraftwerk der Welt und damit Europas schlimmster CO2-Produzent. Über die Hälfte der polnischen Kraftwerke sind älter als 30 Jahre, müssen laut EU-Auflagen in den nächsten Jahren stillgelegt werden. In zwei Jahren können sich spürbare Versorgungslücken auftun, doch nur vorübergehend, bis die neuen Kohlekraftwerke fertig sind.
Bislang wurde noch jeder polnische Umweltminister vor allem dann zu Hause gefeiert, wenn er neue Reduktionsziele für Polen verhindert hat. Der Ökologe Marek Kryda aus Danzig kritisiert, dass die EU-Partner von Warschau zu wenig fordern:
"Die ehandelt Polen wie ein rohes Ei. Die polnische Energiepolitik ist kurzsichtig, wir schneiden uns ins eigene Fleisch."