Die Baustelle liegt an einer dicht befahrenen Straße. Hier entstehe eine Oase, heißt es auf den Werbetafeln - die Wohnsiedlung "Oase Wilanow". Auch auf der anderen Straßenseite ragen die Kräne in den Himmel. Der Stadtteil Wilanow im Süden von Warschau wächst und wächst - Wohnungen mit gehobenem Standard, wie der Pressesprecher der Baufirma Atal, Pawel Rabanek, sagt.
"Insgesamt werden das 456 Wohnungen. Die Wohnungen der ersten Bauetappe sind praktisch schon alle verkauft. Die Investition ist sehr gut gelegen und bietet viele Annehmlichkeiten. Sie wird über ein Basketballfeld, ein Fußballfeld und eine Laufbahn verfügen."
Trotzdem hat das Projekt keine gute Presse. Der Grund sind Arbeiter aus Nordkorea, die auf der Baustelle beschäftigt sind. Polnische Medien bezeichnen sie als "Arbeitssklaven". Von der Straße aus ist hinter dem Bauzaun einer von ihnen zu sehen, der sich gerade mit einem Stemmeisen an der Deckenkonstruktion zu schaffen macht.
Auch die Nachbarn hätten von den Bauarbeitern aus Fernost erfahren, erzählt ein Mann, der aus einem Haus gegenüber kommt:
"Ich würde mir schon überlegen, ob ich mir so eine Wohnung kaufe, wenn diese Arbeiter tatsächlich ausgebeutet werden, wie ich gehört habe. Anders sieht es natürlich aus, wenn sie einen guten Lohn bekommen."
Vorwurf: Baufirmen unterstützen Regime in Nordkorea
Polnische Menschenrechtsorganisationen bezweifeln das. Sie vermuten, dass die Arbeiter einen Großteil ihres Gehalts gar nicht ausgezahlt bekommen, sondern an den nordkoreanischen Staat abgeben müssen. Damit, so der Vorwurf, unterstützten die polnischen Baufirmen das diktatorische Regime von Kim Jong-un.
Jacek Bialas von der polnischen Helsinki-Stiftung für Menschenrechte:
"Nordkorea ist ein spezieller Staat. Ich gehe davon aus, dass ein einfacher Bürger nicht die Möglichkeit hat, selbstständig nach Polen zu kommen und zu arbeiten. An so einer Prozedur ist der dortige Staat sicher beteiligt. Wenn es nun so ist, dass so ein Arbeiter nur einen Bruchteil seines Lohns auch wirklich bekommt, dann ist das mit seiner Arbeitserlaubnis nicht vereinbar."
Genau das ist aber schwer herauszufinden. Gegen 18.30 Uhr machen die Arbeiter, etwa 40, Feierabend und sammeln sich an der Einfahrt zur Baustelle. Ein alter, roter Bus holt sie ab und fährt mit ihnen stadtauswärts. Zwei der Arbeiter kommen später und gehen zur Bushaltestelle. Der Versuch, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, scheitert. Sie sprechen weder Polnisch noch Russisch noch Englisch.
"Besseres Essen als im Asia-Imbiss"
Pawel Rabanek, Sprecher der Immobilienfirma Atal, hält den Vorwurf der Sklavenarbeit ohnehin für, so wörtlich: Blödsinn:
"Sie haben einen eigenen Koch und bekommen tägliches warmes Essen auf die Baustelle geliefert. Andere Bauarbeiter haben festgestellt, dass dieses Essen viel besser ist als das, was man bei uns im Asia-Imbiss kaufen kann. Die Arbeitsinspektion prüft zudem, ob die Nordkoreaner auch den Normen entsprechend arbeiten. Alle Kontrollen waren bisher positiv für uns."
Doch eine vollständige Kontrolle ist gar nicht möglich. Ein Subunternehmer von Atal zahlt den Lohn für die Arbeiter an einen weiteren Subunternehmer - eine Baufirma aus Pjönjang. Deren Verträge mit den Arbeitnehmern unterliegen nordkoreanischem Recht, wie die Arbeitsinspektion in ihrem jüngsten Bericht feststellte. Dort heißt es: "Der koreanische Arbeitgeber hat nicht die Pflicht, seine Dokumentation so zu führen, wie es für polnische Firmen verpflichtend ist."
Immobilienfirma hält an Zusammenarbeit fest
Menschenrechtsorganisationen betonen, das selbst Überweisungen auf angebliche Privatkonten in Nordkorea wenig aussagen: Niemand könne überprüfen, wer dort auf die Konten Zugriff hat.
Atal will trotzdem und trotz der schlechten Presse an der Zusammenarbeit mit Nordkorea festhalten:
"Die nordkoreanische Firma garantiert, dass sie die gestellten Aufgaben solide ausführt. Das sind Fachleute, die ihre Arbeit stets pünktlich erledigen. Wir haben gute Erfahrungen gemacht, warum sollten wir also etwas ändern."