Der Bürgermeister führt in einen Park vor dem Rathaus. Einwohner haben Kerzen an einem Denkmal abgestellt - für die Opfer von Massakern vor über 70 Jahren. Jerzy Sirak, heute ganz in Schwarz gekleidet, setzt seinen Hut auf:
"Wir sollten doch alle nach einer gewissen Harmonie, nach Toleranz und Zusammenarbeit streben. Aber leider denken nicht alle so."
Jerzy Sirak flieht vor der klirrenden Kälte zurück ins Rathaus.
"In unserer Stadt leben noch die Nachfahren von Opfern der Massaker in umliegenden Dörfern. Wenn heute jemand die Verantwortlichen von damals zu Helden erklärt, dann ist das sehr bedauerlich."
Angebliche Helden töteten weißrussische Zivilisten
Genau das passiert dann ab 14 Uhr in Jerzy Siraks Stadt, in Hajnowka, ganz im Osten von Polen, nicht weit von der Grenze zu Weißrussland.
Etwa 200 Nationalisten marschieren auf. "Bury - unser Held", skandieren sie. So nannte sich Romuald Rajs. Er war Anführer einer Gruppierung, die nach dem Zweiten Weltkriegs gegen die kommunistischen Machthaber kämpfte.
Nur darum sei es ihm gegangen, sagt Dariusz Syrnicki, der Präsident eines Karateklubs, der zum Marsch einen historischen Militärmantel angezogen hat:
"Bekämpft wurde damals, wer Kommunist war, wer ein Verräter war und mit der Sowjetmacht zusammengearbeitet hat. Und es war nun einmal eine Tatsache, dass ein relativ großer Teil der weißrussischen Bevölkerung hier auf der Seite der Kommunisten stand."
Diese Behauptung rechtfertigt es für die Nationalisten, dass die Einheit von Bury auch ganze Dörfer anzündete, wo ethnische Weißrussen wohnten. In den Flammen kamen auch Kinder ums Leben.
Provokation für die weißrussische Bevölkerung
Noch heute gehört in Hajnowka jeder Fünfte der weißrussischen Minderheit an. Deshalb ist der Marsch durch die 20.000 Einwohner-Stadt eine Provokation. Einer der Teilnehmer, der sich als Einwohner von Hajnowka vorstellt:
"Das hier ist Polen, warum wird hier das Russische gefördert? Warum haben wir zweisprachige Ortsschilder? Der Stadtrat wollte den Marsch verhindern, weil da nur drei echte Polen sitzen. Pole ist nicht, wer einen polnischen Pass hat, sondern wer sich als Pole fühlt. Wir müssen hier ständig um unser Polentum kämpfen."
Die meisten Passanten drehen sich kopfschüttelnd ab. "Er war doch ein Bandit", sagt ein Mann über Bury, "ein Mörder war er", ergänzt eine Frau.
PiS-Partei hält das Andenken der antikommunistischen Partisanen hoch
"Tod den Feinden des Vaterlands", skandieren die Marschierenden. Die meisten von ihnen sind Mitglieder der ultrarechten Organisation "National-radikales Lager".
Eine Provokation ist ihre Veranstaltung nicht nur für Hajnowka, sondern auch für die polnische Regierung. Denn die rechtskonservative Regierungspartei PiS hält das Andenken der sogenannten verfemten Soldaten hoch, zu denen Bury gerechnet wird. Der Begriff bezeichnet Partisanen, die bis weit in die 1950er-Jahre gegen das kommunistische Regime kämpften.
Nicht zufällig wird Staatspräsident Andrzej Duda am kommenden Donnerstag, dem Gedenktag für die Verfemten, 14 Offiziere der polnischen Armee zu Generälen ernennen.
Der Sprecher des "Nationalradikalen Lagers" Tomasz Kalinowski zeigte sich in Hajnowka zufrieden:
"Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Der Staat könnte aber noch mehr tun - zum Beispiel den Gedenktag am 1. März mit allen Regierungsvertretern begehen."
Appell für Verbot solcher Märsche bisher unbeantwortet
Der Stadtrat von Hajnowka hat indes die Regierung aufgefordert, Stellung zu beziehen und sich von den, milde gesagt, umstrittenen Figuren unter den verfemten Soldaten zu distanzieren.
Bürgermeister Sirak:
"Ich habe den Marsch in diesem Jahr nicht verboten. Denn vor einem Jahr hatte ein Gericht mein Verbot rückgängig gemacht. Deshalb hat der Stadtrat jetzt an den Innenminister appelliert. Er soll ein Gesetz ins Parlament einbringen, um das Versammlungsrecht so zu ändern, dass solche Märsche nicht mehr möglich sind, in Hajnowka und anderswo."
Eine Antwort aus Warschau steht noch aus.