Schon vor dem Gipfel traf der polnische Präsident Andrzej Duda den Generalsekretär des Verteidigungsbündnisses Jens Stoltenberg. Duda gab folgendes Ziel vor:
"Das Wichtigste ist, dass die Nato in den kommenden beiden Tagen Einheit demonstriert. Dass sie ein lebendiges Bündnis ist, das adäquat auf eine sich verändernde Sicherheitslage reagiert. Dass das Prinzip 'Einer für alle, alle für einen' gilt. Das Bündnis hat von Anfang an eine große Aufgabe: Das Bündnisgebiet als Ganzes zu verteidigen - ohne die Einteilung in Zonen, die mehr oder weniger sicher sind."
Polnischer Präsident ist zuversichtlich
Damit hat Duda die polnische Position umrissen: Die Sicherheitslage hat sich aus polnischer Sicht verändert: Russland bedrohe die Ostflanke des Bündnisses immer ungeschminkter. Und gerade die Ostflanke ist - wiederum aus polnischer Sicht - derzeit Bündnisgebiet zweiter Klasse. Während in den Ländern weiter westlich internationale Nato-Truppen stationiert sind, gibt es in Polen bisher kaum Soldaten aus anderen Ländern.
Das soll sich ändern, meint Warschau. Die sogenannte schnelle Eingreiftruppe, die beim letzten Gipfel in Wales beschlossen wurde, sei nicht mehr genug. Präsident Duda gibt sich zuversichtlich:
"Wir haben eine Offensive begonnen, dahingehend, dass eine tatsächliche Präsenz von Nato-Truppen im östlichen Mitteleuropa heute unerlässlich ist. Ich scherze manchmal: Wir sind der Nato schon vor einiger Zeit beigetreten, jetzt ist es höchste Zeit, dass die Nato auch uns beitritt. Ich bin sehr froh, dass wir das auch erreichen werden."
Früher sprachen polnische Politiker davon, sie wollten eine Stationierung von Nato-Truppen in ihrem Land. Inzwischen haben sie ihre Rhetorik abgeschwächt. Sie wären, wie Duda sich ausdrückte, auch mit einer ständigen Präsenz von solchen Truppen zufrieden. Der Unterschied: So müssten es nicht immer dieselben Truppen sein, die sich gerade in Polen befinden.
Tatsächlich wird der Nato-Gipfel voraussichtlich beschließen, dass in Polen und den baltischen Ländern vier multinationale Bataillone gebildet werden. Sie sollen jedoch zwischen diesen Ländern rotieren. Die Nato-Staaten gehen davon aus, dass sie so nicht gegen die Nato-Russland-Grundakte verstoßen. In ihr hatten sie Moskau 1997 versprochen, in den östlichen Mitgliedsländern keine, so wörtlich, substanziellen Kampftruppen zu stationieren.
Ein wichtiger Schritt für Polen
Der polnische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz hält die rotierende Präsenz für einen wichtigen Schritt:
"Natürlich kann und sollte man mit Russland sprechen, aber aus einer Position schon getroffener Entscheidungen heraus. Es geht nicht darum, Russland zu drohen, aber abschrecken sollte man Russland, damit es keine unbedachten, aggressiven Schritte unternimmt. In Warschau fällt die Nato eine bahnbrechende Entscheidung. Danach können wir mit Russland sprechen, wie wir den Frieden auf der Welt sichern wollen."
Polnische Politiker wissen, dass die vier Nato-Bataillone russische Truppen kaum aufhalten könnten. Ihr Kalkül lautet jedoch: Russland werde einen Angriff nicht wagen, wenn dabei auch US-Soldaten sterben. Denn dann befände es sich unmittelbar im Krieg nicht nur mit dem kleinen Polen, sondern sofort auch mit den mächtigen Vereinigten Staaten.
Nicht das einzige Ziel
NATO-Truppen im Osten ist aber nicht das einzige Ziel Polens für den Gipfel: Außerdem hofft Warschau auf mehr Unterstützung des Bündnisses für die Ukraine. Von dort wird heute Präsident Petro Poroschenko anreise. Vor wenigen Tagen erklärte Poroschenko:
"Die Ukraine wird das einzige Partnerland der Nato sein, mit dem es beim Gipfel in Warschau eine eigene Sitzung geben wird - den Ukraine-Nato-Ausschuss. Sie wird hochrangig besetzt sein. Das zeigt, wie hoch die Nato-Staaten die Ukraine schätzen. Sie wollen unsere Partnerschaft weiter stärken."
Vollmundige Versprechungen
Von einer Mitgliedschaft der Ukraine spricht derzeit niemand, weder in Kiew noch in Warschau. Davon solle die Ukraine nicht einmal träumen, empfahl der polnische Ex-Präsident Aleksander Kwasniewski. Der polnische Verteidigungsminister Macierewicz hat dem östlichen Nachbarn trotzdem viel versprochen: Die Nato werde dafür sorgen, dass Russland sich von der Halbinsel Krim und aus dem Donezbecken zurückzieht, erklärte er. Wie das gehen soll, sagte Macierewicz jedoch nicht.