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Polen und die EU
EuGH stoppt die polnische Justizreform

Der Europäische Gerichtshof hat einen wichtigen Teil der Justizreform in Polen für ungültig erklärt. Die EuGH-Richter sehen in diesen Maßnahmen die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit verletzt. Damit ist der Streit über Justizreform aber noch nicht beendet. Weitere Urteile stehen an.

Von Paul Vorreiter |
Das Bild zeigt das Logo und den Schriftzug des EuGH, des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg.
Das Bild zeigt das Logo und den Schriftzug des EuGH. (dpa)
Es ist das erste Urteil aus Luxemburg zur umstrittenen Justizreform in Polen, es betrifft den Teil, der im April vergangenen Jahres in Kraft getreten war und mit das Ruhestandsalter am Obersten Gericht in Polen auf 65 Jahre herabgesetzt wurde.
Die Altersgrenze betraf auch Richter, die vor diesem Zeitpunkt im Amt waren. Als Folge dieses Gesetzes wurden mehr als 20 Juristen in den Ruhestand geschickt, auch die Gerichtspräsidentin musste gehen. Die Richter am Europäischen Gerichtshof sehen in diesen Maßnahmen die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit der Richter verletzt, lautet ihr Urteil.
Keine zwingenden Gründe für Änderungen
Unabsetzbarkeit der Richter – das bedeutet, dass Richter im Amt bleiben dürfen, bis sie das verpflichtende Ruhestandsalter erreicht haben oder ihre Amtszeit abgelaufen ist. Ausnahmen sind laut EuGH möglich, aber nur, falls das Mitgliedsland legitime und zwingende Gründe dafür hat. Die fehlen allerdings im Falle Polens.
Der Gerichtshof verwarf das Argument der polnischen Regierung, mit der Reform das Alter am Obersten Gericht dem allgemeinen Rentenalter anzupassen. Grund daran zu zweifeln, geben aus Sicht der Richter gleich mehrere Aspekte der Reform: So kann der polnische Präsident frei entschieden, ob die Amtszeit einzelner Richter verlängert wird. Zudem betraf die Vorruhestandsregelung gleich ein Drittel der amtierenden Mitglieder.
Weitere Urteile werden erwartet
Das Gericht in Luxemburg hatte diese Praxis vergangenes Jahr per Eilentscheidung gestoppt. Warschau verzichtete auf diese Regelung, ließ die entlassenen Richter wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren.
Mit dem heutigen Urteil ist der Streit um die polnische Justizreform allerdings noch nicht vorbei, zwei weitere Fälle sind in Luxemburg anhängig. Diese Woche noch soll sich der zuständige Generalanwalt zur Reform des Landesjustizrates äußern, einem Gremium, das für die Auswahl neuer Richter für ein Gericht entscheidend ist. Früher wurden seine Mitglieder von der Selbstverwaltung der Richter gewählt, heute vom Parlament, also de facto von der Mehrheit der regierenden PiS-Partei. Auch in diesem Fall gibt es Zweifel, ob die Gewaltenteilung noch gegeben ist.
Diziplinarverfahren gegen Richter im Visier
Polen liegt außerdem mit einer Neuregelung der Disziplinarverfahren gegen Richter im Streit mit Brüssel: Vize-Kommissionspräsident Timmermans hatte die Auswirkungen dieser Reform diesen Sommer wie folgt beschrieben:
"Es ist klar, dass die Disziplinarmaßnahmen, so wie sie ausgestaltet wurden, eine abschreckende Wirkung haben und die Richter einschüchtern. Es werden nämlich Verfahren gegen Richter eingeleitet, die lediglich von ihrem Recht Gebrauch machen, sich mit Fragen an den Europäischen Gerichtshof zu wenden."
Die Reform gibt dem polnischen Justizminister Einfluss auf eine neu eingerichtete Kammer am Obersten Gericht, die sich einzig mit Disziplinarverfahren gegen Richter beschäftigt. In dieser Frage wird der Generalanwalt voraussichtlich im September eine Stellungnahme abgeben.