Archiv

Polens Umgang mit EU-Recht
„Schlicht nicht vereinbar mit der EU-Mitgliedschaft“

In Polen werde die unabhängige Gerichtsbarkeit Stück für Stück abgeschafft, sagte der Europarechtler Franz Mayer im Dlf. Ab einem bestimmten Punkt müsse das Land sich die Frage stellen, ob es damit in der EU bleiben könne.

Franz Mayer im Gespräch mit Gerwald Herter |
Eine Frau hält in Krakau in Polen bei Protesten gegen das geplante Mediengesetz eine polnische und eine EU-Flagge in der Hand
Eine Frau hält in Krakau in Polen bei Protesten gegen das geplante Mediengesetz eine polnische und eine EU-Flagge in der Hand (imago images/NurPhoto)
Seit mehreren Jahren steht Polens PiS-Regierung in der Kritik, die Rechtsstaatlichkeit in dem osteuropäischen Land einzuschränken, etwa die Freiheit journalistischer Medien oder die Unabhängigkeit der Justiz. Nach einer umstrittenen Justizreform droht unliebsamen Richtern die Absetzung. Jüngst wurde ein kurz vor Weihnachten im Parlament verabschiedetes Mediengesetzvon der EU und den USA als Bedrohung der Pressefreiheit kritisiert.
Zur gemeinsamen Geschäftsgrundlage gehöre es in der EU, dass man sich an das Recht hält, sagte der Europarechtler Franz Mayer von der Universität Bielefeld im Dlf. „Die Europäische Union ist eine Kreatur des Rechts, und wenn man, wie es derzeit in Polen passiert, sich an das Recht nicht mehr verbindlich halten will, Rechtsstaatlichkeit zurückbaut, in Richtung eines autoritären Regimes unterwegs ist, dann kann man auch nicht in der Europäischen Union dabei sein.“

Es geht gar nicht um Europa

In Polen werde die unabhängige Gerichtsbarkeit durch die Regierung Stück für Stück abgeschafft, um innerstaatlich freie Hand zu haben. „Es geht da gar nicht, um Europa umzubauen, und das ist schlicht nicht vereinbar mit der Mitgliedschaft in der Europäischen Union“, sagte Mayer.
Nach der Millionen-Strafe des EuGH - Polens Verhältnis zur EU
Die Europäische Union befinde sich derzeit in einer Art Zwischenland. Die alte Europäische Union, wie wir sie kannten, sei schon seit geraumer Zeit wahrscheinlich im Umbruch, sagte Mayer. Durch die Pandemie-Situation sei eine neue Herausforderung hinzugetreten, die zunächst zu bedeuten schien, dass sich alle wieder auf den Nationalstaat zurückziehen. Der schien in der Pandemie zunächst einmal einen sicheren Ausweg zu bieten.
Im Laufe der Pandemie sei aber immer deutlicher geworden, dass es eigentlich keinen anderen Weg gibt als internationale Zusammenarbeit, sagte Mayer. Die großen Probleme der Zeit würden keine Grenzen kennen, weder die Pandemie noch die Klima- oder Flüchtlingskrise. In Polen entwickele sich die Situation aber diametral in die andere Richtung. „Die wollen zurück zum Nationalstaat, und das ist das Rezept von gestern“, so Mayer im Dlf.