Seit die Regierungspartei PiS das Zepter beim öffentlichen Rundfunk übernommen hat, beginnen die allabendlichen Nachrichten mit einem leicht geänderten Vorspann. Der Vogelflug über Polen endet über dem Königsschloss in Warschau, nicht mehr über dem Kulturpalast.
Das war offenbar ein erster Hinweis auf weitreichende Pläne. In der Regierung gebe es Überlegungen, den Kulturpalast abzureißen, sagte Kulturminister Piotr Glinski vor wenigen Tagen.
Superminister Mateusz Morawiecki, der für Wirtschaft und Finanzen zuständig ist, wurde nun noch deutlich konkreter: "Ich bin sehr dafür, dass dieses Relikt der kommunistischen Herrschaft aus dem Warschauer Stadtzentrum verschwindet. Ich erinnere daran, dass die Zweite polnische Republik in den 1920er Jahren sehr rasch die Alexander Newski-Kathedrale abgerissen hat, sie war damals Symbol für die Herrschaft des verhassten russischen Okkupanten."
Ein Geschenk der Sowjetunion
Obwohl in den vergangenen Jahren in Warschau einige Wolkenkratzer entstanden, dominiert der Kulturpalast noch immer die Skyline, mit seinem markanten Stachel auf der Spitze. Er wurde in der ersten Hälfte der 1950er Jahre gebaut - ein Geschenk der Sowjetunion. Damals war er das zweithöchste Gebäude Europas.
Wenn der Abriss im kommenden Jahr beginnen würde, wäre das ein starkes Zeichen: 2018 sind es genau 100 Jahre, nachdem Polen nach dem Ersten Weltkrieg wieder ein unabhängiger Staat wurde.
Dafür machen sich nicht nur Regierungspolitiker stark, sondern auch Ex-Außenminister Radoslaw Sikorski von der rechtsliberalen "Bürgerplattform": "Warschau hat einen zentralen Park verdient, wie der Hyde Park in London oder der Central Park in New York. Mit Rasen und einem See, wo sich die Warschauer erholen können. Zumal dieses Gebäude in schlechtem Zustand ist, nichts dort entspricht heutigen technischen Standards."
Ein Abriss wäre extrem schwierig und teuer
Die meisten Warschauer sind da wesentlich vorsichtiger. So Witek, ein Taxifahrer, der täglich vor dem Gebäude auf Kunden wartet: "Ja, er ist ein Symbol für Stalin, für einen Verbrecher. Trotzdem sollte er stehen bleiben. Es ist doch schade um das Geld, so ein großes, solides Gebäude."
Tatsächlich würde es zig Millionen Euro kosten, den Kulturpalast abzureißen, sagen Bauunternehmer. Schließlich darf dabei niemand gefährdet werden. Um das Gebäude herum verlaufen die wichtigsten Verkehrsadern durch die Warschauer Innenstadt, in unmittelbarer Nähe liegen der Bahnhof und eine U-Bahn-Linie.
Noch weniger Verständnis haben manche junge Polen für die Gedankenspiele in der Regierung. Der Kulturpalast sei das Symbol von Warschau, sagt eine 21-jährige Studentin aus Posen, die zu Besuch in der Hauptstadt ist: "Die Debatte ist für mich völlig sinnlos. Manche assoziieren das Gebäude mit dem Kommunismus - na und? Heute sind dort Theater und Museen untergebracht. Das ist ja wohl wichtiger. Es genügt, dass die Kritiker ihre Denkweise ändern."
Der erste Schritt zum Abriss wäre: den Kulturpalast aus der Liste der denkmalgeschützten Gebäude zu streichen. Wenn sich die Regierung zu diesem Schritt entschließt, kann sie sicher sein, dass dieses Thema den Wahlkampf bei der Bürgermeisterwahl im kommenden Jahr bestimmen wird.