Alles halb so schlimm, beruhigt der Warschauer Politologe Aleksander Smolar. So ernst wie es vielleicht nach Außen wirke, sei die Lage bei Weitem nicht. Nationalisten in Polen, sagt der Leiter der Batory Stiftung, seien weiterhin eine Randerscheinung und haben kaum Möglichkeiten, um effektiv Hass und Aggressionen im Land zu schüren:
"Natürlich kann man Nationalismus auch wegen fiktiver Gefahren aktivieren. Das lässt sich in Polen heute allerdings weder mit der Wirtschaftslage, noch mit dem Argument nationaler Minderheiten begründen. Es geht hier vielmehr um das Gefühl einer diffus empfundenen Gefährdung der polnischen nationalen Identität. Was vor allem mit der europäischen Integration und den Prozessen der Globalisierung verbunden ist."
Polnischer Nationalismus der 1920er Jahre
Diffuse Ängste, von denen die Mehrheit polnischer Wähler offenbar nichts wissen will. Dementsprechend schlecht schneiden rechtsextreme Parteien bislang auch ab. Was sie allerdings nicht davon abbringt, es immer wieder aufs Neue zu versuchen. So wie jetzt mit der Gründung der Partei "Ruch Narodowy" zu deutsch "Nationale Bewegung". Eine Partei, sagt Vorstandsmitglied Artur Zawisza, die den polnischen Nationalismus, der 1920er Jahre wieder auferstehen lassen möchte.
"Es bestehen keine Zweifel daran, dass wir in Polen viel zu wenig Nationalismus Tendenzen haben. Daher betrachten wir auch die französische Front National, die schottische Unabhängigkeitsbewegung oder die deutsche AfD mit großer Bewunderung. Wir lernen dabei wie man sich richtig, um eigene nationale Interessen kümmert."
Interessen – so der rechtsextreme Politiker – die zunehmend zugunsten der EU aufgegeben würden. Genau das gelte es langfristig zu verhindern.
"Wir haben eine sehr kritische Haltung gegenüber der EU. Die EU verfügt über zu wenig Flexibilität und zu viel Bürokratie. Wir wollen eine andere, eine bessere EU. Eine EU, in der nationale Interessen berücksichtigt werden."
Töne, die auch in anderen EU-Staaten zu hören sind. Die ungarische Jobik-Partei oder die deutsche NPD – unterstreicht Artur Zawisza – seien aber keine Gruppierungen, mit denen die polnische "Nationale Bewegung" zusammenarbeiten möchte. Auch außerhalb der EU will Ruch Narodowy keineswegs mit Rechtsextremen in Verbindung gebracht werden. Schon gar nicht was entsprechende Strömungen in Russland anbelangt. Und finanzielle Unterstützung aus Moskau? Würde sich "Ruch Narodowy" ähnlich wie die französische Front National etwa von einer russischen Bank kreditieren lassen?
Wir halten uns sehr stark an die Regel unserer Bewegung, die noch um die Wende des 20.Jahrhunderts ausgearbeitet wurde. Und die lautet: Polnische Parteien werden ausschließlich mit polnischem Geld finanziert.
Potenzieller Konkurrent im Parlament
Was angesichts der eher bescheidenen Mitgliederzahl allerdings ziemlich schwer ist. Noch zumindest. Das könnte sich ändern, prophezeit Artur Zawisza. Bei den kommenden Parlamentswahlen im Herbst 2015 dürfte "Ruch Narodowy" so seine Überzeugung, die Fünf-Prozent-Hürde überwinden und dann in den Sejm einziehen. Was die rechtskonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" von Jaroslaw Kaczynski indes ganz und gar nicht freuen dürfte. Würde doch damit ein potenzieller Konkurrent im Parlament sitzen. Filip Pazderski vom Warschauer Institut für öffentliche Angelegenheiten sieht die Sache indes eher nüchtern:
"Mir scheint, dass die Möglichkeiten der neuen rechtsextremen Partei weiterhin ziemlich beschränk bleiben, wenn es um die Aktivierung der Wählerschaft geht. Ihr Potenzial ist gar nicht so groß. Ihre Ansichten sind zu radikal für die Mehrheit der Wähler."
Wobei der Warschauer Politologe nicht ausschließen will, dass sich die Stimmung auch ändern könnte. Vor allem, wenn sich die ökonomische Lage Polens drastisch verschlechtern sollte. Dann – sagt Filip Pazderski - würden solche extreme Gruppierungen, die gegen das System sind, an Unterstützung gewinnen. Dann hätte Polen in der Tat ein Problem. Doch so weit ist es noch nicht.