Bis zu drei Jahre Haft drohen künftig jedem, der sich über bestimmte Themen aus der polnischen Geschichte äußert. Ein Ausnahme gilt nur, wenn die Aussage in einem künstlerischen oder wissenschaftlichen Kontext steht. Besonders umstritten ist der Paragraf 55a des Gesetzes, bei dem es um den Holocaust geht. Ab heute ist es nach polnischem Recht verboten, der polnischen Nation oder dem polnischen Staat eine Mitverantwortung an der Vernichtung der europäischen Juden zu geben.
"Polen haben sich nicht am Holocaust beteiligt"
Präsident Andrzej Duda erklärte, nachdem er das Gesetz unterschrieben hatte:
"Die historische Wahrheit ist, dass sich die Polen nicht auf institutionalisierte oder systematische Weise am Holocaust beteiligt haben. Es gab Polen in jener Zeit nicht, es gab keinen polnischen Staat. Es gab einen Staat im Untergrund, die Heimatarmee. Sie hat den Deutschen nicht nur nicht geholfen bei der Judenvernichtung, sie hat ihr entgegengewirkt, soweit ihr das möglich war."
Das Gesetz löste schon vor Dudas Unterschrift international Proteste aus. Besonders Politiker aus Israel warfen Polen vor, die die eigene Geschichte beschönigen zu wollen. Der Tenor der Kritik: Das Land wolle verhindern, dass über Polen gesprochen wird, die dem nationalsozialistischen Deutschland bei der Judenvernichtung halfen.
Kritik von Seiten Israels
Die Botschafterin von Israel in Warschau, Anna Azari, sagte bei einer Gedenkveranstaltung:
"Viele, die den Holocaust überlebt haben, und ihre Familien erinnern sich schmerzhaft an die tragischen Seiten der polnisch-jüdischen Beziehungen. Sie erinnern sich an die Polen, die Angst hatten zu helfen, und an diejenigen, die freiwillig mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet haben. Der Diskurs muss sich auf ein vollständiges Bild der Geschichte beziehen."
Die rechtskonservative polnische Regierungspartei PiS beteuert, dies werde weiterhin möglich sein. Die Verbrechen einzelner Polen seien nicht Gegenstand des Gesetzes.
Nach einem Telefonat zwischen dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki und seinem israelischen Amtskollegen Benjamin Netanjahu bildeten beide Länder jeweils eine Kommission - zur Schlichtung des Streits. Die beiden Kommission treffen sich heute zum ersten Mal in Israel.
Kritik der jüdischen Gemeinde
Der Streit hat Auswirkung auch auf Juden in Polen. Die Vorsitzende der Jüdischen Glaubensgemeinde in Warschau Anna Chipczynska beklagt antisemitische Äußerungen, auch von Parlamentsabgeordneten:
"Es gibt Gemeindeglieder, die Polen verlassen wollen. Sie sagen, sie wollen ihre Kinder nicht in einem Land aufziehen, in denen die öffentliche Debatte ihnen das Recht abspricht, sich als Juden in diese Debatte einzubringen."
Sorge um das Ansehen Polens
Polnische Kritiker des Gesetzes wiesen auch darauf hin, dass es seinen Zweck verfehle. Es schütze den guten Namen Polens keineswegs, sagt Katarzyna Lubnauer, Vorsitzende der liberalen Oppositionspartei "Die Moderne":
"Wir haben eine gigantische diplomatische Krise wegen des Gesetzes - auch im Verhältnis zu den USA. Und wir haben eine enormen Imageschaden. Dafür werden wir alle bezahlen. Jeder Pole, der ins Ausland fährt, wird damit konfrontiert werden."
Der polnische Ministerpräsident Morawiecki schloss nicht aus, dass Polen das Gesetz noch ändern und präzisieren werde. Derzeit liegt es beim Verfassungsgericht, das den Text auf mögliche Ungenauigkeiten prüfen soll.