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Polens Medien unter Druck
Hohe Geldstrafe nach Regierungskritik

Ein privater TV-Sender wird für seine Berichterstattung über Proteste gegen die Regierung in Warschau vor einem Jahr bestraft. Kritiker sehen darin einen weiteren Schlag gegen die Pressefreiheit in Polen. Die Initiatoren sprechen von einer "Warnung".

Von Jan Pallokat |
    Ein Lieferwagen von "TVN24" hinter einem Bahnübergang.
    Die Sendergruppe "TVN" mit ihrem News-Flagschiff "TVN24" : In Polen einflussreich - und unter Druck (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    Noch gibt es in Polen eine relativ große Pressevielfalt. Zwar sendet seit der Machtübernahme der PiS-Partei namentlich das öffentliche Fernsehen "TVP" auf Regierungslinie und macht praktisch täglich Stimmung gegen die Opposition und Andersdenkende. Aber es gibt im Land eine große Zahl unabhängiger Medien, von denen einige – wie das Traditionsblatt "Gazeta Wyborcza" – einen scharf regierungskritischen Kurs leisten. Einflussreich ist auch die Sendergruppe "TVN" mit ihrem News-Flagschiff "TVN24", die französisch-amerikanischen Eigentümern gehört. TVN hat auch immer wieder live von Protesten gegen die Regierung berichtet – und das könnte dem Sender nun zum Verhängnis werden.
    Der staatliche Rundfunkrat nämlich hat eine Strafe von rund 1,5 Millionen Zloty – etwa 350.000 Euro – verhängt wegen der Berichterstattung über eine Blockade des Parlaments im letzten Dezember, dies begründet mit Anstiftung zu Rechtsbruch und gefährlichem Verhalten. Der Rundfunkrat war auf Anfrage für eine weitere Stellungnahme nicht bereit. Aber ein früheres Mitglied der Organisation warnte im Radiosender "TOK FM": "Die Situation ist alarmierend und sehr ernst, und sie treibt uns in die Region von Weißrussland oder Putins Russland. Es wird versucht, unabhängige, private Medien zu knebeln. Das ist eine hohe Strafe, die in den vergangenen 20 Jahren noch nie verhängt wurde, schon gar nicht über Artikel 18, der die Verbreitung von Hass gegen gesellschaftliche Gruppen verbietet."
    Anklage aus "Radio Maryja"-Umfeld
    Bei den Ereignissen im letzten Dezember ging es um eine Blockade des Sejms durch regierungskritische Demonstranten, nachdem dort nur noch ausgewählte Medien zur Berichterstattung zugelassen werden sollten. Weil Regierungsgegner drohten, Abgeordnete nicht herauszulassen, sprechen Regierung und Fernsehsender "TVP" seither von einem "Putschversuch". Es ist unklar, was genau dem Rundfunkrat an der Berichterstattung missfiel – herumgereicht wird aber eine Live-Schalte zu einer Journalistin im Plenarsaal, die emotional ausgefallen war: "Die Situation beginnt außer Kontrolle zu geraten und ist sehr gefährlich. Wenn die Abgeordneten jetzt mit Gewalt herausgeführt werden sollten, dann werden es die draußen stehenden Menschen wahrscheinlich nicht mehr aushalten. Ich denke, Jaroslaw Kaczynski trägt eine große Verantwortung für das, was heute Nacht in Polen geschehen wird."
    Der Sender habe damals gezielt auf einen Umsturz der staatlichen Ordnung hingearbeitet, erklärte Hanna Karp einem Internetportal: Die Theologin soll die Anklageschrift gegen "TVN" verfasst haben, obwohl sie zugleich im Konkurrenz-Unternehmen des rechtsorientierten Medienpfarrers Tadeusz Rydzyk tätig ist, bekannt durch den christlich-fundamentalistischen Kanal "Radio Maryja". Im Interview spricht sie von einer "roten Warnleuchte" für kommerzielle Medienunternehmen und fordert "weitere Schritte", etwa schärfere Gesetze. Auch die dürre Mitteilung des Rundfunkrats enthält eine kaum zu überhörende Warnung: Bei der verhängten Strafe handele es sich nur um ein Hundertstel der Summe, die verhängt werden könne.