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Polens neue Regierung
Auf Konfrontationskurs

Etwa 25.000 Menschen demonstrierten am Wochenende in Warschau gegen die neue rechtskonservative Regierung. Der Grund: Präsident Andrzej Duda hatte sich geweigert, drei noch vom alten Parlament gewählte Verfassungsrichter zu vereidigen - denn die Regierung will ihre eigenen Juristen etablieren.

Von Florian Kellermann |
    Sehr viele Menschen demonstrieren gegen die Regierung. Sie halten Banner und polnische Flaggen hoch.
    Auf dem Transparent der Demonstranten in Warschau steht: "Duda bedeutet Scheinheiligkeit, stoppt die Gesetzeswidrigkeit!" (dpa / picture alliance / Rafal Guz)
    Zwei Demonstrationen - für und gegen die Regierung - brachten am Wochenende Zehntausende Menschen in Warschau auf die Straße.
    Am Samstag versammelten sich die Regierungsgegner vor dem Gebäude des Verfassungsgerichts - und zogen dann vor den Präsidentenpalast. Nach Schätzungen kamen etwa 25.000 Menschen. Anlass für ihren Protest: Die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit", kurz PiS, und Präsident Andrzej Duda stellen sich Entscheidungen des Verfassungsgerichts entgegen.
    Ein junger Mann hielt eine Ausgabe der polnischen Verfassung hoch:
    "Hier, der Artikel 190: Die Beschlüsse des Verfassungsgerichts haben allgemeingültige Kraft und sind endgültig. Ich bin Biologe und habe erst jetzt begonnen, in der Verfassung zu lesen. Ich habe gesehen, wie oft die Regierung und der Präsident die Verfassung schon gebrochen haben."
    Präsident Duda hatte sich geweigert, drei neue Verfassungsrichter zu vereidigen, die noch vom alten Parlament gewählt wurden. Das Verfassungsgericht hatte deren Wahl in einem Urteil für korrekt befunden. Die Regierung wiederum zögert nun damit, dieses Urteil zu veröffentlichen.
    Ziel der PiS ist es, ihre Juristen im Verfassungsgericht zu etablieren. Die entsprechenden, vom neuen Parlament gewählten Kandidaten vereidigte Duda bereits. Auch in den Geheimdiensten tauschte die neue Regierungspartei schon die Schlüsselpositionen aus.
    Kaczynski gibt die Linie der Regierung vor
    Der junge Biologe sieht darin eine Bedrohung für die Demokratie:
    "Gut, dass die Warschauer so zahlreich gekommen sind zur Demonstration. Die Bürger reagieren darauf, was die Machthaber tun, auf deren Rechtsbrüche."
    Die Linie der Regierung gibt Jaroslaw Kaczynski vor, der Vorsitzende der Partei PiS, der gar kein Regierungsamt bekleidet.
    Bei einer Kundgebung seiner Partei am Sonntag, ebenfalls in Warschau, erklärte er den Kampf gegen das Verfassungsgericht. Es vertrete die Interessen der Vorgängerregierung und politisch-wirtschaftlicher Seilschaften:
    "Sie haben Angst davor, dass der gigantische Missbrauch der vergangenen acht Jahre an die Oberfläche kommt. Alleine bei der Abrechnung der Mehrwertsteuer sind das zig Milliarden Zloty. Diejenigen, die während der sogenannten Transformation die Macht, die sie im Kommunismus hatten, in Eigentum verwandelten, sollen sich weiterhin mästen kommen. Darum geht es wirklich in diesem Streit."
    Innen- wie außenpolitisch auf Konfrontationskurs
    Auch für die Regierung gingen mehrere Zehntausende auf die Straße. Jaroslaw Kaczynski hatte die Auseinandersetzung kurz zuvor in einem Interview noch einmal angeheizt. Die Gegendemonstranten gehörten "zur schlechtesten Sorte von Polen", erklärte er. Kritik aus dem Ausland, vor allem aus Deutschland, verglich er mit dem Jahr 1968, mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen in die Tschechoslowakei:
    "Das heute ist eine Intervention mit anderen Methoden, aber die Situation ist ähnlich. Die Tschechen und die Slowaken damals konnten sich nicht verteidigen, wir werden uns verteidigen. Wir brauchen von Deutschland keine Nachhilfe in Sachen Demokratie. Zumal die Deutschen uns noch sehr viel schuldig sind, in moralischer wie in wirtschaftlicher Hinsicht."
    Die neue polnische Regierung begibt sich also innen- wie außenpolitisch auf Konfrontationskurs.