"Seine Majestät der Deutsche Kaiser und Seine Majestät der Kaiser von Österreich und Apostolischer König von Ungarn, von dem Wunsche geleitet, die von ihren tapferen Heeren mit schweren Opfern der russischen Herrschaft entrissenen polnischen Gebiete einer glücklichen Zukunft entgegen zuführen, sind dahin übereingekommen, aus diesen Gebieten einen selbständigen Staat mit erblicher Monarchie und konstitutioneller Verfassung zu bilden."
Derart kompliziert begann am 5. November 1916, einem herbstlich sonnigen Sonntag, die Proklamation eines wiedererstandenen Königreiches Polen. Mitten im Ersten Weltkrieg schien damit ein glückliches Ende zu finden, was durch die drei Teilungen Polens bis zur völligen staatlichen Nicht-Existenz seinen unheilvollen Anfang genommen hatte. Der Schweizer Diplomat und Historiker Carl Jacob Burckhardt, 1937 bis 1939 Hoher Kommissar der Völkerbundes in Danzig:
"1772, 1793 und 1795 war durch die drei Teilungen Polens die Löschung eines ehrwürdigen Staatsgebietes erfolgt, das ein geschlossenes Volkstum, eine eigene Sprache und eine einheitliche Religion hatte. Die Kaiserin Maria Theresia wusste, wie unheilvoll diese Tat war, die noch dem Jahrhundert, in dem wir leben, ihr Gesetz aufprägt. Das polnische Volk aber hat sich während mehr als hundert Jahren der Besetzung und des Exils wunderbarerweise eine ungebrochene, nationale Persönlichkeit erhalten."
Das eigentümliche Gebilde, das im November 1916 proklamiert wurde, war indessen ein Staat von deutschen und österreichisch-ungarischen Gnaden. Dem deutschen Kaiserreich ging es in erster Linie darum, polnische Soldaten für den menschenfressenden Weltkrieg zu rekrutieren. Überdies sollte insgeheim das neugegründete Königreich zu einem deutschen Satellitenstaat werden, der den angestrebten Sieg gegenüber Russland abzusichern hatte.
Dennoch waren die mentalen Auswirkungen der Proklamation unübersehbar. Sie blieben auch dem späteren ersten Staatschef eines unabhängigen Polen, Jozef Pilsudski, nicht verborgen:
"Die alberne Begeisterung über den Staatsakt vom 5. November und über die Möglichkeit, dass ein sogenanntes polnisches Heer und eine polnische Regierung gebildet werden könnten, war so riesengroß, dass ein großer Teil der polnischen Jugend davon angesteckt wurde."
Pilsudskis Ziel hingegen war klar: Polen musste seine nationale Unabhängigkeit selbst erkämpfen. Die von ihm gegründete Polnische Legion kämpfte innerhalb des österreichisch-ungarischen Heeres. Dabei nahm Pilsudski richtig an, dass die Mittelmächte, vor allem das deutsche Kaiserreich, das zaristische Russland besiegen, langfristig aber den vereinigten westlichen Alliierten unterliegen würden. Dieser Prognose folgte seine Politik der wechselnden Bündnisse. Anfang Juli 1917 forderte er die polnische Legion auf, den erwünschten Eid auf den deutschen Kaiser zu verweigern. Die daraufhin verhängte Festungshaft verstärkte noch seinen Nimbus als Freiheitskämpfer.
Der Sieg der Februarrevolution in Russland, deren Vertreter den Polen die Unabhängigkeit versprachen, vor allem aber der Kriegseintritt der USA im April 1917 veränderten die Lage vollkommen. Im 14-Punkte-Programm des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson vom 8. Januar 1918 wurde die Wiedererrichtung eines unabhängigen Polen zum alliierten Kriegsziel erklärt.
Über zehn Monate später war es so weit: Der in den Revolutionswirren von einer neuen deutschen Regierung freigelassene Pilsudski fuhr in einem deutschen Sonderzug am 10. November 1918 nach Warschau. Einen Tag später, dem eigentlichen Tag der Unabhängigkeit, wurde er zum Ersten Marschall Polens ernannt, am 14. November übernahm er das Amt des Staatschefs.
Der polnische Schriftsteller Andrzej Szczypiorski fasste in einem Interview die Gefühlslage der Polen nach der Unabhängigkeit so zusammen:
"Ja, wissen Sie, für das polnische Volk Wiedergeburt Polens in 1918 - das war, sagen wir, Wiedergeburt des Volkes. Dieses Volk lebte im 19. Jahrhundert ohne eigenen Staat und das war ein Traum des Volkes, und das war, das war die wichtigste Sache des polnischen geistigen Lebens für viele Generationen. Und in 1918 bekamen wir diese Unabhängigkeit des Staates."
Eines Staates, der erst in einer Folge von Aufständen und Kriegen gegen seine westlichen und östlichen Nachbarn seine Grenzen stabilisieren konnte. Das so geschaffene Polen, bis zu seinem Tode im Jahre 1935 autoritär geführt von Marschall Pilsudski, versank schließlich im September 1939 unter dem Ansturm der Wehrmacht und der Roten Armee. Unter deutscher Besatzung begann nun eine fünfjährige Leidensgeschichte Polens, die sich bis heute mit Namen wie Auschwitz, Majdanek und Treblinka verbindet.
Derart kompliziert begann am 5. November 1916, einem herbstlich sonnigen Sonntag, die Proklamation eines wiedererstandenen Königreiches Polen. Mitten im Ersten Weltkrieg schien damit ein glückliches Ende zu finden, was durch die drei Teilungen Polens bis zur völligen staatlichen Nicht-Existenz seinen unheilvollen Anfang genommen hatte. Der Schweizer Diplomat und Historiker Carl Jacob Burckhardt, 1937 bis 1939 Hoher Kommissar der Völkerbundes in Danzig:
"1772, 1793 und 1795 war durch die drei Teilungen Polens die Löschung eines ehrwürdigen Staatsgebietes erfolgt, das ein geschlossenes Volkstum, eine eigene Sprache und eine einheitliche Religion hatte. Die Kaiserin Maria Theresia wusste, wie unheilvoll diese Tat war, die noch dem Jahrhundert, in dem wir leben, ihr Gesetz aufprägt. Das polnische Volk aber hat sich während mehr als hundert Jahren der Besetzung und des Exils wunderbarerweise eine ungebrochene, nationale Persönlichkeit erhalten."
Das eigentümliche Gebilde, das im November 1916 proklamiert wurde, war indessen ein Staat von deutschen und österreichisch-ungarischen Gnaden. Dem deutschen Kaiserreich ging es in erster Linie darum, polnische Soldaten für den menschenfressenden Weltkrieg zu rekrutieren. Überdies sollte insgeheim das neugegründete Königreich zu einem deutschen Satellitenstaat werden, der den angestrebten Sieg gegenüber Russland abzusichern hatte.
Dennoch waren die mentalen Auswirkungen der Proklamation unübersehbar. Sie blieben auch dem späteren ersten Staatschef eines unabhängigen Polen, Jozef Pilsudski, nicht verborgen:
"Die alberne Begeisterung über den Staatsakt vom 5. November und über die Möglichkeit, dass ein sogenanntes polnisches Heer und eine polnische Regierung gebildet werden könnten, war so riesengroß, dass ein großer Teil der polnischen Jugend davon angesteckt wurde."
Pilsudskis Ziel hingegen war klar: Polen musste seine nationale Unabhängigkeit selbst erkämpfen. Die von ihm gegründete Polnische Legion kämpfte innerhalb des österreichisch-ungarischen Heeres. Dabei nahm Pilsudski richtig an, dass die Mittelmächte, vor allem das deutsche Kaiserreich, das zaristische Russland besiegen, langfristig aber den vereinigten westlichen Alliierten unterliegen würden. Dieser Prognose folgte seine Politik der wechselnden Bündnisse. Anfang Juli 1917 forderte er die polnische Legion auf, den erwünschten Eid auf den deutschen Kaiser zu verweigern. Die daraufhin verhängte Festungshaft verstärkte noch seinen Nimbus als Freiheitskämpfer.
Der Sieg der Februarrevolution in Russland, deren Vertreter den Polen die Unabhängigkeit versprachen, vor allem aber der Kriegseintritt der USA im April 1917 veränderten die Lage vollkommen. Im 14-Punkte-Programm des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson vom 8. Januar 1918 wurde die Wiedererrichtung eines unabhängigen Polen zum alliierten Kriegsziel erklärt.
Über zehn Monate später war es so weit: Der in den Revolutionswirren von einer neuen deutschen Regierung freigelassene Pilsudski fuhr in einem deutschen Sonderzug am 10. November 1918 nach Warschau. Einen Tag später, dem eigentlichen Tag der Unabhängigkeit, wurde er zum Ersten Marschall Polens ernannt, am 14. November übernahm er das Amt des Staatschefs.
Der polnische Schriftsteller Andrzej Szczypiorski fasste in einem Interview die Gefühlslage der Polen nach der Unabhängigkeit so zusammen:
"Ja, wissen Sie, für das polnische Volk Wiedergeburt Polens in 1918 - das war, sagen wir, Wiedergeburt des Volkes. Dieses Volk lebte im 19. Jahrhundert ohne eigenen Staat und das war ein Traum des Volkes, und das war, das war die wichtigste Sache des polnischen geistigen Lebens für viele Generationen. Und in 1918 bekamen wir diese Unabhängigkeit des Staates."
Eines Staates, der erst in einer Folge von Aufständen und Kriegen gegen seine westlichen und östlichen Nachbarn seine Grenzen stabilisieren konnte. Das so geschaffene Polen, bis zu seinem Tode im Jahre 1935 autoritär geführt von Marschall Pilsudski, versank schließlich im September 1939 unter dem Ansturm der Wehrmacht und der Roten Armee. Unter deutscher Besatzung begann nun eine fünfjährige Leidensgeschichte Polens, die sich bis heute mit Namen wie Auschwitz, Majdanek und Treblinka verbindet.