Christoph Heinemann: Am Telefon ist Ruprecht Polenz (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Guten Morgen.
Ruprecht Polenz: Einen schönen guten Morgen, Herr Heinemann.
Heinemann: Herr Polenz, Guantanamo schließen, vorsichtigerer Umgang mit Drohnen – ist das eine Wende in der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik?
Polenz: Obama hat in der Tat eine Wende angekündigt. Unter dem Eindruck der Anschläge vom 11. September, die ja praktisch gewirkt haben wie ein Kriegsangriff, hat damals Präsident Bush von einem "War against Terrorism" gesprochen, also einem Krieg gegen den Terrorismus. Und Obama hat jetzt in seiner Rede eigentlich als roten Faden die Botschaft gehabt, wir müssen den Terrorismus nicht mehr als Kriegsgegner sehen, denn wir werden den Terrorismus nie völlig ausrotten können - das hätte ja sonst die Folge, Amerika befände sich sozusagen in einem permanenten Kriegszustand -, sondern wir müssen den Terrorismus bekämpfen, natürlich weiterhin als sicherheitspolitische Herausforderung. Aber mehr mit polizeilichen und mit geheimdienstlichen Mitteln. Und das, was er dann an konkreten Maßnahmen angekündigt hat, sind im Grunde Konsequenzen aus dieser Einsicht.
Heinemann: Guantanamo wurde ja lange Zeit als eine Art Schandfleck für die USA gesehen. Kann es das Ansehen des Landes gerade auch in der islamischen Welt jetzt verbessern, wenn dieses Lager geschlossen werden soll. Oder ist es dafür zu spät?
Polenz: Zu spät ist es natürlich nicht, denn wir haben dort zum Beispiel von den 166 Gefangenen, die dort noch festgehalten sind, 88, wo auch nach amerikanischer Einschätzung die Vorwürfe alle ausgeräumt sind. Es scheitert bisher eine Rückführung an rechtlichen Problemen und auch an dem Widerstand mancher Länder, diese Menschen zurückzunehmen. Und es ist natürlich die Frage, ob es Obama jetzt im zweiten Anlauf gelingt, den Kongress und den einen oder anderen Mitgliedsstaat der Vereinigten Staaten davon zu überzeugen, dass man diese Gefangenen aus Kuba zurück auf amerikanisches Festland holen soll, die anderen, um ihnen dort einen Prozess zu machen. Aber das ist noch eine Ankündigung, zum zweiten Mal. Ob es ihm diesmal gelingt, es umzusetzen, wird man sehen.
Heinemann: Den einen oder anderen Staat – welche meinen Sie damit?
Polenz: Na ja, ich meine, wenn er die Gefangenen aus Kuba, wo Guantanamo liegt, zurückholt, muss er sie ja nach Massachusetts, nach New York, nach Kalifornien oder wo immer hinbringen, um ihnen dort den Prozess zu machen, um sie dort möglicherweise auch weiter inhaftiert zu haben, wenn die Gerichte sie dann zu Freiheitsstrafen beispielsweise verurteilen. Aber grundsätzlich finde ich den wichtigen Gedanken, dass die asymmetrische Herausforderung durch den Terrorismus nicht mehr so stark mit militärischen Mitteln bekämpft werden soll, sondern mehr mit polizeilichen und geheimdienstlichen, dass also die Balance zwischen Sicherheitsgefährdung und Freiheitsrechten neu justiert wird.
Heinemann: Herr Polenz, was bedeuten die gestiegenen Skrupel in den Vereinigten Staaten oder beim US-Präsidenten beim Einsatz für Drohnen für die Drohnenstrategie der Bundesregierung?
Polenz: Ich glaube, die Bundesregierung hatte nie die Strategie, die von den USA etwa in Pakistan oder im Jemen oder anderswo verfolgt wurde. Wir sind gerade am Anfang einer Diskussion darüber, ob man sich Drohnen als Bundeswehr zulegen muss, ob man sie braucht und zu welchem Zweck. Obama hat jetzt klar gemacht, man wird Drohnen weiter brauchen, auch als USA. Aber die Befehlsgewalt über die Einsätze wird vom Geheimdienst aufs Pentagon übergehen und es werden striktere Regeln aufgestellt. Beispielsweise dürfen sie nur dann etwa für tödliche Einsätze eingesetzt werden, so ist die Ankündigung, wenn man zivile Opfer nahezu vollständig ausschließen kann. Und wenn es wirklich nicht möglich ist, die betroffene Person festzunehmen.
Heinemann: Aber das kann man ja so gut wie nicht ausschließen, das hat sich ja erwiesen. Braucht die Bundeswehr Kampfdrohnen?
Polenz: Die Diskussionen werden wir in Deutschland zu führen haben. Man muss ja eines auch sehen: Unbemannte Flugkörper haben den Vorteil, dass bei einem Einsatz das Leben von Piloten nicht gefährdet wird.
Heinemann: Gut, aber eben von zivilen Opfern halt.
Polenz: Ja. Aber auch bei Luftangriffen, die von Flugzeugen geflogen werden, können zivile Opfer nicht ausgeschlossen werden. Nach allem was ich weiß – ich bin jetzt kein Waffenexperte im engeren Sinne – sind Drohnen deutlich präziser als gelenkte Bomben.
Heinemann: Herr Polenz, wir haben gerade den Anschlag in London erlebt - Sie sprachen eben von der Bedrohungsanalyse -, in Montauban in Frankreich zuvor, oder jetzt in Boston beim Marathon. Das heißt, Täter, die im Land leben, vordergründig gut integriert sind. Ist das ein wachsendes Problem, eine neue Qualität des Terrorismus?
Polenz: Das ist es sicherlich und auch hier hat Obama in seiner Rede ja deutlich gemacht, dass er zusammen mit den muslimischen Gemeinden in den USA gegen die Radikalisierung einzelner angehen will, Programme auflegen will, um das zu verhindern. Und auch Cameron hat ja gestern in seiner Rede sehr deutlich gemacht, dass er unterscheidet zwischen diesen Extremisten, die sich fälschlicherweise auf die Religion berufen, und den vielen Hunderttausenden von Muslimen im Land, die er jetzt auch besucht hat, die er in Schutz nimmt gegen die Angriffe von Rechtsradikalen der English Defence League, einer rechtsradikalen Organisation. Denn das ist ja auch ein Teil der Strategie der Terroristen, unsere Gesellschaften genau in der Weise zu spalten, dass wir alle Muslime etwa ausgrenzen würden und dann natürlich zu einer Radikalisierung dieser Bevölkerungsgruppe beitragen würden. Also sehr kluge Schritte von Cameron und auch von Obama, dem entgegenzuwirken.
Heinemann: Ruprecht Polenz (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Herr Polenz, danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Polenz: Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Ruprecht Polenz: Einen schönen guten Morgen, Herr Heinemann.
Heinemann: Herr Polenz, Guantanamo schließen, vorsichtigerer Umgang mit Drohnen – ist das eine Wende in der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik?
Polenz: Obama hat in der Tat eine Wende angekündigt. Unter dem Eindruck der Anschläge vom 11. September, die ja praktisch gewirkt haben wie ein Kriegsangriff, hat damals Präsident Bush von einem "War against Terrorism" gesprochen, also einem Krieg gegen den Terrorismus. Und Obama hat jetzt in seiner Rede eigentlich als roten Faden die Botschaft gehabt, wir müssen den Terrorismus nicht mehr als Kriegsgegner sehen, denn wir werden den Terrorismus nie völlig ausrotten können - das hätte ja sonst die Folge, Amerika befände sich sozusagen in einem permanenten Kriegszustand -, sondern wir müssen den Terrorismus bekämpfen, natürlich weiterhin als sicherheitspolitische Herausforderung. Aber mehr mit polizeilichen und mit geheimdienstlichen Mitteln. Und das, was er dann an konkreten Maßnahmen angekündigt hat, sind im Grunde Konsequenzen aus dieser Einsicht.
Heinemann: Guantanamo wurde ja lange Zeit als eine Art Schandfleck für die USA gesehen. Kann es das Ansehen des Landes gerade auch in der islamischen Welt jetzt verbessern, wenn dieses Lager geschlossen werden soll. Oder ist es dafür zu spät?
Polenz: Zu spät ist es natürlich nicht, denn wir haben dort zum Beispiel von den 166 Gefangenen, die dort noch festgehalten sind, 88, wo auch nach amerikanischer Einschätzung die Vorwürfe alle ausgeräumt sind. Es scheitert bisher eine Rückführung an rechtlichen Problemen und auch an dem Widerstand mancher Länder, diese Menschen zurückzunehmen. Und es ist natürlich die Frage, ob es Obama jetzt im zweiten Anlauf gelingt, den Kongress und den einen oder anderen Mitgliedsstaat der Vereinigten Staaten davon zu überzeugen, dass man diese Gefangenen aus Kuba zurück auf amerikanisches Festland holen soll, die anderen, um ihnen dort einen Prozess zu machen. Aber das ist noch eine Ankündigung, zum zweiten Mal. Ob es ihm diesmal gelingt, es umzusetzen, wird man sehen.
Heinemann: Den einen oder anderen Staat – welche meinen Sie damit?
Polenz: Na ja, ich meine, wenn er die Gefangenen aus Kuba, wo Guantanamo liegt, zurückholt, muss er sie ja nach Massachusetts, nach New York, nach Kalifornien oder wo immer hinbringen, um ihnen dort den Prozess zu machen, um sie dort möglicherweise auch weiter inhaftiert zu haben, wenn die Gerichte sie dann zu Freiheitsstrafen beispielsweise verurteilen. Aber grundsätzlich finde ich den wichtigen Gedanken, dass die asymmetrische Herausforderung durch den Terrorismus nicht mehr so stark mit militärischen Mitteln bekämpft werden soll, sondern mehr mit polizeilichen und geheimdienstlichen, dass also die Balance zwischen Sicherheitsgefährdung und Freiheitsrechten neu justiert wird.
Heinemann: Herr Polenz, was bedeuten die gestiegenen Skrupel in den Vereinigten Staaten oder beim US-Präsidenten beim Einsatz für Drohnen für die Drohnenstrategie der Bundesregierung?
Polenz: Ich glaube, die Bundesregierung hatte nie die Strategie, die von den USA etwa in Pakistan oder im Jemen oder anderswo verfolgt wurde. Wir sind gerade am Anfang einer Diskussion darüber, ob man sich Drohnen als Bundeswehr zulegen muss, ob man sie braucht und zu welchem Zweck. Obama hat jetzt klar gemacht, man wird Drohnen weiter brauchen, auch als USA. Aber die Befehlsgewalt über die Einsätze wird vom Geheimdienst aufs Pentagon übergehen und es werden striktere Regeln aufgestellt. Beispielsweise dürfen sie nur dann etwa für tödliche Einsätze eingesetzt werden, so ist die Ankündigung, wenn man zivile Opfer nahezu vollständig ausschließen kann. Und wenn es wirklich nicht möglich ist, die betroffene Person festzunehmen.
Heinemann: Aber das kann man ja so gut wie nicht ausschließen, das hat sich ja erwiesen. Braucht die Bundeswehr Kampfdrohnen?
Polenz: Die Diskussionen werden wir in Deutschland zu führen haben. Man muss ja eines auch sehen: Unbemannte Flugkörper haben den Vorteil, dass bei einem Einsatz das Leben von Piloten nicht gefährdet wird.
Heinemann: Gut, aber eben von zivilen Opfern halt.
Polenz: Ja. Aber auch bei Luftangriffen, die von Flugzeugen geflogen werden, können zivile Opfer nicht ausgeschlossen werden. Nach allem was ich weiß – ich bin jetzt kein Waffenexperte im engeren Sinne – sind Drohnen deutlich präziser als gelenkte Bomben.
Heinemann: Herr Polenz, wir haben gerade den Anschlag in London erlebt - Sie sprachen eben von der Bedrohungsanalyse -, in Montauban in Frankreich zuvor, oder jetzt in Boston beim Marathon. Das heißt, Täter, die im Land leben, vordergründig gut integriert sind. Ist das ein wachsendes Problem, eine neue Qualität des Terrorismus?
Polenz: Das ist es sicherlich und auch hier hat Obama in seiner Rede ja deutlich gemacht, dass er zusammen mit den muslimischen Gemeinden in den USA gegen die Radikalisierung einzelner angehen will, Programme auflegen will, um das zu verhindern. Und auch Cameron hat ja gestern in seiner Rede sehr deutlich gemacht, dass er unterscheidet zwischen diesen Extremisten, die sich fälschlicherweise auf die Religion berufen, und den vielen Hunderttausenden von Muslimen im Land, die er jetzt auch besucht hat, die er in Schutz nimmt gegen die Angriffe von Rechtsradikalen der English Defence League, einer rechtsradikalen Organisation. Denn das ist ja auch ein Teil der Strategie der Terroristen, unsere Gesellschaften genau in der Weise zu spalten, dass wir alle Muslime etwa ausgrenzen würden und dann natürlich zu einer Radikalisierung dieser Bevölkerungsgruppe beitragen würden. Also sehr kluge Schritte von Cameron und auch von Obama, dem entgegenzuwirken.
Heinemann: Ruprecht Polenz (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Herr Polenz, danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Polenz: Auf Wiederhören!
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