"Bitte, bitte, bitte, bitte……"
Die Protest-Performance von Schauspielschülern der Ernst-Busch-Schule am Freitagabend vor dem Haus der Berliner Festspiele, Theater schon vor dem Theater. Thomas Oberender, der Intendant, ermöglichte dann mit einer ebenso einfachen wie stilsicheren Geste das Statement eines Aktivisten im Saal. Der seit Langem geplante Neubau der Schauspielschule steht wegen Mehrkosten von lächerlichen zwei Millionen Euro auf der Kippe. Seit gestern Abend, als ein Gast der Talkshow von Günter Jauch die ganz große Fernseh-Bühne enterte, ist das Berliner Politikum nun auch überregional bekannt:
"Halt, halt, halt!"
Auch Jauchs Einspruch gegen die Sicherheitsleute im Studio war bestes Krisenmanagement:
"Bringen Sie bitte den Mann zurück, bei uns wird niemand einfach so wie in der Ukraine aus dem Studio geworfen. – Wissen Sie, worum's geht?" – Wowereit: "Ich vermute, es geht um die Schauspielschule Ernst Busch."
Bislang ist die Schule auf vier, teils marode, Standorte verteilt, einer ist asbestbelastet, eine Sanierung kommt eigentlich nicht in Frage. An der Ernst Busch-Schauspielschule haben Nina Hoss, Devid Striesow, Sandra Hülle, Fritzi Haberlandt oder Jan Josef Liefers studiert, sie ist eine der besten in Deutschland. Die Solidarität unter Künstlern ist groß, die Demonstrationen der "Busch"-Studenten gingen auch heute Nachmittag weiter.
Die Solidaritätsadresse des Kulturstaatsministers Bernd Neumann betraf die über 400 öffentlichen und privaten Theater Deutschlands: "Wir brauchen sie alle", sagte er mit deutlichem Hinweis auf die Thesen im Buch "Der Kulturinfarkt". Und tatsächlich: Die Auswahl ist so vielfältig wie selten. Theatertreffen-Leiterin Yvonne Büdenhölzer.
"Wir haben Klassiker in zugespitzter Lesart, wir haben neue Stoffe, neue Formate wie zum Beispiel das des Re-Enactments, ich persönlich finde die Auswahl sehr vielseitig, sie ist interkulturell, interdisziplinär, performativ auch, wir haben drei Produktionen mit dabei, die von Kollektiven stammen, und das Theatertreffen erweitert sich um eine neue Spielergeneration: wir haben erstmals eine Produktion, in der ausschließlich Kinder auf der Bühne stehen."
Der Vorsitzende der Auswahl-Jury, Franz Wille, sieht dabei auch gar keinen Widerspruch zum jüngst erhobenen Vorwurf, das Theatertreffen reproduziere nur den Mainstream im deutschen Theater:
"Der Sinn von Kunst ist, dass man neue Perspektiven auf die Welt hat, die überraschend sind, die auch unbequem sein können, und man möchte, dass sich diese Perspektiven einer Kunst gegen ein Publikum durchsetzen. Ich empfinde 'Mainstream' an dem Punkt nicht als Schimpfwort, sondern als Auszeichnung."
Zum Auftakt: Eine Symphonie des Schreckens, die Trilogie der Dramen von Sarah Kane, die Johan Simons an den Münchner Kammerspielen inszenierte. "Gesäubert", "Gier", "4.48 Psychose". Texte, die man allein deshalb wiederlesen muss, weil "Gier" eine der schönsten Liebeserklärungen der Dramengeschichte enthält. Simons hat nicht die Düsterkeit betont, sondern die Poesie der Texte, und siehe da, sein Blick macht sie sogar ein wenig heiter.
"Schöner sterben" könnte, zynisch gesprochen, auch die Inszenierung des Norwegers Vegard Vinge und seinem Team für die Berliner Volksbühne heißen. Die Truppe hat Ibsens "John Gabriel Borkman" im Prater als Horrorspektakel inszeniert, das sich allein deshalb nicht beschreiben lässt, weil es bis zu 12 Stunden dauert, ohne allzuviel inhaltlicher Übereinstimmung mit Ibsen. Die Szenerie sieht aus, als seien bösartige Avatare in ein Puppenstubeninterieur versetzt worden, wo sie Ibsens Neurosen in Endlosschleifen von Zerstörung und Gewalt, aber auch in großer Schönheit ausagieren. Zu Beginn zählt eine der Gruselfiguren nur, eineinhalb Stunden lang. Ein nackter Hintern über dem Reichstag und ein Pinkel-Kunststück sind dabei nicht die größte Provokation. Die Inszenierung zielt auf unsere Schamgrenzen und hinterlässt einen großen Schauder – nicht zuletzt darüber, wie stark und schön die Anziehung einer solchen Kinder-Märchen-Horror-Welt wirkt. Das Theatertreffen bislang ist abgründig und anarchisch – und keinesfalls Mainstream.
Die Protest-Performance von Schauspielschülern der Ernst-Busch-Schule am Freitagabend vor dem Haus der Berliner Festspiele, Theater schon vor dem Theater. Thomas Oberender, der Intendant, ermöglichte dann mit einer ebenso einfachen wie stilsicheren Geste das Statement eines Aktivisten im Saal. Der seit Langem geplante Neubau der Schauspielschule steht wegen Mehrkosten von lächerlichen zwei Millionen Euro auf der Kippe. Seit gestern Abend, als ein Gast der Talkshow von Günter Jauch die ganz große Fernseh-Bühne enterte, ist das Berliner Politikum nun auch überregional bekannt:
"Halt, halt, halt!"
Auch Jauchs Einspruch gegen die Sicherheitsleute im Studio war bestes Krisenmanagement:
"Bringen Sie bitte den Mann zurück, bei uns wird niemand einfach so wie in der Ukraine aus dem Studio geworfen. – Wissen Sie, worum's geht?" – Wowereit: "Ich vermute, es geht um die Schauspielschule Ernst Busch."
Bislang ist die Schule auf vier, teils marode, Standorte verteilt, einer ist asbestbelastet, eine Sanierung kommt eigentlich nicht in Frage. An der Ernst Busch-Schauspielschule haben Nina Hoss, Devid Striesow, Sandra Hülle, Fritzi Haberlandt oder Jan Josef Liefers studiert, sie ist eine der besten in Deutschland. Die Solidarität unter Künstlern ist groß, die Demonstrationen der "Busch"-Studenten gingen auch heute Nachmittag weiter.
Die Solidaritätsadresse des Kulturstaatsministers Bernd Neumann betraf die über 400 öffentlichen und privaten Theater Deutschlands: "Wir brauchen sie alle", sagte er mit deutlichem Hinweis auf die Thesen im Buch "Der Kulturinfarkt". Und tatsächlich: Die Auswahl ist so vielfältig wie selten. Theatertreffen-Leiterin Yvonne Büdenhölzer.
"Wir haben Klassiker in zugespitzter Lesart, wir haben neue Stoffe, neue Formate wie zum Beispiel das des Re-Enactments, ich persönlich finde die Auswahl sehr vielseitig, sie ist interkulturell, interdisziplinär, performativ auch, wir haben drei Produktionen mit dabei, die von Kollektiven stammen, und das Theatertreffen erweitert sich um eine neue Spielergeneration: wir haben erstmals eine Produktion, in der ausschließlich Kinder auf der Bühne stehen."
Der Vorsitzende der Auswahl-Jury, Franz Wille, sieht dabei auch gar keinen Widerspruch zum jüngst erhobenen Vorwurf, das Theatertreffen reproduziere nur den Mainstream im deutschen Theater:
"Der Sinn von Kunst ist, dass man neue Perspektiven auf die Welt hat, die überraschend sind, die auch unbequem sein können, und man möchte, dass sich diese Perspektiven einer Kunst gegen ein Publikum durchsetzen. Ich empfinde 'Mainstream' an dem Punkt nicht als Schimpfwort, sondern als Auszeichnung."
Zum Auftakt: Eine Symphonie des Schreckens, die Trilogie der Dramen von Sarah Kane, die Johan Simons an den Münchner Kammerspielen inszenierte. "Gesäubert", "Gier", "4.48 Psychose". Texte, die man allein deshalb wiederlesen muss, weil "Gier" eine der schönsten Liebeserklärungen der Dramengeschichte enthält. Simons hat nicht die Düsterkeit betont, sondern die Poesie der Texte, und siehe da, sein Blick macht sie sogar ein wenig heiter.
"Schöner sterben" könnte, zynisch gesprochen, auch die Inszenierung des Norwegers Vegard Vinge und seinem Team für die Berliner Volksbühne heißen. Die Truppe hat Ibsens "John Gabriel Borkman" im Prater als Horrorspektakel inszeniert, das sich allein deshalb nicht beschreiben lässt, weil es bis zu 12 Stunden dauert, ohne allzuviel inhaltlicher Übereinstimmung mit Ibsen. Die Szenerie sieht aus, als seien bösartige Avatare in ein Puppenstubeninterieur versetzt worden, wo sie Ibsens Neurosen in Endlosschleifen von Zerstörung und Gewalt, aber auch in großer Schönheit ausagieren. Zu Beginn zählt eine der Gruselfiguren nur, eineinhalb Stunden lang. Ein nackter Hintern über dem Reichstag und ein Pinkel-Kunststück sind dabei nicht die größte Provokation. Die Inszenierung zielt auf unsere Schamgrenzen und hinterlässt einen großen Schauder – nicht zuletzt darüber, wie stark und schön die Anziehung einer solchen Kinder-Märchen-Horror-Welt wirkt. Das Theatertreffen bislang ist abgründig und anarchisch – und keinesfalls Mainstream.