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Polit-Serie
"Baron Noir" und der französische Wahlkampf

Ein Bürgermeister will in den Élysée-Palast: Die Polit-Serie "Baron Noir" ist das französische "House of Cards". Es geht um Machtspiele, krumme Deals und Populismus. Vor der Stichwahl in Frankreich wirkt das alles sehr realistisch.

Von Julian Ignatowitsch |
    Szenenbild aus "Baron Noir": Kad Merad (Philippe Rickwaert) und Niels Arestrup (Präsident Laugier) rauchen gemeinsam eine Zigarette. Bild: Studiocanal / Jean-Claude Lother
    "Zwei Männer - einer gewinnt, einer verliert" - Niels Arestrup und Kad Merad in "Baron Noir" (Studiocanal / Jean-Claude Lother)
    Jupiter ist wütend. "Ein Blitzschlag. - Ja, wie Jupiter. Es muss wie ein Blitz einschlagen."
    Die Götter im 21. Jahrhundert, sie tragen Anzug und Krawatte, zumal im säkularen Frankreich. Sie sprechen über Politik, krumme Deals und Umfragewerte, in schicken Suiten und schummrigen Hinterhöfen.
    "Was ist Politik? Ein verdammtes Haifischbecken!" Die hohe Kunst der Macht. Der Beste, der Größte, Jupiter hat das Sagen.
    "Wer für eine Nation verantwortlich ist, kann sich keine Freundschaft leisten", sagt Amélie. Philippe Rickwaert, Bürgermeister der nordfranzösischen Stadt Dünkirchen, war einer der engsten Vertrauten des neuen französischen Präsidenten. Jetzt ist er sein Intimfeind und will selbst in den Élysée-Palast:
    "Hier geht es nicht um Politik, hier geht es um zwei Männer. Einer gewinnt, einer verliert." Also Rickwaert, dieser Martin Schulz-bärtige und glatzköpfige Sozialist - übrigens wunderbar gespielt von Kad Merad - gegen den "Monsieur le Président". Er schmiedet Allianzen und löst sie wieder auf; mit und gegen die Gewerkschaften, mit und gegen Parteigenossen, mit und gegen das Establishment, die Konservativen, die Bürokraten.
    "Sie alle haben mit mir gekämpft, um Francis Laugier in das höchste Amt des Staates zu verhelfen. Wie Sie wissen, hat er mich aus allen Ämtern ausgeschlossen. Er ist Präsident. Er kann auf Technokraten setzen. Für mich sind das Spielzeugfiguren: Graue Anzüge, blaue Krawatte."
    Populismus, wie man ihn vor der Stichwahl in Frankreich zu Genüge gehört hat, zum Beispiel wenn Marine Le Pen auf die europäischen Eliten schimpft.
    Etwas dick aufgetragen
    Kai Wegrich: "Das ist das Problem für die Macher der Politik-Serien: Wir haben - in den USA, Brasilien, in Frankreich - Stoff der Realität, der, wenn man ihn als Drehbuchautor vorschlagen würde, als nicht realistisch angesehen werden würde."
    Realität und Fiktion - selbst für Politikprofessor Kai Wegrich von der Hertie School of Governance ist das anno 2017 nicht immer leicht zu trennen. Politikserien sind in: "House of Cards", "The West Wing", "Borgen" - das alles schaut sich wie eine Mischung aus Krimi, Mafiaepos und Daily Soap, dazu gibt es den politikwissenschaftlichen Grundkurs nach Machiavelli gleich mitgeliefert.
    Serien prägen unser Weltbild. Ein gewisser Populismus - Stichwort Eliten-Bashing - ist ihnen dabei aber selbst zu unterstellen. In "Baron Noir" veruntreut Bürgermeister Rickwaert gleich zu Beginn Geld aus dem Sozialwohnungsetat, treibt einen Mitarbeiter in den Selbstmord und manipuliert die Regionalwahlen. Dick aufgetragen. Ist das im Großen und Ganzen noch realistisch?
    Kai Wegrich: "Nicht im Großen und Ganzen bildet das die Realität ab, sondern im Kleinen und Speziellen. Im Großen sind Politiker keine Mörder, es gibt nicht nur Intrigen und nicht jeder ist nur machtinteressiert. Aber im Spezifischen, wie es abläuft, wie mit- und gegeneinander gearbeitet wird, wie die Institutionen funktionieren - das wird gezeigt."
    Ein raues Umfeld
    Und Serienmacher Éric Benzekri kennt sich aus. In den 80er und 90er-Jahren war er selbst in der sozialistischen Partei aktiv. Wie bei "House of Cards", dessen Geschichte auf der Buchvorlage des britischen Abgeordneten Michael Dobbs basiert, erzählt also auch hier ein Insider und meint: Den guten Politiker gibt es nicht.
    "Baron Noir" erfindet insofern das Genre Polit-Serie sicher nicht neu, verlegt seine machthungrigen Charaktere und ihre undurchsichtigen Machenschaften aber in ein raues Umfeld jenseits von Paris. Der französische Norden: Mit rauchenden Fabrikschloten, Arbeitern, langen Regentagen, Bier und Bratwurst.
    Diese Leute haben im ersten Wahlgang mehrheitlich Le Pen gewählt - und das ist vielleicht der größte Unterschied zur Realität: Der Front National spielt in der Serie nur eine untergeordnete Rolle.
    Die Serie ist seit April auf Deutsch erhältlich, zum Beispiel über "Amazon Video" oder im Pay-TV auf "SONY Channel" (immer Donnerstag, 21 Uhr) und sie zeigt eine Fiktion des Politikbetriebs in Frankreich. Die erste Staffel erscheint am 26. Mai auf DVD.