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Politik kauft Sendezeit
Radio-Affäre in Sachsen-Anhalt

Nach Recherchen der "Magdeburger Volksstimme" sollen Politiker und Parteien Sachsen-Anhalts erfolgreich versucht haben, auf die Medien Einfluss zu nehmen. Beim Privatradio SAW sollen sie Sende-Zeit gekauft haben, um ihre eigenen Themen zu setzen.

Von Christoph Richter |
    Ein Vorfall, der gestern im Landtag für einigen Aufruhr gesorgt hat. Insbesondere als SPD-Finanzminister Jens Bullerjahn – dessen Ministerium Themen in Sendungen des Privatradios SAW platziert haben soll - aus dem Hintergrund mit den Worten poltert: Seid ihr denn bekloppt...?" Die Magdeburger Landesregierung der seit 2011 regierenden Großen Koalition beharrt auf dem Standpunkt, sie könne kein fehlerhaftes Verhalten sehen. Stattdessen nennt sie das Ganze Öffentlichkeitsarbeit. Die Opposition dagegen schäumt. Sebastian Striegel von Bündnis 90/Die Grünen:
    "40.000 Euro haben nach bisheriger Kenntnis insgesamt vier Sendungen gekostet, die Ministerinnen und Minister beim privaten Radio SAW in Auftrag gegeben haben und deren Programm die Landesregierung im Gegenzug mehr oder weniger mitbestimmen konnte. Bei allen vier Sendungen war nicht erkennbar, dass hier kein echtes Redaktionsprodukt, sondern eine Dauerwerbesendung zu hören war."
    Konkret geht es um vier zweistündige Sendungen mit dem Titel "SAW-Spezial" des gleichnamigen reichweitenstärksten Privat-Radios in Sachsen-Anhalt.
    Geflossen seien pro Sendung etwa 10.000 Euro Steuergelder, so der medienpolitische Sprecher der Linken Stefan Gebhardt. Das Problem sei seines Erachtens, dass die redaktionelle Unabhängigkeit nicht gewahrt wurde, weil keine kritischen Stimmen zu Wort kamen.
    "Politik insgesamt muss einfach begreifen, dass Medien kein Selbstbedienungsladen sind, wo man sich einfach mal so Sende-Zeit kaufen kann. Sondern, wo man sich kritischen Debatten zu stellen hat, wo man auch mit kritischen Widerworten rechnen muss. Und nicht, ich geb mal Geld, dafür bekomme ich einen schönen Beitrag. So funktioniert Demokratie nicht."
    Uwe Gajowski vom Journalistenverband Sachsen-Anhalt verweist in diesem Zusammenhang auf den Fall der angeblichen SAW-Moderatorin Maren Sieb. Sie hatte 2010 eine Sendung zum Thema Behinderung moderiert, für den sie auch noch den Mitteldeutschen Rundfunkpreis bekam. Das Problem: Zum Zeitpunkt der Sendung sei sie gar keine Angestellte des Senders gewesen, sondern hätte als Inhaberin ihrer eigenen Werbeagentur agiert. Denn mit der Sendung habe sie ihren Kunden – den Paritätischen Wohlfahrtsverband, der sich das Ganze 68.000 Euro kosten ließ - im Programm platziert. Ohne dass die Hörer davon erfuhren, ergänzt Gajowski vom DJV.
    Sondersitzung der Landesmedienanstalt geplant
    "Das ist ein Vorgang, der so überhaupt nicht geht."
    Weshalb nun die Geschäftspraktiken des Radiosenders SAW Mittwoch kommender Woche Thema einer Sondersitzung der Landesmedienanstalt sein werden. Die möglichen Sanktionen reichen von einer Geldstrafe bis hin zum höchst unwahrscheinlichen Lizenzentzug.
    "Der Sender spielt mit Glaubwürdigkeit, denn das Pfund der Medien ist nun mal Glaubwürdigkeit."
    Nun wird darüber spekuliert, ob in Sachsen-Anhalt ein Teil der Medien und die Politik zu eng miteinander verbandelt seien, ob die Unabhängigkeit des Privat-Radios SAW überhaupt noch gegeben ist.
    Von einem Grundproblem des Landes Sachsen-Anhalt, dass 25 Jahre nach der Deutschen Einheit die demokratischen Grundprinzipien immer noch nicht verstanden habe, will keiner sprechen. Aber dennoch dränge sich der Eindruck auf, so Linken-Politiker Gebhardt, dass man es hier mit einer besonderen Form ostdeutscher Traditionspflege zu tun habe.
    "Naja, zugespitzt kann man das schon so formulieren. Das was hier passiert ist DDR in Reinst-Form."
    Gern hätten wir auch ein Statement von Verantwortlichen des Senders Radio SAW gehabt, doch dort ist seit Tagen keiner der Verantwortlichen zu erreichen.